Kosmetik Ja zum Plattformverbot

Viele Hersteller hochpreisiger Luxus- und Markenartikel befürchten durch das Angebot ihrer Waren über Amazon & Co einen Imageverlust. Der Europäische Gerichtshof sieht dies genauso und bestätigte das Plattformverbot des Kosmetikspezialisten Coty. Rechtsanwältin Dr. Nantje Johnston

Donnerstag, 18. Januar 2018 - Drogerieartikel
Rechtsanwältin Dr. Nantje Johnston
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Bildquelle: CMS Deutschland

Die Luxemburger Richter haben kürzlich über das Plattformverbot des Duft- und Kosmetikunternehmens Coty entschieden und dieses im Ergebnis bestätigt. Coty wendet in seinen Depotverträgen mit Parfümerien strenge Kriterien an, die diese erfüllen müssen, um überhaupt Coty-Produkte führen zu dürfen. Unter anderem werden spezielle Anforderungen an die Fassade, Innenausstattung und Beleuchtung der Parfümerie gestellt. Den Parfümerien wird außerdem vorgegeben, dass Coty-Produkte im Internet nur in einem sogenannten „elektronischen Schaufenster“ angeboten werden dürften, der Verkauf über Internetplattformen wie Amazon.de ist untersagt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die kartellrechtliche Zulässigkeit dieses Verbots bestätigt.

Zum Hintergrund: Das Bundeskartellamt sieht Plattformverbote kritisch. Die Rechtsprechung der deutschen Gerichte ist uneinheitlich. Das von Coty zur Durchsetzung seines Depotvertrags angerufene OLG Frankfurt hatte vor diesem Hintergrund den EuGH angerufen, um die Zulässigkeit des Plattformverbots von Coty zu klären.

EuGH schafft Rechtsklarheit
Das nun vorliegende Urteil des EuGH ist eindeutig: In selektiven Vertriebsverträgen enthaltene Verkaufsverbote über Drittplattformen sind regelmäßig gerechtfertigt. Nur für Anbieter und Händler mit Marktanteilen über 30 Prozent gelten grundsätzlich strengere Regeln. Diese dürfen entsprechende Absprachen nur ausnahmsweise unter folgenden Voraussetzungen treffen: Erstens müssen die Eigenschaften des fraglichen Erzeugnisses zur Wahrung seiner Qualität und zur Gewährleistung seines richtigen Gebrauchs die Einrichtung eines Vertriebsnetzes erfordern, in dem die Händler anhand qualitativer Anforderungen ausgewählt werden. Zweitens muss gewährleistet sein, dass die Auswahl der Händler diskriminierungsfrei erfolgt. Und es dürfen drittens nur solche Anforderungen an die Händler gestellt werden, die zur Wahrung der Qualität und des richtigen Gebrauchs der Vertragserzeugnisse erforderlich sind.

Die Autorin

Rechtsanwältin Dr. Nantje Johnston ist Counsel im Hamburger Büro von CMS Deutschland. Sie ist auf Kartellrecht spezialisiert und berät schwerpunktmäßig bei der Gestaltung und Pflege von selektiven Vertriebssystemen.

Totalverbot ausgeschlossen
Der EuGH hat bestätigt, dass der Prestigecharakter der Coty-Produkte ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht und damit zugleich eine Produkteigenschaft ist, die die Einrichtung eines selektiven Vertriebssystems rechtfertigt. Außerdem sei das in den Depotverträgen enthaltene Verbot, die Vertragsprodukte über Drittplattformen anzubieten, geeignet und erforderlich, das Luxusimage der Coty-Produkte zu schützen. Der EuGH unterscheidet in diesem Kontext zwischen einem Totalverbot des Internetvertriebs und einem Drittplattformverbot. Während ein Totalverbot regelmäßig über das zur Wahrung des Luxusimages erforderliche Maß hinausgehe und daher nicht gerechtfertigt werden könne, seien Plattformverbote beim Vertrieb von Luxuswaren verhältnismäßig. Die Unterscheidung zwischen Totalverboten und Drittplattformverboten gilt nach den Entscheidungsgründen auch für Vertriebsverträge von Anbietern mit einem Marktanteil von nicht mehr als 30 Prozent. Während Totalverbote eine Kundengruppenbeschränkung darstellen und damit als Kernverstoß unzulässig sind, beschränken Plattformverbote keine ganze Kundengruppe und sind daher generell freigestellt. Die Freistellung gilt für Plattformverbote in selektiven Vertriebsverträgen nur dann ausnahmsweise nicht, wenn sie als Beschränkung des Verkaufs an Endverbraucher einzustufen sind - denkbar, wenn für Verkäufe im stationären Handel keine vergleichbaren Qualitätsanforderungen gestellt werden. Der Verkauf über Drittplattformen darf nur verboten werden, wenn auch im stationären Geschäft nicht an dritten Orten ohne Einhaltung der Anforderungen an den stationären Vertrieb verkauft werden darf, z. B. auf fliegenden Märkten oder Messen.

Auch für Markenartikel relevant
Das Urteil schafft für Anbieter von Luxuswaren insoweit Rechtssicherheit, als auch diesen unabhängig von ihrem Marktanteil die Einrichtung eines selektiven Vertriebssystems gestattet wird. Unangetastet bleibt die ständige Rechtsprechung, wonach auch Hersteller von Markenartikeln und technisch anspruchsvollen Waren unabhängig von ihrem Marktanteil ein selektives Vertriebssystem einrichten können, sofern die Auswahlkriterien für den Vertrieb der jeweiligen Produkte angemessen sind. Ob ein Plattformverbot in diesen Fällen erforderlich ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Das Urteil schafft noch zu einem zweiten Punkt Rechtssicherheit: Bei Marktanteilen bis 30 Prozent sind Plattformverbote in selektiven Vertriebsverträgen unabhängig von dem Luxuscharakter der Produkte in aller Regel zulässig. Nur ausnahmsweise – wenn z. B. für den Offlineverkauf überhaupt keine vergleichbaren Vorgaben zu der Verkaufsstätte gemacht werden – können Plattformverbote unzulässig sein.

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