Frühstück Essen Sie noch, oder snacken Sie schon?

Was früher täglicher Bestandteil jedes Familienlebens war, ist nun Luxus: eine gemeinsame Mahlzeit am Tisch. Aus Zeitmangel wird heute viel unterwegs verzehrt. Für beide Varianten gibt es innovative Produkte.

Donnerstag, 12. Januar 2017 - Sortimente
Friederike Stahmann
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Was gibt es Schöneres als ein gutes Frühstück mit duftenden Brötchen, leckerer Marmelade, frisch gepresstem Saft und einem Fünf-Minuten-Ei? Oder ein gemütliches Abendbrot, auf der knackig gebackenen Brotscheibe ein Feinkostsalat und im Teller eine dampfende Suppe? Heute ist das für viele Luxus – reserviert fürs Wochenende oder für Feier- und Urlaubstage.

Beim Mahlzeiten-Trip im Alltag heißt es immer öfter „to go“ statt „at home“. Ob Frühstück, Mittagessen oder Abendbrot – es herrscht häufig Zeitdruck. Der „Kaffee to go“ auf dem Weg zur Arbeit ist ein Symbol für den Wandel. Besonders das Frühstück wird häufig auf die Schnelle eingenommen. Nur rund die Hälfte der 30- bis 39-Jährigen frühstückt noch unter der Woche zu Hause, ermittelten die Marktforscher der Nürnberger GfK in der Studie Consumers‘ Choice ‘15. Tendenz sinkend. Erst im Rentenalter nimmt man sich auch wieder wochentags Zeit für die erste Mahlzeit des Tages am heimischen Tisch.

Nicht wenige Menschen, vor allem Jugendliche zwischen 16 und 25 Jahren, verzichten sogar ganz und gar auf eine Nahrungsaufnahme am frühen Morgen. Also nicht „at home“ oder „on the go“, sondern schlichtweg „don‘t dine“. Als Grund geben 58 Prozent an, keinen Hunger bzw. keinen Appetit zu haben. Die andere Hälfte sagt, sie habe „keine Zeit“. Nur ein ganz geringer Teil will mit dem „Nicht-Frühstück“ gezielt Kalorien sparen. Das Argument „keine Zeit“ hat handfeste Gründe und Folgen. „Der Verbraucher lebt heute in einem unstrukturierten Alltag mit einem hohen Grad an Mobilität und Spontanität. Feste Konsummuster und Strukturen werden bei zunehmendem Zeitmangel zum Stressfaktor. Folglich bedeuten Vielfalt und Vielseitigkeit in der Ernährung auch das Loslösen von traditionellen Ernährungsnormen“, erklärt Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, bei Veröffentlichung der Studie.

Was in vielen deutschen Haushalten zwar Alltag ist, vor allem das Snacking am frühen Morgen, empfinden viele als ganz und gar nicht erstrebenswert. Auf die Frage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach, was die Deutschen besonders gern mit ihrem Partner unternehmen, war die häufigste Antwort: „In Ruhe gemeinsam frühstücken.“ Solche genussorientierten „Ich-Momente“ oder auch „Familien-Momente“ bleiben oft dem Wochenende oder dem Urlaub vorbehalten.

Genuss nur am Wochenende
Gern sitzen wir mit unser Familie am Tisch, brauchen wir es aber auch für unsere Leistungsfähigkeit? Auch dazu gibt es Studien zuhauf: die einen Pro, die anderen Contra. Allgemeine Übereinstimmung findet, dass körperlich Arbeitende und Kinder einen kalorienmäßigen Start in den Tag brauchen. Auch das gelingt in vielen Familien aber nicht: 50 Prozent der deutschen Schulkinder gehen ohne Frühstück zur Schule, weitere 20 Prozent nehmen nur ein Glas Milch oder Saft zu sich, ergab die Studie „Wie frühstücken Deutschlands Schüler wirklich?“, in Auftrag gegeben vom Informationsbüro Schulmilch.

Diese Entwicklung – Snacking unter der Woche, Genuss am Wochenende – ist in der Ernährungsindustrie und im Handel längst angekommen. Das macht sich auch im Budget bemerkbar. Genuss darf Geld kosten, beim Snacking reagieren Konsumenten eher preissensibel. Edelköche sind häufig Premiumshopper. Snacker gehören vermehrt zur Kategorie Handelsmarkenshopper, ermittelte die GfK-Studie.


Günstig soll es sein
Welche Trends lassen sich an Deutschlands Frühstücktischen ausmachen? Frische Backwaren sind beliebt. Aber günstig sollen sie sein. Im Lebensmittel-Einzelhandel locken Backstationen mit ihrem Duft an die Ware. Mit Erfolg. Der Absatz mit Brötchen stieg allein im ersten Halbjahr 2016 um 16 Prozent, ergeben die Statistiken von Nielsen. Echte Gewinner dabei sind die Discounter von Aldi bis Lidl dank ihrer Backstationen. Frische Brötchen werden hauptsächlich mit Butter bestrichen. Margarine verliert beim Absatz mehr als 7 Prozent. Trendy sind Mischfette – also neue Geschmackskreationen aus Butter, Ölen, Joghurt oder Buttermilch. Sie konnten um 16 Prozent zulegen.

Aufs Brötchen gehört für die meisten Frühstücker Marmelade. Bei den Brotaufstrichen machen sie mehr als die Hälfte aus. Neben Dauerbrennern wie Erdbeere und Himbeere suchen Verbraucher Abwechslung über neuartige Sortenkombinationen. Die bedient zum Beispiel der Haßfurter Konfitürenspezialist Maintal mit außergewöhnlichen Kompositionen in Bio-Qualität, wie einem Mix aus Preiselbeeren und Sauerkirschen oder einer Kreation aus Apfel, Birne, Aprikose, Maracuja, Mango und Banane. Hohe Relevanz haben auch jahreszeitliche Spezialartikel. „Bereits seit Jahren sind die Schwartau Extra Winterkonfitüren unsere stärksten Promotionsartikel“, berichtet Stephanie Tron, Pressereferentin bei den Schwartauer Werken. Kein Wunder, dass man auch im Frühjahr von diesem Trend profitieren will. Beliebte Fruchtsorten mit natürlichen Blütenaromen – ohne Kerne und Stücke – sollen mit farbenfrohen Design und Blütenmotiven den Frühling auf den Frühstückstisch bringen. Jedes Glas der Frühjahrspromotion ist zudem mit einer bienenfreundlichen Saatgutmischung ausgestattet.

Preislich darf der süße Brotaufstrich gern auch etwas mehr kosten. „Ja, auch wir finden diesen Trend in unserem Markt wieder“, bestätigt Sylvia Achilles, Leiterin des Lörracher Marktes von Edeka Hieber. Regionale Anbieter mit hochwertigen Qualitäten werden vermehrt im Dreiländereck nachgefragt.

Außer dem Frühstücksklassiker Brötchen steht in vielen Haushalten das Müslischälchen auf dem Tisch. „Aus unserer Sicht ist der Müsli-Markt noch nicht gesättigt“, ist man sich bei Dr. Oetker sicher. „Das Verbraucherbedürfnis nach gesunden und leckeren Angeboten bietet noch einiges an Potenzial“, sagt Inga Steege für den Müsli-Marktführer. Absatzzuwächse von mehr als 10 Prozent allein im ersten Halbjahr 2016 bestätigen dies. Gleichzeitig ist eine Wanderbewegung weg von den Cerealien hin zum Müsli festzustellen.

Geschmacklich war Einheitsbrei gestern. Hersteller mit Online-Versand machen vor, wie es gehen kann: Zutaten aussuchen und Lieblingsmüsli per Post liefern lassen. Mit losgetreten hat den Individualisierungstrend Mymuesli, ursprünglich als Online-Händler mit 80 verschiedenen Zutaten zum Selbermischen gestartet. Heute mischt man auch im stationären Handel mit. Dort natürlich ausschließlich mit fertigen Mischungen. „Individualisierung spielt durchaus eine Rolle, aber lässt sich natürlich eher im Online-Bereich anbieten“, sagt Barbara Speicher, die bei Müsliglück fürs Marketing zuständig ist. Vielfalt ist aber auch ein großes Thema bei Müsliglück, der seit Sommer 2016 auf dem Markt befindlichen Marke des Familienunternehmens Seeberger. Am Start ist man gleich mit 15 Sorten – von Schneeweißchen und Erdbeerrot bis zur Sorte Frühstücksputz.

Rund und Gesund

Eine frische Idee zum Thema Frühstück ist z. B. die Multikugel „MuKu“. Sie ist eine Entwicklung von Sven Keuckling. Der Familienvater, der seinen Haupterwerb bei der Polizei hat, musste oft enttäuscht feststellen, dass „die Brotdose aus der Schule voll zurückkam“. Der Inhalt war schuld daran, denn sein Sohn ist Müslifan. Doch Müsli und Milch schon morgens zusammengeschüttet, schmeckten in der Pause nicht mehr. Also keine echte Alternative zum noch unbeliebteren Pausenbrot. Die Erfindung des Vaters hat dies nachhaltig geändert. Der Sohnemann genießt sein Müsli jetzt auch in der Schule. Und zwar im krossen „Aggregatzustand“. Dazu nutzt er den bunten, wiederverwendbaren, kugelförmigen Behälter, dessen beide Hälften sich aufeinander schrauben lassen: unten Müsli, oben Milch. Erst kurz vor dem Genuss wird die Milch über die Flakes gegossen. Was für den Transport und Verzehr von Müsli gilt, funktioniert auch für Salat und Dressing. Keuckling: „Somit ist eine abwechslungsreiche gesunde Ernährung in Schule, Beruf, Arbeit auch unterwegs gewährleistet.“

Trend zur Natürlichkeit
Um fernab vom Frühstückstisch Käufer zu erreichen, bieten einige Hersteller ihre Müslis zum Mitnehmen im Becher an. Kein Wirbelsturm im Müsligebinde-Segment, nur ein laues Lüftchen. „Nichtsdestotrotz haben wir die sich stetig weiterentwickelnden Verbraucherbedürfnisse immer im Blick“, heißt es bei Dr. Oetker. Frei nach dem Motto: „Snacking is coming“.

Der Trend zur Natürlichkeit beherrscht auch die Müsli-Szene – in Kombination mit den Attributen zuckerarm oder gar zuckerfrei. „Aufgrunddessen haben wir vor Kurzem unser Müsliglück-Etikettendesign überarbeitet, um die unterschiedlichen Sorten besser unterscheiden zu können“, erläutert Barbara Speicher. Für neue Geschmackserlebnisse will auch Dr. Oetker sorgen. Knusprig-luftige Popcorn-Crunchies in den Varianten pur, Karamell und Schoko sollen das Frühstück to go versüßen.

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