Warenverkaufskunde Alte Kartoffelsorten

Sie sind alles andere als langweilig und bringen Geschmack und Farbe ins Spiel: wieder entdeckte Kartoffelsorten. Wie der Handel davon profitieren kann.

Freitag, 06. November 2015 - Warenkunden
Heidrun Mittler
Artikelbild Alte Kartoffelsorten

Kartoffeln sind im deutschen Handel ebenso wichtig wie das tägliche Brot und ein ungemein wandlungsfähiges Produkt. Die „Solanum Tuberosum“, wie die Knolle wissenschaftlich heißt, gehört aber gleichzeitig zu den Produkten, denen in den meisten Fällen wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Jeder Supermarkt verkauft Kartoffeln in unterschiedlichen Packungsgrößen, im besten Fall gestaltet er den Aufbau nach den Kocheigenschaften festkochend, vorwiegend festkochend und mehligkochend. Die Saison beginnt mit Frühkartoffeln aus dem Ausland (z.B. Zypern und Nordafrika), ab Anfang Juni werden in Deutschland Frühkartoffeln geerntet. Kartoffeln, die bei uns von Mitte September bis Ende Oktober geerntet werden, lassen sich problemlos auf Vorrat einlagern, bis wieder die nächsten frühen Sorten aus südlichen Ländern auf den Tisch kommen. So weit, so gut.

Das übliche Sortiment ist in den meisten Obst- und Gemüse-Abteilungen uniform. Es unterscheidet sich kaum in Bezug auf die Sorten, die zwischen Kiel und Garmisch-Partenkirchen angeboten werden. Die Begründung: In Deutschland und anderen westlichen Ländern werden in erster Linie Sorten angebaut, die große Erträge versprechen und gut verwertbar sind. Das ist unter anderem für die verarbeitende Industrie wichtig: Pommes frites, Chips, Knödel und TK-Kartoffelprodukte haben in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen.

Doch es gibt eine Gegenbewegung, die an Einfluss gewinnt: Händler, die sich über ihr Obst- und Gemüse-Sortiment profilieren wollen, bieten verstärkt alte Kartoffelsorten an aus bestimmten Regionen. Die gehobene Gastronomie hat diesen Trend bereits vorgemacht. Er ist auch eine Folge des zunehmenden Bio-Anbaus, bei dem Produkte abseits des Massenmarktes stärker zum Zuge kommen. Einige Landwirte züchten Sorten, die in Deutschland lange in Vergessenheit geraten waren. Spitzenköche und Gourmets loben deren ausgeprägten Geschmack.

Diese Sorten sind nicht immer verfügbar, es handelt sich um vergleichsweise geringe Mengen – dafür bieten sie Abwechslung und geschmackliche Vielfalt. Sie unterscheiden sich teilweise in der Farbe der Schale (die Cherie ist zum Beispiel rotschalig), oder aufgrund ihres Innenlebens. Rote Emma, Vitelotte und Violetta enthalten Pflanzenfarbstoffe, die Anthocyane, die als gesundheitsförderlich gelten. Sie sind wasserlöslich, deshalb ist es sinnvoll, die Kartoffeln mit Schale zu dämpfen, dann bleibt die Farbe gut erhalten. Speziell die Vitelotte behält auch beim Braten und Frittieren ihre dunkelrote Farbe.

Wer diese ausgefallenen Sorten handelt, sollte seine Kunden speziell über die Vorteile der Kartoffeln informieren. Nur dann ist der Kunde bereit, für diese mehr zu bezahlen als für andere Sorten. Für Menschen mit einem ausgeprägten Umweltbewusstsein dürfte das Argument der Biodiversifikation eine Rolle spielen: Wieder entdeckte Sorten vergrößern den genetischen Reichtum in der Pflanzenwelt. Darüber hinaus sind Geschmack und Herkunft die überzeugenden Kriterien. Wer die Möglichkeit dazu hat, kann (vielleicht in einer mobilen Küche) gekochte Kartoffeln zur Verkostung anbieten, Butter und Salz dazu reichen völlig aus. Oder man baut die schmackhaften Knollen einfach beim nächsten Kundenabend mit in eine Verkostung ein.

Grundsätzlich gelten die gleichen Regeln zum Handling wie bei anderen Kartoffeln: Entscheidend ist die richtige Lagerung: dunkel, kühl (7 bis 10 °C), unbedingt frostfrei und gut durchlüftet. Man sollte die Fuhre im Winter niemals auf der Rampe stehen lassen. Einmal angefrorene Kartoffeln sind nicht mehr verkaufsfähig, sie schmecken süß und faulen schnell. Ware täglich kontrollieren: Beschädigte Kartoffeln sofort aussortieren, damit sie die übrigen nicht anstecken können.

Die Warenverkaufskunde erscheint regelmäßig als Sonderteil im Magazin Lebensmittel Praxis. Wir danken der Tartuffli Naturwaren e.K., Schwifting, für den fachlichen Rat und das zur Verfügung gestellte Material


Die Kartoffelsorten

Bamberger Hörnchen
Diese Sorte ist eine alte fränkische, festkochende, die wegen ihres nussigen Aromas und festen Bisses sehr geschätzt wird. Die Hörnchen haben eine längliche, fingerförmige, krumme Form und können nur in Handarbeit geerntet werden. Das Fleisch ist fest, hellgelb, die Haut ockerfarben. Außerhalb der Anbaugebiete sind die Hörnchen nur in Feinkostgeschäften oder bei spezialisierten Händlern zu bekommen. Die Hörnchen tragen das Siegel der geschützten Herkunftsbezeichnung g.g.A.

Linda
Über kaum eine Kartoffel wurde so viel geschrieben wie über Linda: Sie, eine aromatische, fest- bis mehligkochende Kartoffel mit kräfig-gelbem Knolleninneren, gilt als Königin der Kartoffeln. Fachleute sprechen von einer Universal- und Salatkartoffel und finden, dass sie für „fast alles“ geeignet ist. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen verschwand sie 2007 vom deutschen Markt, wanderte aber 2009 dank des „Rettet Linda“-Freundeskreises aus England wieder ein.

Cherie
Cherie ist eine relativ neue, festkochende, aromatische Sorte aus Frankreich mit einer langen, gleichmäßigen Form, einer sehr glatten und feinen Schale und sehr flachen Augen. Ihr Geschmack ist buttrige-cremig. In der Pfanne und als Pommes frites wird diese Sorte besonders kross.

Moor-Sieglinde
Für viele ältere Kartoffel-Liebhaber ist diese Kartoffel seit Jahrzehnten einfach „die gute Sieglinde“. Meist zuverlässig fest, aromatisch und vielseitig verwendbar, war sie eine der wichtigsten Kartoffelsorten. Sieglinde ist heute als etwas weichere, aber festkochende Universalkartoffel sowohl für Kartoffelsalate als auch als Salzkartoffeln und Gratins geeignet, da sie meist etwas größer ausfällt.

La Bonnotte
La Bonnotte stammt ursprünglich von der französischen Atlantikinsel Noirmoutier. In Deutschland wird sie noch nicht lange angebaut. Diese Sorte ist nicht nur eine leckere Pellkartoffel, sondern auch gut für Pürees sowie für die Zubereitung der kanarischen Papas Arrugadas geeignet. Die Knollen sind klein und rund, die Schale ockergelb mit tiefen Augen. La Bonnottes Geschmack erinnert an Maronen.

Rote Emma
Diese rotfleischige Knolle ist eine Neuzüchtung für den Bio-Anbau und kommt aus Franken. Sie ist vorwiegend festkochend, hat eine rote, glatte Schale und rotes Fleisch. Sie ist vielseitig verwendbar als Salat-, Püree- oder Pellkartoffel – oder auch für rosarote Gnocchi. Ihre Farbe hält sie besonders gut, wenn man sie mit der Schale kocht.

Vitelotte
Die Vitelotte ist eine blau-violette, seltene und teure Ur-Kartoffelsorte. Sie schmeckt oft deutlich nach Maronen und ist weniger süß als herkömmliche Kartoffelsorten. Mit reichlich Butter ergibt sie eine fabelhafte Bratkartoffel oder ein sensationelles Püree, das sich besonders gut mit etwas Trüffelbutter zu Wild servieren lässt. Auch für den bunten Kartoffelsalat ist sie gut geeignet.

Violetta
heißt eine schmackhafte Neuzüchtung mit blauer Schale und lila Fleisch. Die länglich-ovale Knolle behält ihre Farbe beim Dämpfen bei. Für die violette Färbung sind wasserlösliche Anthocyane verantwortliche, Stoffe, die auch in blauen Trauben oder Roter Bete vorkommen. In den südamerikanischen Ursprungsregionen der Kartoffel kennt man viele farbige Kartoffelsorten. In Europa wurden über Jahrhunderte jedoch hauptsächlich die helleren Sorten vermehrt und angebaut. Die Violetta eignet sich für Salate, zum Pellen oder als Püree.

Allians
nennt sich eine festkochende, gelbfleischige und wohlschmeckende Sorte, die eine charakteristische längliche Form hat. Sie lässt sich ausgezeichnet zu Salat verarbeiten oder aber zu Bratkartoffeln. Den Geschmack kann man als intensiv und leicht süßlich beschreiben.

Wissenscheck

Wer diese Warenverkaufskunde aufmerksam gelesen hat, kann folgende Fragen leicht beantworten.

{tab=Fragen}

  1. Wann sind bei uns im Handel grundsätzlich Kartoffeln erhältlich?
  2. Nennen Sie das wichtigste Argument, warum ein Kunde eine alte Kartoffelsorte probieren sollte!
  3. Was muss Ihr Kunde beachten, wenn er ein Püree mit rot-violetter Farbe kochen möchte?

{tab=Antworten}

  1. Kartoffeln sind das ganze Jahr über erhältlich. Der größte Teil stammt aus deutscher Ernte.
  2. Das wichtigste Kaufargument ist der Geschmack.
  3. Er sollte die Kartoffeln mit der Schale garen. Der rote Farbstoff ist wasserlöslich und würde ansonsten übers Kochwasser ausgeschwemmt.