Einkaufen mit Roger Ulke - Konsum Dresden „Unternehmer sein, heißt auch Risiken einzugehen“

Roger Ulke ist Vorstandsvorsitzender Konsum Dresden und spricht übers Geschäft, unternehmerische Risiken und seine Vorhaben und Pläne für das laufende Jahr.

Sonntag, 26. Mai 2013 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild „Unternehmer sein, heißt auch Risiken einzugehen“
„Wir müssen stärker auf „Mikro-Trends“ am jeweiligen Standort reagieren. Mit der Gießkanne geht das nicht.“ Roger Ulke (Bildquelle: Hoppen)
Bildquelle: Hoppen

Der Konsum Dresden ist heute – trotz enormer Konkurrenz in der Sachsen-Metropole eine feste Größe. Vorstandsvorsitzender Roger Ulke plädiert im Gespräch mit der LEBENSMITTEL PRAXIS für die Genossenschaftsform, schaut ein wenig zurück, vor allem aber nach vorn.

Herr Ulke, Sie selbst sind im Jahr 2000 zum Konsum Dresden gekommen. War damals und ist heute die Genossenschaft eine zukunftsweisende Rechtsform?
Roger Ulke: Na klar. Die Genossenschaft als Rechtsform ist krisensicher, spielt aber leider in der Wirtschaftswissenschaft eine zu geringe Rolle. In anderen Ländern ist das anders. Sie müsste auch hier mehr aufgeladen werden. Übrigens: Wer zu DDR-Zeiten für 50 Mark Genossenschaftsanteile bei uns kaufte, hält heute einen Wert von 75 Euro! Ich kam zunächst als Berater nach Dresden, arbeitete bei Jos de Vries, und wir sollten zwei Pilot-Projekte realisieren. Die schlugen als Mischung aus Innovation und Standorterfahrung sehr gut ein. Letztlich bin ich geblieben.

Ihre größten Herausforderungen?
Die Durchsetzung einer Qualitätsstrategie und damit verbunden das Bekenntnis zum höheren Preis. Hierfür geeignete Konzepte umzusetzen und mit Leben zu füllen – das ist schon was. Billiganbieter gibt es schließlich genug.

Das lief aber auch nicht nur reibungslos.
Sie meinen unseren Ausflug nach Franken? Nun, Unternehmer sein, heißt auch Risiken einzugehen. Die Standortanalysen, auf denen unsere Entscheidung fußte, waren erfolgversprechend – aber letztlich falsch.

Die Gründe?
Wir profilieren uns hier in Dresden sehr stark über regionale Produkte. Das wollten wir auch in Erlangen und Nürnberg tun. Selbstverständlich mit regionalen Lieferanten von dort. Wir konnten die Franken jedoch nicht von unserem Anspruch überzeugen. Man glaubte uns die Regionalität – in Franken sehr wichtig – einfach nicht.

Die Märkte sind geschlossen?
Jein, wir betreiben noch je einen Markt im City-Point in Nürnberg und in den ErlangenArcaden. Beide entwickeln sich.

Bitter, ein Weg der Expansion ist Ihnen dadurch verschlossen.
Ach, es gibt noch genug Ideen und bei allem Wachstum darf man schon mal fragen, wie viel Verkaufsfläche denn tatsächlich gebraucht wird und wo die Grenze liegt? Ist die gewisse Renaissance der Kleinfläche nicht eine Chance für Konsum Dresden? Die demografische Entwicklung in Dresden spricht dafür, das Durchschnittsalter liegt über 40 Jahren.

Gibt’s konkrete Pläne?
Ja, wir beschäftigen uns schon länger intensiv damit, wie auf rund 200 qm ein Vollsortiment nahe an den Bedürfnissen der Menschen darzustellen ist. Das ist kein Selbstläufer! Wir werden voraussichtlich Ende Juni/Anfang Juli ein Pilotprojekt eröffnen.

Und Wachstum aus der Region hinaus?
Na ja, wir sind doch längst über die Stadtgrenzen hinaus aktiv. Wir brauchen aber urbane Strukturen, wo Frequenz, Durchlauf, Umschlag und Kaufkraft stimmen.


Wie sehen Sie die Zukunft des Vollsortimenters?
Differenziert. Es gibt im Prinzip zu viele Produkte. Das heißt, wir müssen künftig noch sorgfältiger auswählen und unsere Sortimente den Kundenbedürfnissen am jeweiligen Standort genau anpassen. Hier wird man sehr viel stärker nach Kundengruppen selektieren müssen. Noch laufen wir Händler alle gemeinsam den gleichen Trends hinterher – was zum Teil auch sein muss – aber wir müssen stärker auf „Mikro-Trends“ am jeweiligen Standort reagieren. Mit der Gießkanne geht das nicht.

Welche Rolle spielt Bedienung in Ihren Überlegungen?
Die Frische steht im Zentrum unserer Märkte. Bedienungsinseln betreiben wir seit 2000 erfolgreich, mittlerweile in fast allen unseren Märkten. Die Insel mit ihrer Personalpräsenz zeigt Kompetenz und prägt den gesamten Markt. Bedienung ist nicht nur ein Kostenfaktor.

Wie läuft Ihre Catering-Sparte?
Das machen wir ja schon lange, aber zuletzt haben wir es stärker in den Fokus gerückt und professionalisiert. Wir bieten hier alles für die Familienfeier, aber auch für den Firmenevent mit 250 Gästen. Das entwickelt sich rasant, wir haben das Ziel, den Umsatz von 2012 in diesem Jahr zu verdoppeln.

Und der Lieferservice?
Das läuft ordentlich mit einem noch ordentlicherem Bon. Wird übrigens von jedem Markt angeboten und für 5 Euro Gebühr liefern wir alles vom Joghurt bis zum Großeinkauf.

Sie profilieren sowohl Frida als auch Konsum-Märkte stark über regionale Sortimente. Das überregionale Sortiment kommt von Bartels-Langness. Wie ist die Verteilung?
Wir verrechnen über 70 Prozent unseres Umsatzes über Bela. Der Rest wird über eigenen Einkauf beschafft – und das spielt sich weitestgehend in der Region ab.

Wie lief 2012 für Konsum Dresden?
Die Schließungen in Franken haben unsere Planung nicht gerade gestützt. 2011 war ein schweres Jahr, 2012 war erfreulicher, das Jahresergebnis wird positiv und über Plan sein.

Was sind die Herausforderungen für 2013?
Da gibt es einige. Nehmen Sie die Energiepreise, wir müssen den Verbrauch durch bessere Technik optimieren. Wir müssen dringend in Mitarbeiter investieren, denn hier liegen große Potenziale. Das heißt: noch besser ausbilden, Leistung besser honorieren, die Vorteile der Handelsberufe besser herausstellen. Und wir werden die Marke Konsum konsequent gegenüber Mitarbeitern, Kunden und Wettbewerb weiter profilieren.

Und wie wird das Jahr?
Das soll ein gutes Jahr werden. Das erste Quartal macht Hoffnung. Unsere Teams sind motiviert, wir sind nah an unseren Kunden und Mitgliedern, und wir haben auch noch die eine oder andere Idee in Vorbereitung. Ich bin guter Dinge.


Bewegte Geschichte

Der Konsumverein Vorwärts wurde 1888 gegründet, damit kann der Konsum Dresden auf 125 Jahre zurückblicken. Wichtige Stationen waren der Aufschwung in den 20er-Jahren, der allerdings durch die Wirtschaftskrise getrübt wurde. Ab 1931 wurde eine eigene Produktion aufgebaut. Es wurde schon damals mit Standards (zum Beispiel naturbelassen und unverfälscht) für Lebensmittel gearbeitet. 1935 und 1936 zwang das Nazi-Reichsgesetz den Konsum zur Auflösung. Grundstücke und Verteilerstellen wurden enteignet. Ab 1946 wurde der Konsum dann wieder gegründet. Zu DDR-Zeiten musste der Konsum dann ab Mitte der 50er-Jahre viele Grundstücke zwangsweise abgeben – allerdings Konsum war nie „Volkseigentum“, sondern blieb Genossenschaft und war daher auch ein kleines Auffangbecken für Regimegegner. Hier fanden diese noch Arbeit.

Konsum hatte in der DDR einen Versorgungsauftrag, auch für den ländlichen Raum. Staatliche HO ’s (für Handelsorganisation) hatten meistens die besseren Standorte. Nach der deutschen Vereinigung beginnt ab 1991 der Sanierungsprozess. Die Konsum Dresden eG baut ein auf marktwirtschaftliche Strukturen ausgerichtetes Vertriebsnetz auf. Ein großes Problem waren die zu DDR-Zeiten zwangsenteigneten Grundstücke – die Gebäude gehörten dem Konsum, viele Grundstücke aber dem Staat. Der Konsum musste also zunächst alle Grundstücke kaufen – viel Kapital floss so ab und konnte nicht investiert werden. Mit dem neuen Jahrtausend kamen neue Konzepte und Ideen, Konsum Dresden ist eine feste Größe.

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