Bier Es geht aufwärts

Endlich positive Nachrichten: Wegen des steigenden Konsums und des wachsenden Interesses der Verbraucher an höherpreisigen Bierspezialitäten, schöpfen die Brauereien nach einer langen Durststrecke wieder Zuversicht.

Montag, 30. März 2015 - Sortimente
Tobias Dünnebacke
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Der Trend zum Craft-Bier tut der gesamten Kategorie
gut.
Dr. Werner Wolf, Bitburger
Bildquelle: Shutterstock

Der bisher eher düstere Himmel über dem Bier-Markt scheint sich zu lichten. Mit Erleichterung dürfte die Branche die Zahlen des Statistischen Bundesamtes Ende Januar aufgenommen haben: Mit 95,6 Mio. hl ist der Bierabsatz nach Jahren der Flaute endlich wieder um 1 Prozent gestiegen. Doch nicht nur diese Bilanz, die durch die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien und ein mildes erstes Halbjahr verschönert wurde, sorgt für eine spürbare Aufbruchstimmung. Auch die Brauereien selbst scheinen sich aus ihrer Schockstarre befreit zu haben und nach innovativen Konzepten zu suchen. Die Zauberworte der „Bierrenaissance“ (Zitat Brauerbundgeschäftsführer Holger Eichele) lauten Regionalität, alkoholfrei und vor allem: Craft-Bier. Dabei handelt es sich um in kleinen Chargen und handwerklich produzierte Biere, häufig internationale Spezialitäten aus Übersee.

Albert Siebrichhausen, Biersommelier und Inhaber des Getränkemarktes „Siebrichhausen’s Weltbiere“ bedient diesen Trend schon seit einiger Zeit. Er bietet in seinem 600 qm großen Getränkemarkt in Schmallenberg (Hochsauerlandkreis) rund 400 verschiedene Spezialitäten aus aller Welt an und kann die Entwicklung somit genau beobachten. Aus seiner Erfahrung gibt es bis jetzt kein spezielles Käufer-Klientel für Craft-Bier. „Ich argumentiere gerne: Man muss unterscheiden zwischen Bier als Durstlöscher und Bier für den besonderen Genuss (vergleichbar mit Wein)“, sagt Siebrichhausen. Letzteres genieße man in kleineren Mengen, in einem besonderen Glas. Beide Varianten hätten ihre Berechtigung. „Mit der Einstellung können viele Käuferschichten angesprochen werden.“

Insgesamt geht der Trend laut Siebrichhausen in Richtung Geschmacksvielfalt. Viele kleine und mittelständische Brauereien bieten neben ihrem Standard-Sortiment (meist schon bis zehn verschiedene Biere) auch ausgefallene Sorten mit besonderem Malz, Hopfen oder einer Lagerung im Holzfass an. Spannend ist die Frage, ob die traditionellen Craft-Biere mit ihren zum Teil alten und in Vergessenheit geratenen Rezepturen im Mainstream ankommen werden. Sowohl Siebrichhausen als auch andere Händler glauben, dass die Spezialitäten in der Nische bleiben werden. „Premium-Biere führen bislang eher ein Schattendasein, werden von einigen Kennern nachgefragt oder müssen als Geschenkidee herhalten. Die Umsätze sind leider recht überschaubar“, sagt Karl-Heinz Giehl, Geschäftsführer vom Hit Shopping-Center in Andernach.

Ob Nische oder nicht, an der Frage scheiden sich die Geister. Konzepte wie Braufactum scheinen seitens der Konsumenten auf ein Interesse zu stoßen, das groß genug ist, damit sich auch die Schwergewichte der Branche intensiv mit dem Thema beschäftigen. Das als Familienunternehmen gegründete Braufactum ist inzwischen Teil des Radeberger-Konzerns, dem größten Brau-Unternehmen Deutschlands. Das Sortiment ist mit Sorten wie Indian Pale Ale über belgisches Abteibier und Lager der Brooklyn Brewery breit aufgestellt und spricht Konsumenten mit unterschiedlichsten Geschmäckern an.

Auch Bitburger experimentiert seit 2013 mit der Marke Craftwerk Brewing. Dahinter steht der Braumeister Dr. Stefan Hanke, Leiter des Klein- und Pilotsudwerks an der TU München in Weihenstephan. Seit 2013 verspricht die Marke den Bier-Fans mit Varianten wie „Tangerine Dream Single Hop Pale Ale“, „Hop Head IPA American India Pale Ale“ oder „Holy Cowl Belgian Style Tripel“ innovative Braukunst. So unterschiedlich diese drei Sorten geschmacklich auch sind, so sehr sollen sie laut Unternehmen zeigen, was mit ausgewählten Hopfen- und Getreidesorten sowie einem Schuss Kreativität möglich ist. Den Sprung in den Lebensmittel-Einzelhandel wagt die Bitburger Braugruppe für Craftwerk zwar noch nicht (die Spezialität ist vor allem im Internet oder bei ausgewählten Gastronomen erhältlich), trotzdem redet man in der Eifel gerne über das Experiment: „Wir sind mit der Entwicklung der Marke Craftwerk Brewing sehr zufrieden. Sie hat mit ihren Interpretationen internationaler B ierstile nach deutschem Reinheitsgebot und ihren hohen Qualitätsansprüchen ein Zeichen in der Szene gesetzt und sich hier mittlerweile etabliert“, sagt Dr. Werner Wolf, Sprecher der Geschäftsführung der Bitburger Braugruppe.


Der Wettbewerber und Weltmarktführer Anheuser-Busch Inbev (AB Inbev) allerdings traut sich jetzt deutlich weiter: Ab sofort kommen die internationalen Spezialitäten „Amber Lager“, „1873 Pils“ und „Pale Ale“, auf den deutschen Markt. Die drei neuen Sorten von Beck‘s sind laut Unternehmen „Biere von unterschiedlicher Brauart mit sortentypischem Geschmack, allesamt gebraut nach dem Deutschen Reinheitsgebot“. Die neue Range hat eine eigenständige Verpackungslinie, einen höheren Alkoholgehalt und eine höhere Preisstellung. Mit den neuen Sorten soll zudem der internationale Charakter der Marke Beck’s gestärkt werden.

Der Vorstoß ist insofern neu, als dass eine so große Brauerei wie AB Inbev zum ersten Mal mit der eigenen Marke auf das Thema setzt und sich nicht wie Radeberger oder Bitburger bewusst davon abkoppelt. Scheinbar ist der Markt mittlerweile bereit für einen solchen Schritt: „Premium ist der wesentliche Wachstumsbereich innerhalb des Biermarktes, denn: es wird zwar weniger getrunken, dafür sind die Menschen bereit, Geld auszugeben, um ein hochqualitatives Markenerlebnis zu haben. Es ist wichtig, die richtigen Antworten auf die Markttrends und Herausforderungen zu finden und die Chancen zu nutzen, die wir identifiziert haben“, heißt es auf Nachfrage bei AB Inbev. Obwohl sich das Unternehmen zu der genauen Preisstellung noch nicht geäußert hat, werden die neuen Sorten deutlich teurer sein als das, was der Beck’s-Konsument bisher gewohnt ist. Trotzdem zeigen sich Marktbeobachter optimistisch, was die neue Range angeht. Schließlich hat der Brauriese mit Beck’s Gold und Beck’s Green Lemon schon bewiesen, dass er neue Varianten unter der Marke nachhaltig platzieren ka nn. Ein Problem allerdings bleibt: Die Unvereinbarkeit hinter dem Craft-Bier-Gedanken mit dem Image eines großen Brauereikonzerns. Die US-Amerikanische Brauervereinigung definiert “Craft Beer” als Bier „von einem Brauer, der in kleinen Mengen und unabhängig von Konzernen auf traditionelle Weise braut.“

Auch AB Inbev scheint sich über die Unvereinbarkeit einer Mainstream-Marke wie Beck’s mit dem Thema „Craft-Bier“ bewusst zu sein. „Wir haben nicht den Anspruch, ein kleines, lokales Craft-Bier zu sein. Das erwartet der Konsument nicht von einer internationalen Marke wie Beck’s. Wir zielen mit den neuen Produkten eher in die Kategorie ’Internationale Biere’ und weniger in die ’Craft-Ecke’“, sagt Oliver Bartelt, Sprecher von AB Inbev.

Auch auf die Frage, ob sich höherpreisige Biere auf längere Sicht im Massenmarkt verankern können, bleibt Bartelt noch zurückhaltend. Es gehe grundsätzlich nicht um Volumen, sondern darum, profitabel zu wachsen, um die Erträge auch wieder in die Marken zu investieren. Der Weltmarktführer unterscheide sich hier mit Ergebnismargen von fast 30 Prozent vom Großteil der Wettbewerber. „Das Premium- und Superpremiumsegment ist der richtige Ort, um profitabel in unsere Marken zu investieren.“

Egal ob die höherpreisigen Bier-Spezialitäten Mainstream werden können oder nicht: Das Interesse der Verbraucher an einem solchen Thema lässt die Brauer positiv in die Zukunft blicken: „Entscheidend bei dem Trend zu Craft- und Spezialitätenbieren ist, dass das wiedererwachte Interesse die Menschen dazu anregt, wieder mehr über das Produkt Bier an sich zu sprechen. So rückt auch die Vielfalt und der Aromen-Reichtum von Bier wieder stärker in das Bewusstsein der Verbraucher. Das tut der gesamten Kategorie gut“, sagt Bitburger-Chef Dr. Werner Wolf.

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gut.
Dr. Werner Wolf, Bitburger
Bild öffnen „Es gibt Bier als Durstlöscher und für den besonderen Genuss.“
Albert Siebrichhausen,
Siebrichhausen’s Weltbiere