Fleisch, Wurst und Geflügel Keine Angst vor Aldi

Discounter Aldi Süd verkauft Dry-aged-Beef, eingeschweißt, zu einem Kampfpreis. Der traditionelle Handel zeigt sich davon unbeeindruckt, wie unsere Umfrage zeigt. Er setzt auf Qualität und Beratung.

Freitag, 18. Mai 2018 - Fleisch
Heidrun Mittler
Artikelbild Keine Angst vor Aldi
Bildquelle: Carsten Hoppen, Mirco Moskopp

So mancher Kaufmann hat sich verwundert die Augen gerieben, als er kürzlich in den Wochenprospekt von Aldi Süd geschaut hat: Der Discounter hat Dry-aged-Beef im Angebot. Zwar nur als Aktionsware übers Wochenende, dafür aber zu einem Kampfpreis: 300 Gramm Rumpsteak für 7,99 Euro. Das Fleisch ist laut Aldi Süd mindestens 21 Tage trockenan der Luft gereift, bevor es portioniert und in die Folie gepackt wird. Die Rinder werden in Deutschland aufgezogen und geschlachtet, so das Unternehmen.

Zu Verkaufszahlen und -zielen macht der Discounter keine Angaben. Allerdings antwortet er auf Anfrage, dass 2018 weitere Aktionen mit Dry-aged- Beef geplant sind. Muss sich der traditionelle Handel nun Sorgen machen, dass ein Preisverfall ansteht und die Ware verramscht wird? Die Lebensmittel Praxis hat sich bei Industrie und Handel umgehört.

Thomas Nelkner, Fachberater bei der Best Beef Edelfleischerei in Berlin,sieht das Aldi-Angebot äußerst skeptisch. Er ist sich sicher: „Für einen solchen Preis kann man kein anständiges Dry-aged-Beef produzieren.“ Die Best Beef Edelfleischerei darf man zu Recht als Spezialist für trockengereifte Spezialitäten bezeichnen. Der kleine Markt in der Berliner Güntzelstraße hat gerade die Auszeichnung Fleisch-Star 2018 eingeheimst, unter anderem für den erfolgreichen Verkauf von Dry-aged- Ware. Nur eine Hausnummer: Allein im Ostergeschäft gingen gute 200 Kilogramm davon über die Ladentheke. Nelkner ärgert sich, dass der Begriff Dry-aged-Fleisch nicht rechtlich geschützt ist. Er fragt angriffslustig: „Wie ist es denn, wenn man Fleisch drei Tage lang hängen lässt – ist das dann auch schon Dry-aged?“ Die Kunden, die bei ihm Trockengereiftes einkaufen, bekommen Steaks und Co., die mindestens sechs Wochen lang in einer speziellen Reifekammer getrocknet wurden. Der Fachberater betont auch, wie wichtig die Fleischauswahl für den späteren Geschmack ist. Er schwört auf Färsenfleisch, gut marmoriert.

Aldi bietet die Ware vakuumverpackt an. Diese Darreichungsform geht laut Nelkner „gar nicht“. Das Fleisch werde dadurch zusammengedrückt, Blut tritt aus den Poren aus und sammelt sich in der Packung. Dadurch können Säuren entstehen, die man nicht im Produkt haben möchte, erklärt der Fachmann.

„Das ist was fürs Auge!“
Ein Besuch bei Robin Richrath, der in der Kölner Opernpassage bei Rewe Richrath hinter der Fleischtheke steht. Das Aldi-Angebot regt ihn nicht auf. „Ich weiß, dass wir eine super Qualität haben und bezweifle, dass Aldi diese abbilden kann“, sagt er. Zu Ostern hat er mehr als 30 Kilogramm trockengereifte Ware verkauft. Im Reifeschrank hinter der Theke hängen meistens vier bis fünf Rinderrücken: „Das ist schon was fürs Auge“, meint er stolz. Die Ware ist an seiner Theke mindestens drei Wochen abgehangen, oftmals noch länger. Dann bekommt der Kunde besonders intensiv schmeckende Steaks.

Mit dem Start der Grillsaison schnellen die Verkaufszahlen für Dry-aged- Beef nach oben. An den Wochenenden forcieren die Richraths das Angebot mithilfe von Verkostungen auf der Verkaufsfläche. Das Thekenteam bereitet vor Ort einige Stücke Fleisch zu, schneidet sie an und verteilt sie an die Kunden, die an der Theke anstehen.

In regelmäßigen Abständen veranstalten Richraths abendliche Fleischseminare mit dem Partner Otto Gourmet, die Veranstaltungen sind gut besucht. An diesen Workshops dürfen auch Mitarbeiter der Fleischtheke teilnehmen – ein Ansporn, um die Kunden noch besser beraten zu können. Neben trockengereiftem Rindfleisch bietet die Opernpassage übrigens auch entsprechendes Schweinefleisch an, vom Bauer Steffens aus Brüggen- Bracht. „Ein super Geschmack“, schwärmt Robin Richrath, „mir schmeckt es sogar noch besser als Livar- oder Iberico- Schwein.“

Fleischqualität entscheidend
Ortswechsel nach Heinsberg in Nordrhein-Westfalen, zu Wolfgang Otto, Geschäftsleiter von Otto Gourmet. Er kann mit Fug und Recht behaupten, dass er das spezielle Fleisch in Deutschland salonfähiggemacht hat. Der Absatzkanal Handel ist für ihn bedeutend: Otto Gourmet beliefert 20 inhabergeführte Rewe und Edeka Märkte, allesamt besonders erfolgreiche. Wie er das Angebot von Aldi bewertet? Der „Spezialist und Nischenanbieter“ antwortet, dass ihn „dieses Thema überhaupt nicht berührt“. Auch bei seinen Handelspartnern sei das so. Schließlich differenzierten diese sich mit ihrem Sortiment und ihrerQualität genauso von Aldis Dryaged- Beef.

Was genau ist Dryaged- Beef ?

Dry-aged-Beef steht für trocken am Knochen gereiftes Rindfleisch. Ein so gereiftes Steak gilt als die Königsklasse des Steaks. Die Vorteile: Durch die Reifung entstehen besondere Geschmacksnuancen, die man als „nussig“ und „buttrig“ beschreiben kann. Das Fleisch wird zart und bleibt beim Braten oder Grillen saftig. Liegt es verzehrfertig auf dem Teller, braucht es kaum mehr als Pfeffer und Salz. Während der Lagerzeit verliert das Fleisch stark an Gewicht, die angetrocknete Außenhaut wird abgeschnitten. Diese Gewichtsverluste werden durch den höheren Endverbraucherpreis ausgeglichen.

„Der große Hype ist mittlerweile schon vorbei“, bewertet Klaus Krollpfeiffer die Situation von trocken- gereiftem Rindfleisch beim Fleischwerk Hessengut. Gemeinsam mit Lieferanten hat das Fleischwerk vor drei Jahren eine eigene Marke entwickelt, genannt „Unser Meistersteak“. Für dieses Programm kommen ausschließlich Färsen in die Kühlkammer, die dann 30 Tage liegend bei den Lieferanten reifen. Aber: „Sowohl beim Umsatzanteil als auch beim Image spielt Dry- Aged bei uns eine unbedeutende Rolle“, resümiert der Vertriebsleiter. Viel mehr suche der anspruchsvolle Steakkunde die „Abwechslung, die wir ihm bieten können“. Das Fleischwerk hat laut Krollpfeiffer über 20 verschiedenen hochwertige Steakspezialitäten im Angebot. Die Aktivitäten des Discounters überraschen ihn nicht. Schon seit Längerem versuchten Discounter mit viel Werbeaufwand und aggressiven Preisen, Vollsortimentern in so gut wie allen Warengruppen kaufkräftige Kundschaft abzujagen. Er erinnert an die Aldi-Werbung zu Ostern: Wagyu-Steaks aus der Oberschale! „Beim Dry-aged-Beef geht es auch immer um die Show. Und die kann Aldi – anders als wir – nicht bieten.“ Christoph Kolb, selbstständiger Edekahändler aus Volkach an der Mainschleife, ist überzeugt, dass Dry-aged-Ware zum einen eine hochwertige Präsentation in der Theke braucht. Und zum anderen: „Der Schlüssel zum Erfolg ist immer der Mitarbeiter.“ Deshalb setzt er auf permanente Schulung und Motivation seines Thekenpersonals. Er hat keine Angst vor einem Preisverfall und ist sich sicher: „Qualität hat immer ihren Preis.“