Handelsgastronomiekongress Die Königsdisziplin

Gastronomie im Supermarkt birgt Chancen und Risiken. Wenn Atmosphäre, Qualität und Service stimmen, kann ein solches Angebot zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden.

Donnerstag, 19. Juli 2018 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild Die Königsdisziplin
Bildquelle: Peter Eilers, EHI/Schulten

Handelsgastronomie klingt für manche Kaufleute wie eine Verheißung: Sie kann ein Magnet sein, um zusätzliche Frequenz zu schaffen sowie die Verweildauer der Kunden und deren Durchschnittsbon beim Einkauf im Markt zu erhöhen. Andere denken bei solchen Gastro-Konzepten eher an eine Geldverbrennungsmaschine, weil das Risiko nur schwer zu kalkulieren ist, das etwa hohe Einstieginvestitionen, laufende Kosten fürs Personal und ausbleibende Flächenproduktivität mit sich bringen.

Ungeachtet der Herausforderungen messen 74 Prozent der Händler dem Thema eine hohe oder gar sehr hohe Bedeutung zu, wie eine EHI-Studie zur Handelsgastronomie in Deutschland ergeben hat. Schließlich scheint das Potenzial in diesem Bereich, auch bedingt durch veränderte Konsumgewohnheiten, noch erheblich zu sein. Aktuell werden der Studie zufolge an 33.000 Standorte mehr als neun Milliarden Euro brutto mit handelsgastronomischen Angeboten (inklusive Convenience-Produkte) umgesetzt. Mit 5,2 Milliarden Euro wird mehr als die Hälfte davon im Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) erzielt. Davon entfallen drei Milliarden Euro auf die Vorkassenzone, zwei Milliarden Euro auf To-go-Convenience (zwei Milliarden Euro brutto) und 200 Millionen Euro auf Gastronomie auf der Fläche. Der Durchschnittsbon der Gastro-Kunden liegt im LEH bei 6,88 Euro.

Profitable Konzepte auf der Fläche sind hierzulande (noch) schwer zu finden, doch Rewe-Kaufmann Jörg Dornseifer ist überzeugt: „Handel wird künftig ohne Gastronomie nicht mehr auskommen.“ Die Familie betreibt in ihren 16 Märkten rund um Siegen derzeit neun gastronomische Angebote. Beim ersten EHI Handelsgastronomie-Kongress begründete Dornseifer, warum er diese für unverzichtbar hält: „Gastronomie kann helfen, die Händlermarke zu stärken und das Einzugsgebiet auf dem platten Land zu erweitern.“ Durch das Speisenangebot kämen manche Menschen aus bis zu 35 Kilometern Entfernung in einen Dornseifer-Markt. Und auf solche spezielle Gastro-Kunden seien die Betreiber auch angewiesen. „Man braucht ein gewisses Grundrauschen, damit andere Leute Lust haben, sich ebenfalls hinzusetzen“, ist Dornseifers Erfahrung.

Sein Kaufmannskollege Erich Stockhausen, der zudem Aufsichtsratsvorsitzender der im Gastro-Bereich experimentierfreudigen Rewe Group ist, sieht ebenfalls viele Vorteile in solchen Angeboten. „Gastronomie und Digitalisierung helfen uns, um vom Preisdenken wegzukommen“, ist er sich sicher. Er beschäftigt für „Stockies Bistro“ in Erkrath fünf Köche. Sie verarbeiten tagesaktuell Produkte mit geringer Restlaufzeit aus dem Markt und optimieren so die Verwertungskette. Des Weiteren bringen sie laut Stockhausen mehr Fachkompetenz in den Supermarkt: „Es erhöht die Glaubwürdigkeit, wenn ein Koch einen Kunden, der zum Beispiel laktoseintolerant ist, kompetent berät.“

Für Markus Nippold, Leiter Gastronomie und Produktentwicklung bei Globus, bieten die vielfältigen Gastro-Angebote in den SB-Warenhäusern eine große Chance zur Differenzierung. Globus setze sich dadurch ab, dass alles vor Ort frisch zubereitet werde. „Für uns ist die Zukunft, dass die Gastronomie Teil des Marktes ist“, sagte er. Im Rüsselsheimer Globus ist das bereits zu sehen, etwa beim Fisch- oder Kaffeebistro mitten auf der Verkaufsfläche.

Die beim Kongress gezeigten Beispiele machten deutlich, dass eine angenehme Atmosphäre und eine gute Qualität der Speisen zwei wesentliche Faktoren für den Erfolg eines Gastro-Konzepts sind. Am wichtigsten sind nach Meinung der Händler aber die Mitarbeiter. Gutes Personal zu finden, zu halten und außerhalb der Hauptabsatzphase um die Mittagszeit sinnvoll einzusetzen, sei von allen schwierigen Aufgaben beim Betreiben einer Handelsgastronomie die herausforderndste. Als nicht einfach erweist es sich zudem, das durch eingeschränkte Öffnungszeiten maue Abendgeschäft zu beleben und häufig fehlende Außensitzplätze zu kompensieren. Aufgrund dieser und weiterer Herausforderungen findet Urs Bischof, Geschäftsführer von Le Buffet: „Gastronomie im Handel ist die Königsdisziplin.“