Brot und Backwaren Stulle auf die Hand

Verpackte Brot- und Backwaren schwächeln im Markt derzeit etwas. Doch es gibt einige Ansätze für neue Impulse am SB-Regal. Brot mit Superfoods, getreidefreie Alternativen oder vegane Produkte sind im Kommen.

Freitag, 26. Februar 2016 - Sortimente
Susanne Klopsch
Artikelbild Stulle auf die Hand

Die Bundesbürger sind zu Snackern geworden. Unterwegsverzehr ist keine Ausnahme mehr, sondern für viele – vor allem Berufstätige – das beinahe tägliche Brot. Eine gute Umsatzchance für den Lebensmittel-Einzelhandel: Denn inzwischen steuern die Konsumenten eher das Snackregal im Discount- oder Supermarkt oder den Bäcker in der Vorkassenzone an, um sich fürs mobile Frühstück oder die Mittagspause zu versorgen. So stiegen nach Erhebungen der npdgroup in Nürnberg die Ausgaben für Produkte für den Sofortverzehr (z. B. gefüllte Wraps, Sandwiches, frische Salate, Pizzastangen aus der Backstation) von 897 Mio. Euro im Jahr 2010 auf über 1 Mrd. Euro im vergangenen Jahr.

Eine Herausforderung für Handel und Hersteller ist der schrumpfende Markt für verpackte Brot und Backwaren. Nach den Schätzungen der Mintel Group, London, wird der Umsatz für diese Produkte nach 2,04 Mrd. Euro im Jahr 2014 auf 1,99 Mrd. Euro im Jahr 2018 sinken (siehe Interview auf S. 68). Und dass der generell preisbewusste Käufer sein Weizenbrot oder seine Brötchen häufig bei Aldi oder Lidl holt (siehe Grafik S. 64), kann Vollsortimenter auch nicht froh stimmen. Vor allem jüngere Menschen steuern in Sachen verpacktes Brot Discounter an: Bei den 16-bis 24-Jährigen waren es 48 Prozent, bei den 25- bis 34-Jährigen sogar 53 Prozent. Mintel-Analystin Katya Witham: „Es ist zu erwarten, dass Aldi, Lidl und Co. ihre verpackten Brot- und Backwaren-Sortimente weiter diversifizieren und ausbauen werden, zumal Backwaren in der Filiale ein Anziehungspunkt für die Kunden sind.“ Die britischen Marktforscher sehen hierzulande allerdings ein generelles Imageproblem für verpacktes Brot: So bemängelten 40 Prozent der befragten deutschen Konsumenten, dass das Brot zu viele Konservierungsstoffe enthielte, 32 Prozent, dass das Brot nicht lange genug frisch bleibe. „Hersteller sollten die Frische und die natürlichen, mit dem Attribut gesund verbundenen Eigenschaften ihrer Produkte wie ‚volles Korn‘ oder ‚ballaststoffreich‘ stärker betonen“, so die Einschätzung von Analystin Witham. Handwerkliche Rezepturen und eine hochwertige Verpackung unterstrichen am PoS die Qualität des Produkts. Mit welchen Impulsen können Handel und Hersteller den SB-Brotprodukten Impulse geben? Hier einige Ansätze:

Superfoods und gesundheitlicher Zusatznutzen: Chia-Samen, Amaranth, Quinoa – diese sogenannten Urgetreide, viele Jahre eher nur eingeweihten Bio-Käufern oder Menschen mit Gluten-Unverträglichkeit geläufig, starteten in den vergangenen Monaten richtig durch. „Der Superfood-Trend steht erst am Anfang“, sagt Ulrike Detmers, Gesellschafterin der Mestemacher Gruppe. Mit Blick auf Sicherheit und Qualität der Rohstoffe sieht sie die Politik in der Pflicht. „Es ist wichtig, dass die EU schnellstmöglich bilaterale Handelsverträge mit den Lieferländern in Südamerika abschließt.“ Die deutschen Verbraucher jedenfalls sind auf den Geschmack gekommen. Das im Dezember 2015 gelaunchte „Vital + Chia“ mit 5 Prozent Chia-Samen ist laut Hans-Jochen Holthausen, geschäftsführender Gesellschafter von Harry-Brot, vom Start weg ein Erfolg. Mit dem Brot kannibalisiere Harry-Brot auch keine anderen Produkte, die auf gesundheitlichen Zusatznutzen fokussieren: „Unser Vital + Fit -Mehrkornbrot sowie unsere Körner-Balance-Varianten für Toast und Sandwich verzeichnen immer noch Mehrverkäufe.“ Ab März werden die Toasts und Sandwiches der Balance-Range 40 Prozent mehr Saaten enthalten – die Range heißt dann Körner Balance. Auch bei Lieken ist man sehr zufrieden mit dem Marktauftritt von Lieken Urkorn Fit & Vital Chiaktiv, das im Sommer 2015 auf den Markt kam: „Schon innerhalb des ersten Monats verkaufte sich das neue Brot rund 300.000 Mal“, bilanziert Marketing-Direktorin Frerichs. Ähnlich gut lief es für die aktuelle Neuheit Lieken Urkorn Fit & Vital Quinoa-Hafer: „Nach der ersten Abverkaufswoche liegen wir mit dem Produkt deutlich über Plan.“

Aldi hat die Nase vorn

Produkteinführungen bei Brot und Backwaren (verpackt) 2015:

  • Aldi Group: 11%
  • Rewe Markt: 7%
  • Lidl: 5%
  • Penny: 4%
  • Mestmacher: 4%
  • Harry-Brot: 3%
  • Netto Marken-Discount: 3%
  • Ibis: 3%
  • Edeka Zentrale: 3%
  • Dolceforno de Comino: 2%

Quelle: Mintel GNPD


Snacking: Lieken will mit Verbundplatzierungen für die Sandwich- und Toast-Range unter der Marke Golden Toast den Konsumenten ansprechen. Marketing-Direktorin Katharina Frerichs nennt anlassbezogene Instore-Vermarktungen rund ums Thema Frühstück zusammen mit Marmeladen oder Tees. „Auch To-go-Konzepte und Rezepte für Snacking, wie das perfekte Pausenbrot oder das Sandwich für Unterwegs, sind eine wichtige Säule unserer Vermarktungsstrategie.“ Bei Sinnack Backspezialitäten freut man sich über eine steigende Nachfrage nach Wraps: Mit diesen lasse sich schnell eine kleine Mahlzeit zubereiten, „sie sind vor allem bei jungen Konsumenten beliebt“, wie Verkaufsleiterin Liesel Schlüter sagt. Neben Weizen- und Mehrkorn-Wraps bietet der Handelsmarkenspezialist Varianten mit Knoblauch sowie Tomate-Basilikum.

Abendbrot: Die Alltagsforscher Ingke Günther und Jörg Wagner von der Universität Gießen haben eine Renaissance des Abendbrotes ausgemacht, das vor allem in Metropolregionen und Universitätsstädten die Menschen an einen (Ess-)Tisch bringt. Mestemacher sieht hier Produkte wie das Eiweiß-Brot im Vorteil, da das Brot dank des erhöhten Proteingehalts länger satt mache. Dies wird auf den Packungen prominent transportiert.

Aufbackprodukte: Frisch aufgebackene Brötchen oder Brote, wann immer der Konsument es möchte – Aufbackprodukte stehen für 500 Mio. Euro im Markt. Harry-Brot setzt hier auf Premium und freut sich über zweistellige Zuwachsraten. Stärkster Wachstumsartikel bei Sinnack Backspezialitäten sind die Kaiserbrötchen, ebenfalls gut verkauften sich die 4er-Steinofenbrötchen, vor allem die Sorte Dinkel. Rustikale Brote mit original französischer Rezeptur bietet Délifrance. Das Baguettes Rustique erweitert die Range der Aufbackbrote.

Vegetarisch und vegan: Langsam erobern sich Brot- und Backwaren mit dem V-Siegel das SB-Regal. Immerhin 11 Prozent aller Produkteinführungen waren laut Mintel-Analystin Witham im vergangenen Jahr als vegan gelabelt.

Lupine und Co. machen dem Weizen Konkurrenz
Getreidefrei ist Trend. Zumindest bei Mehl. Statt Weizen oder Roggen werden zunehmend Linsen, Erbsen oder Sojabohnen verwendet: Nach Zahlen der Marktforscher von Mintel (London) wurden sie in 67 Prozent aller getreidefreien Produkteinführungen des Jahres 2015 eingesetzt. „Der wachsende Markt für glutenfreie Produkte und das zunehmende Gesundheitsbewusstsein unter Verbrauchernebnen den Weg für getreidefreie Innovationen“, sagt Analystin Katya Witham, „da Mehl ohne Getreide einen höheren Proteinanteil hat als Weizenmehl, könnte dies wesentlich dazu beitragen, dass sich Verbraucher, die sich proteinreich und kohlenhydratarm ernähren wollen, von diesen Werbeversprechen angesprochen fühlen.“ In Deutschland ist das Mehl der Lupine in den Fokus gerückt. Es ist nicht nur glutenfrei,sondern nährstoffreich und leicht verdaulich. „Daneben liegen Mandelund Kokosmehl aufgrund ihrer potenziellen gesundheitlichen Vorteile im Trend“, sagt Witham.