Bio-Fachhandel Vertrauen ist gut...

Der Bio-Markt wächst. Und damit auch die Problematik der Waren-Verfügbarkeit. Immer mehr Bio-Produkte und -Rohstoffe werden importiert .

Donnerstag, 09. Februar 2012 - Sortimente
Bettina Röttig
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Dynamische Bio-Wachstum
Bildquelle: NuernbergMesse - Thomas Geiger

Um rund 9,9 Prozent ist das Bio-Segment im vergangenen Jahr in LEH und Drogeriemärkten über alle Vertriebslinien hinweg gewachsen – sehr viel dynamischer als konventionelle Lebensmittel (plus 3,6 Prozent), so die erste Hochrechnung auf Basis der von Nielsen beobachteten Warengruppen mit Bio-Angebot. Tatsächlich dürfte das Plus sogar noch höher ausfallen, denn wie immer sind die Bio-Kernsortimente Obst und Gemüse in der Auswertung nicht enthalten. Die Marktforscher führen die Entwicklung vor allem auf das infolge von Dioxinskandal, EHEC und Fukushima wachsende Bedürfnis der Verbraucher nach sicheren Lebensmitteln zurück.

Glaubwürdigkeit ist nach wie vor das wertvollste Gut des Bio-Sektors. Und genau diese gilt es zu wahren – und auszubauen. Der Skandal um Bio-Fälschungen aus Italien im Dezember 2011 (wir berichteten) macht deutlich, dass auch die Öko-Branche nicht gefeit ist vor kriminellen Machenschaften. Bisher hatte der Vorfall keinen allzu großen Einfluss auf das Kaufverhalten der Verbraucher, fasst Markus Rippin, Agromilagro Research, die Rückmeldungen aus der Branche zusammen. „Aber es ist auch offensichtlich, dass die Unsicherheit über Bio bei den Verbrauchern langsam aber stetig zunimmt, auch ohne solche Skandale“, beobachtet er. Es fehle die Transparenz im Markt, vor allem bei den Handelsmarken. „Der Verbraucher hat keinen Anhaltspunkt dafür, dem anonymen Bio Glauben zu schenken. Solange sich das nicht ändert, wird das Misstrauen weiterhin im Markt Bestand haben und das latente Potenzial entsprechend auch nicht ausgeschöpft.“

Steigende Importzahlen
Insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Anteile von Bio-Importware wird das Thema Transparenz dringlicher. Zwischen 2007 und 2010 haben sich die Einfuhrmengen von Bio-Produkten laut Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) verdoppelt. Jede zweite Bio-Möhre, das absatzstärkste Produkt im Segment Gemüse, wird mittlerweile importiert. Bei Äpfeln sieht es nicht anders aus, ergab das Projekt „Analyse der Entwicklung des ausländischen Angebots bei Bio-Produkten mit Relevanz für den deutschen Bio-Markt“. 80 Prozent der Bio-Tomaten und 90 Prozent der Paprika stammen aus dem Ausland. Für Fruchtgemüse z.B. sind Spanien und Italien die wichtigsten Lieferländer, ca. ein Drittel der in Deutschland verkauften Äpfel kommen aus Bella Italia, aber auch osteuropäische Länder decken mittlerweile unseren Bedarf an Bio-Produkten, liefern z.B. Getreide und Ölsaaten.

„Wir brauchen mehr regionale Bio-Ware“, fordert Stephan Paulke, Vorstandsvorsitzender der Basic AG. Nach wie vor sei das Thema Umstellungsware nicht gelöst. „Hier müsste die staatliche Förderung ausgebaut werden, damit die Landwirte nicht erst nach der dreijährigen Umstellungsfrist für ihre Mühen entlohnt werden.“

Doch so laut auch der Ruf nach regionaler Ware klingt, auch in Zukunft wird der Markt auf Importware angewiesen sein, um den wachsenden Bedarf zu decken. Wie jedoch können künftig Betrugsfälle weitestgehend ausgeschlossen werden? Reichen die Kontrollen aus? „Wir achten darauf, dass unsere Lieferanten unseren strengen Qualitätsanforderungen genügen und setzen deshalb auch auf eigene Audits und Betriebsprüfungen“, erklärt Thomas Mempel, Geschäftsführer der Bio-Zentrale GmbH. Ähnlich halten es auch andere Markenhersteller. „Wir verlassen uns zum größten Teil auf die Öko-Kontrollstellen und deren sicheres Kontrollnetz. Jedoch führen wir eigene Analysen bei unabhängigen Laboren zur Herkunftssicherung und Authentizitätsprüfung durch, um beste Qualitäten sicherzustellen“, erläutert Bernd Richter, Geschäftsführer von Rila Feinkost Importe.

Länderübergreifende Kommunikation
„Man kann nicht alles bis ins Detail prüfen, diese Kosten kann niemand tragen“, so der Einwand von Markus Rippin. „Es muss Klarheit her, wer für die Echtheit der Ware haftet und wo sie erzeugt wurde“, verlangt er. In Zukunft müsse vor allem ein besseres Zusammenspiel der Behörden über die Ländergrenzen hinweg gewährleistet werden, betont Kamran Wührmann, Marketing Direktor bei Wessanen. Der BÖLW fordert hierzu, die Bescheinigungen für zertifizierte Betriebe in einer europaweiten Datenbank zu hinterlegen. „Darüber hinaus wäre es auch sinnvoll, Chargen-Zertifikate einzuführen mit genauer Liefermenge und der Anbaufläche des Herkunftsbetriebs, um die gelieferten Mengen auch plausibel und nachvollziehbar zu machen“, so der Vorschlag der österreichischen Vita+ Naturprodukte AG.

Auch Frauke Weissang, Mitglied des Verwaltungsrates der italienischen Bio-Kooperative Terra Bio, fordert eine länderübergreifende Kommunikation und fügt in Bezug auf den konkreten Fall in Italien hinzu: „Während der Ermittlungen in einem Verdachtsfall kriminellen Hintergrundes sollte der Wechsel einer Kontrollstelle entweder vollständig untersagt sein.“ Oder, wäre eine Kontrollstelle in einen Verdachtsfall kriminellen Hintergrundes involviert, müsse die neue Kontrollstelle zwingend und vollständig über den Status Quo und alle Verdachtsmomente informiert werden. Bei einer Erhärtung des Verdachts gelte es, einen Wechsel der Kontrollstelle der involvierten Firmen und Händler zwingend zu unterbinden.

Doch auch der Handel sei gefordert: „Wichtig ist, dass der Handel kritisch ist und die Herkunft der Produkte hinterfragt“, so Weissang. „Zusätzlich sollten die Händler bzw. Hersteller anstatt mehr Kontrollkosten mehr Analysekosten einkalkulieren“, betont Rippin. Über häufigere Stichproben und Laboruntersuchungen könne man mehr Sicherheit in den Markt bringen als über anonyme Kontrollen.

\\ Weitere Informationen sowie den Schlussbericht zum Projekt „„Analyse der Entwicklung des ausländischen Angebots bei Bio-Produkten mit Relevanz für den deutschen Bio-Markt“ finden Sie unter www.agromilagro.de .

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Bild öffnen Der Anteil von Bio-Importware steigt und das Thema Transparenz wird dringlicher. Bildquelle: NuernbergMesse/Thomas Geiger
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