Maßnahmenpaket der Hersteller Fleisch wird vorerst nicht knapp

Durch die Corona-Pandemie stehen Lebensmittelproduktion und -handel derzeit vor nie dagewesenen Herausforderungen. In diesem Beitrag erfahren Sie, mit welchen Schutzmaßnahmen sich Hersteller aus der Fleischbranche gegen die Pandemie wappnen.

Dienstag, 12. Mai 2020 - Corona Update
Jens Hertling
Artikelbild Fleisch wird vorerst nicht knapp
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Der Schlachtbetrieb „Westfleisch“ in Coesfeld in Nordrhein-Westfalen muss wegen einer Häufung von Corona-Infektionen vorläufig geschlossen bleiben. Das Verwaltungsgericht Münster lehnte einen Eilantrag der Firma dagegen ab. Der Kreis hatte angeordnet, den Betrieb bis zum 18. Mai zu schließen, nachdem mehr als 200 der 1.200 Beschäftigten positiv auf das Coronavirus getestet worden waren. Deshalb gibt es Sorgen, ob auch in Deutschland Fleisch perspektivisch knapp werden könnte. Gleiches wurde in den USA beobachtet, nachdem dort Tausenden Mitarbeiter von Großschlachtereien positiv auf Corona getestet wurden. „Ich gehe nicht davon aus, dass Fleisch hierzulande knapp wird“, sagt Marktanalyst Tim Koch, Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI). Deutschland sei ein großer Fleisch-Exporteur: 2019 wurden 2,9 Millionen Tonnen Schweinefleisch + Nebenprodukte, davon 603.000 Millionen Tonnen nach China, exportiert. Deutschland produziere damit laut Koch tendenziell mehr Fleisch als im Land benötigt werde. „Selbst wenn einzelne Betriebe geschlossen werden, können wir das ausgleichen.“ Anders sei die Lage, wenn etwa bei einer zweiten Corona-Infektionswelle plötzlich sehr viele fleischverarbeitende Betriebe geschlossen werden müssten. „Das könnte uns härter treffen, wobei das spekulativ ist.“ Auch die Preise werden seiner Meinung nach vorerst nicht steigen. „Im Moment sind die Preise im LEH noch hoch. Spätestens Ende Mai oder Anfang Juni werden die sinkenden Preise in den Läden ankommen.“

Karl-Heinz Steinkühler, Pressesprecher vom Fleischhersteller Vion Deutschland, im Interview zu den Maßnahmen von Hersteller Vion gegen Corona.

Welches Maßnahmenpaket hat Vion geschnürt, damit „Corona“ nicht in die Produktion gelangt?

Seit Anfang März sind bei Vion umfassende Schutzmaßnahmen zur Verhinderung von Infektionsketten durch das Corona-Virus am Arbeitsplatz eingeführt und umgesetzt worden. Neben den in einem Lebensmittelbetrieb ohnehin geltenden Hygieneanforderungen wie persönliche Schutzkleidung und Handhygiene wurden auch spezifische Schutzmaßnahmen wie Abstandsregelungen, Einsatz von Abtrennungen und weitere organisatorische Maßnahmen getroffen. Die Arbeitsplätze in der Schlachtung und Zerlegung wurden so verändert, dass ein Mindestabstand von 1,5 eingehalten wird. Sofern bei einzelnen Positionen das nicht möglich ist, wurden Abtrennungen wie Streifenvorhänge eingesetzt oder das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verpflichtet. Vion orientiert sich bei diesen Maßnahmen an den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Wie streng wird das überwacht?

Produktionsleiter, Vorarbeiter und das Team von Qualität und Sicherheit an jedem Standort achten sehr streng auf die Einhaltung der behördlichen und internen Vorgaben für den Arbeitsschutz und die Einhaltung der Hygienevorschriften. Außerdem sind die Mitarbeiter ausführlich unterrichtet worden.

Andere Firmen haben eine Pandemie-Sonderkommission gebildet. Ist dies auch bei Vion der Fall?

Vion hat an jedem Standort eine Task Force Corona eingerichtet, darüber hinaus gibt es konzernweit eine koordinierende leitende Stelle, die besonders auf die Maßnahmen zur Bekämpfung von Corona in den Betrieben ausgerichtet ist.

Warum sind oft die Arbeiter von Subunternehmern betroffen?

Dazu liegen Vion keine Erkenntnisse vor.

Krisenteams wurden gebildet

„Zur Sicherung der Produktion gehört etwa die Clusterbildung von Mitarbeitern, die in unterschiedlichen Schichten arbeiten, um direkten Kontakt miteinander zu vermeiden. Es wurden auch Krisenteams gebildet, die sich regelmäßig treffen und die Maßnahmen koordinieren“, berichtet Sarah Dhem, Präsidentin des Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie e.V. (BVDF). Zudem wurden die ohnehin strengen Hygieneregeln deutlich verschärft. „Wir haben in Zusammenarbeit mit den Verbänden der Fleischwirtschaft und des Fleischerhandwerks unter dem Motto #ICannotStayAtHome eine gemeinsame Initiative der drei Verbände auf Facebook gestartet, um allen Mitarbeitern der Branche Solidarität und Gemeinschaft aufzuzeigen. Wurstherstellung funktioniert wie jedes andere Handwerk nun mal nicht aus dem Homeoffice heraus“, sagt Dhem.

Hersteller Michael Ponnath, Ponnath die Meistermetzger GmbH, berichtet über einen umfangreichen Maßnahmenkatalog in allen Werken und in der Verwaltung. „Seit dem Ausbruch der Pandemie haben wir die ohnehin schon hohen Hygiene- und Sicherheitsstandards noch einmal verstärkt. Auch die Arbeitsorganisation wurde verändert. In der Produktion sind die einzelnen Teams strikt voneinander getrennt, um möglichen Infektionen vorzubeugen und die Distanzempfehlungen einhalten zu können. Wo immer es geht, haben wir unsere Verwaltung auf Homeoffice umgestellt“, so Ponnath.

Hersteller Tönnies aus Rheda-Wiedenbrück steht im engen Austausch mit den Bundes- und Landesbehörden sowie Vertretern des Kreises. „Der regelmäßige, intensive und vertrauensvolle Informationstransfer, ermöglicht eine ständige Anpassung an die aktuelle Pandemie-Situation. Stets sind wir offen für Ideen, das Schutzniveau bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung unseres Versorgungsauftrages als kritische Infrastruktur zu verbessern“, sagt Dr. André Vielstädte. Tönnies hat für die gesamte Unternehmensgruppe zu einem sehr frühen Zeitpunkt einen „Krisenstab Pandemie“ gegründet. „Unter der Leitung von Dr. Gereon Schulte Althoff sind alle Informationen, Maßnahmen und Entscheidungen gebündelt, damit eine unverzügliche Umsetzung erfolgt“, so Vielstädte.

In den Werken wurden diverse Maßnahmen ergriffen, um die Hygiene sicherzustellen. Dazu gehören neben zusätzlichen Wasch- und Desinfektionsmöglichkeiten, das Auseinanderziehen von Arbeitsplätzen, das Clustern von Kantinen und Pausenmöglichkeiten. Die Gruppen sind hierbei entsprechend der Wohngemeinschaften organisiert, so dass die Kontakthäufigkeit entsprechend reduziert und im Falle einer Infektion eine Ansteckung zwischen den jeweilige Wohngemeinschaft möglichst vermieden wird. Mitarbeiter der Verwaltung wurden wo möglich ins Home-Office geschickt. Weiter hat der Hersteller eine Einbahnstraßen-Regelung in mehreren Fluren und Gängen und stellt den Mitarbeitern Mund-Nasen-Schutz zur Verfügung.

System mit Wärmebildsensoren

Zur Erhöhung des Mitarbeiterschutzes hat Tönnies vor Ostern an verschiedenen Standorten ein hochmodernes System mit Wärmebildsensoren installiert. Mit dem neuen System wird dem die Körpertemperatur jeder Person beim Eingang zum Betrieb gemessen. Eine vom Sensor erkannte Person mit erhöhter Körpertemperatur wird anschließend nachgemessen. Zeigt sich auch hier eine erhöhte Temperatur, wird die betroffene Person gebeten sich bei Ihrem Hausarzt zu melden. Die Person wird vom Hausarzt krankgeschrieben. „Daneben betreiben wir vor allem Mitarbeiteraufklärung. Mit einer internen Hotline und über eine firmeninterne APP. Über diese informieren wir alle Mitarbeiter in ihren jeweiligen Sprachen. Wichtig ist neben den hygienischen und organisatorischen Maßnahmen, möglichst jeden Mitarbeiter zu motivieren, sich schon bei kleinsten Symptomen beim Arzt zu melden – und nicht in den Betrieb zu kommen“, so Vielstädte.

In Abstimmung mit den Behörden wurde festgestellt, dass Tönnies einen Versorgungsauftrag als Unternehmen der kritischen Infrastruktur hat. „Daher muss auch, wenn nicht an allen Stellen der Mindestabstand gewährleistet werden kann, die Produktion fortgesetzt werden. Natürlich wird mit diversen Maßnahmen der Schutz aller Mitarbeiter bestmöglich eingehalten“, so Pressesprecher Vielstädte.