Interview Hansa-Heemann „Da steht bei mir alles auf Alarm“

Volker Büttel leitet seit rund einem Jahr den zweitgrößten Mineralbrunnen Deutschlands, Hansa-Heemann. Ein Gespräch über das neu erblühte Markengeschäft, und warum Getränke mehr Kopfkino verursachen als Gewürzgurken.

Mittwoch, 08. Juli 2020 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild „Da steht bei mir alles auf Alarm“
Bildquelle: Michael Zapf

Hansa-Heemann ist ein Name, den die wenigsten Verbraucher kennen werden. Trotzdem zählt das Unternehmen aus Rellingen bei Hamburg zur absoluten Top-Riege der deutschen Getränke-Branche. Vor allem Handelsmarken bei Discountern sorgten lange für enorme Absatzmengen. Aber Aldi und Co. entwickeln sich rückläufig und mit ihnen auch die Discountwässer. Die Bedeutung von Markengeschäft und Innovationen wächst. Das hat auch Auswirkungen auf das norddeutsche Unternehmen.

Herr Büttel, macht das Geschäft mit der Handelsmarke keinen Spaß mehr?
Volker Büttel: (lacht) Ich würde das mit den zwei Kindern vergleichen. Da möchte man auch nicht sagen, welches man lieber hat. Sowohl Marke als auch Handelsmarke haben immer Stärken und Schwächen. Um die Frage zu beantworten: Ja, die Handelsmarke macht immer noch Spaß, allerdings sehen wir auch die Herausforderungen. Sowohl Lidl mit -12 Prozent als auch Aldi mit -11 Prozent, letzterer ist ein wichtiger Kunde von uns, haben im vergangenen Jahr laut IRI zweistellig Absatz verloren. PET-Gebinde und damit auch Handelsmarken insgesamt haben in den letzten zwei Jahren deutlich Federn gelassen.

Anders als viele andere erfolgreiche FMCG-Unternehmen setzt Hansa-Heemann bis heute auf beide Geschäftsmodelle. Fluch oder Segen?
Die Handelsmarke macht bei uns mengenmäßig rund 70 Prozent aus. Das ist ein Commodity-Geschäft, das über Masse und Effizienz funktioniert. Bei der Marke hingegen hat man natürlich einen viel höheren Ertrag auf der Flasche. Das ist bei Würzsoßen nicht anders als bei Mineralwasser. Was mir an diesem Unternehmen gefällt: Wir können die gesamte Klaviatur spielen und dem Handel alles bieten, von Preiseinstieg über mittleres Preisniveau bis Premium.

Hat Mineralwasser aber nicht unabhängig von der Frage Handelsmarke oder Marke ein Problem?
Ja, wenn der Mineralwassermarkt 20 Jahre mal mehr mal weniger, aber immer kontinuierlich wächst und das Segment 2019 auf einmal sechs Prozent Absatz – und auch im Umsatz – verliert, da steht bei mir alles auf Alarm. Das ist auch nicht mit Sondereffekten wie dem starken Sommer 2018 zu erklären. Wir verlieren Konsumenten, beispielsweise an die Heimsprudler. Wenn aber ein Konsument einmal zu so einem System gewechselt ist, dann ist es schwierig, ihn zurückzugewinnen. Es ist noch zu früh, das aktuelle Jahr zu bewerten, aber meine Prognose ist: Die Entwicklung wird sich fortsetzen.

Jetzt klingen Sie so, als wünschen Sie sich in das Gewürzgurken-Business zurück.
(lacht) So sollten Sie das nicht missverstehen. Ich hatte eine tolle Zeit bei Kühne, aber Mineralwasser hat mich schon sehr früh in meiner Berufslaufbahn fasziniert. Ein schwieriges, aber spannendes Geschäft. Wer hier ein nachhaltiges Business aufbaut, zählt zur absoluten Champions League. Es ist jetzt wichtig, den Konsumenten zu erklären, warum wir eigentlich die Guten sind, was unser Mehrwert ist. Mineralwasser ist ein tolles Produkt, da kann man bessere Stories ableiten, als es die Branche in der Vergangenheit getan hat. Wir müssen hier alle an einem Strang ziehen.

Eine der größten Herausforderungen für die Branche ist die Verpackungsfrage. Viele Hersteller versuchen jetzt mit Plastikflaschen mit besonders hohem Recyclinganteil das Image der Einweg-Plastikgebinde zu verbessern. Auch ein Thema bei Hansa-Heemann?
Natürlich, das lässt keinen kalt. Aber ähnlich wie bei der Einweg-Mehrweg-Diskussion ist das ein komplexes Thema. Man muss genau hinschauen: Wie nachhaltig ist das wirklich? Wo kommen die rPet-Anteile eigentlich her? Auch wir erhöhen unsere Anteile im Markenbereich von derzeit 30 Prozent auf 50 Prozent bis Anfang 2021. Hohe rPet-Anteile werden sich als Standard im Markensektor durchsetzen. Aber kann man sich damit in Zukunft noch großartig abgrenzen? Schauen Sie sich Lidl an, die für ihre Eigenmarke stark mit dem Thema werben. Dies schlägt sich bisher nicht in Mengen-Wachstum nieder.

Wie empfinden Sie die derzeitige Debatte um den Gebindemix in Deutschland?
Mir ist das oft zu dogmatisch. Wenn man heute nur etwas Positives über PET sagt, ist man der Buhmann. So einfach ist die Welt aber nicht. Ich habe bei uns in Hamburg vor Kurzem eine Aktion eines Wettbewerbers aus Süddeutschland in der Glasflasche gesehen. Eine interessante Marke. Aber das soll mir mal einer unter dem Aspekt Nachhaltigkeit erklären…

Kommen wir zurück zum Mineralwassermarkt. Auffällig sind Investments in das Markengeschäft, beispielsweise bei dem norddeutschen Mineralwasser Fürst Bismarck. Wie sieht hier Ihre Strategie aus?
Wir haben die Marke 2017 von Nestlé übernommen und die Integration jetzt abgeschlossen. Im März haben wir uns aus dem GDB-Pool verabschiedet und in neue Kästen als auch Glas-Individualflaschen investiert. Das läuft jetzt bis zum Spätsommer. Ich habe ehrlich gesagt selten erlebt, dass man einen Markenrelaunch so ernst nimmt. Wir reden von einem deutlich zweistelligen Millionenbetrag, der in Gebinde, in eine neue Abfüllanlage am Standort Aumühle sowie Kommunikation investiert wird. Das ist ein großer Aufschlag und für einen Mittelständler wie uns keine Selbstverständlichkeit.

Ein weiteres wichtiges Standbein ist Hella, die einzige „echte“ Marke von Hansa-Heemann, die national distribuiert wird.
Wir sind mit Hella bei Rewe national gelistet, wobei es bei der Tiefendistribution noch Potenziale gibt, beispielsweise in Bayern oder Baden-Württemberg. Hella wächst seit Jahren deutlich stärker als der Marktdurchschnitt und bietet vor allem Potenziale beim Segment „Wasser mit Geschmack“.

Neue Glasflasche, neue Kästen, mehr Kommunikation. Die Maßnahmen klingen alle plausibel und ähneln dem, was Ihre Wettbewerber auch machen. Wirklich innovativ ist das aber nicht.
Innovation ist ein gutes Stichwort, und hier bin ich ehrlich gesagt auch noch nicht zufrieden. Alkoholfreie Getränke sind die Warengruppe, der der Handel die stärkste Innovationskraft zuschreibt. Hier müssen wir in Zukunft besser werden und mehr rausholen. Um noch mal das Bild zu bemühen: Bei der Gewürzgurke bewegt man sich eher in tradierten Gefilden, aber bei Getränken springt doch sofort das Kopfkino an. Wir haben die Technik und das Know-how und werden stärkere Akzente setzen.

Kommen wir zum allseits diskutierten Thema. Wie schlägt sich Hansa-Heemann in Zeiten der Corona- Pandemie?
Wir halten an unseren Zielen für 2020 fest. Aber auch an uns geht Corona nicht spurlos vorbei. Vor allem Bereiche wie das Gastro- Geschäft mit der Marke St. Michaelis oder Fürst Bismarck ist quasi nicht mehr existent. Auch der Sommer lässt bis jetzt auf sich warten. Ich will keine Klagearie anstimmen, aber wir haben noch viel vor der Brust, um am Ende abzuliefern.