Einkaufen bei Albert Heijn Zwischen Anpassung und Identitätsverlust

Der niederländische Handelskonzern Ahold hat mit Albert Heijn den Schritt in die Bundesrepublik gewagt – ohne typisch holländisch zu sein. Im Gespräch mit Sander van der Laan und Dick Boers.

Donnerstag, 13. Dezember 2012 - Management
Pascal Kuipers, Übersetzung: Bettina Röttig
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Bildquelle: Ahold, Belz

„Deutschland ist ein schwieriger Markt“, sagt Sander van der Laan, COO des niederländischen Einzelhandelsunternehmens Ahold. Eine Untertreibung, ist doch der deutsche Einzelhandel weithin bekannt für seinen harten Wettbewerb und geringe Margen. Doch nicht diese Gegebenheiten bereiten den Niederländern Probleme. Vielmehr liegt die Schwierigkeit darin, vorherzusehen, wie deutsche Konsumenten auf Albert Hejn und dessen To-go-Konzept reagieren.

Die Motivation, Albert Heijn in Deutschland zu etablieren, ist auf das Vorhaben „Ausdehnung unserer geographischen Reichweite“ zurückzuführen – einer von sechs Eckpfeilern von Aholds Strategie „Reshaping Retail at Ahold“ (Neugestaltung des Einzelhandels bei Ahold), die vor einem Jahr verabschiedet und auf den Weg gebracht wurde. Erklärtes Ziel: Wachstum generieren. Am 28. und 29. November 2012, rund ein Jahr nach der Präsentation der neuen Strategie, standen die Ahold-Vorstandsmitglieder in Philadelphia im US-Bundesstaat Pennsylvania auf der Bühne. Hier, vor einem Publikum aus internationalen Finanz-Analysten, referierten sie zu den Erfahrungen und Erfolgen, die sie mit der Strategie „Reshaping Retail“ bisher sammeln konnten – und den Herausforderungen, die noch vor ihnen liegen. Der Ort für ihren Auftritt war sehr bewusst gewählt, schließlich stehen die Vereinigten Staaten für rund 60 Prozent von Aholds Gesamtgeschäft.

Dennoch drehte sich ein Großteil der Präsentation und Diskussion um Europa, verfolgt Ahold mit der niederländischen Einzelhandelsmarke Albert Heijn doch sehr ambitionierte Expansionspläne in benachbarten Märkten wie Belgien und Deutschland. Van der Laan kombiniert seine Position als Ahold-COO mit der des Managing Director von Albert Heijn und ist daher der richtige Mann, wenn man mehr über die bisherigen Erfahrungen von Albert Heijn in Deutschland wissen möchte. In den Korridoren der Veranstaltung in Philadelphia zeigte er sich jedoch sehr zugeknöpft, wenn es um die Operation „Albert Heijn to go“ in Deutschland ging, deren Startschuss am 12. September 2012 mit der Eröffnung des ersten Standorts in Aachen fiel. Anfang Dezember öffnete in Düsseldorf der dritte Markt.

„Ich kann nicht so offen über Deutschland sprechen, da wir hier gerade erst begonnen haben“, sagt er. „Es ist zu früh für einen Kommentar, aber wir alle wissen, dass Deutschland ein schwieriger Markt ist. In Belgien fokussieren wir uns auf Flandern, wo wir einen Sprachvorteil haben. In Deutschland hingegen musste alles übersetzt und mehrsprachige Verpackungen entwickelt werden. Ich muss sagen, wir waren wirklich überrascht festzustellen, wie groß die Markenbekanntheit von Albert Heijn in Deutschland ist, obwohl es ein neuer Markt für uns ist.“

Diese Überraschung ist jedoch auf die Enttäuschung der deutschen Verbraucher zurückzuführen, die Albert Heijn to go gezielt aufsuchten, in der Erwartung, dort typisch niederländische Produkte wie „Stroopwafels“ (Sirupwaffeln) und „Vla“ (Pudding) zu finden – vergeblich, denn Ahold hatte diese Produkte als „zu niederländisch“ bewertet und daher nicht von Anfang an in das Angebot aufgenommen. „Wir sind dabei, nachzubessern und werden weitere typisch niederländischen Produkte, auf die deutsche Verbraucher offensichtlich Wert legen, ins Sortiment aufnehmen“, sagt van der Laan. Auf den ersten Blick wirkt dies trivial, aber tieferliegend offenbart sich hier eine Schwierigkeit für eine bekannte niederländische Einzelhandels-Marke mit der Ambition, fester Bestandteil des deutschen Convenience-Handels zu werden: Albert Heijn läuft Gefahr, von deutschen Verbrauchern als eine niederländische Touristen-Attraktion wahrgenommen zu werden. Typisch niederländische Produkte in das Sortiment aufzunehmen wird zweifelsohne deutsche Konsumenten anlocken, die solche Produkte mit „AHA-Effekt“ lieben. Auf der anderen Seite konterkariert dies die Absichten Aholds, ein deutscher Player, Akteur zu werden, der zufällig zu einem niederländischen Unternehmen gehört.

„Mit der Eröffnung des dritten AH to go werden wir solche Märkte in drei verschiedenen Hoch-Frequenz-Lagen haben“, sagt van der Laan. „In Aachen sind wir im Stadtzentrum in unmittelbarer Nähe zu einer Bushaltestelle vertreten, die besonders stark von Studenten frequentiert wird, in Essen an einem Standort mit vielen Bürogebäuden im Umkreis und in Düsseldorf in der Nähe des Hauptbahnhofs. Drei Standorte mit unterschiedlichen Charakteristika. Im nächsten Jahr werden wir weitere Märkte im Westen Deutschlands eröffnen, dies ist unser Fokus-Gebiet.“ Es ist eine steile Lernkurve für Ahold und dessen Stakeholder und Interessengruppen. „Wir dürfen nicht vergessen, dass AH to go auch ein völlig neues Konzept für den deutschen Markt ist“, fügt Ahold-CEO Dick Boer hinzu. „Ein vergleichbares Ladenkonzept existierte in Deutschland bisher nicht.“

Bildquellen: Ahold, Belz

Für Ahold ist Deutschland ein interessantes Projekt mit limitierten Investitions-Kosten. In den Markteintritt in Belgien musste das Unternehmen sehr viel stärker investieren, als es dort Albert Heijn Supermärkte eröffnete, die sowohl durch Franchise-Nehmer als auch in Regie betrieben werden. „Bis Ende des Jahres werden wir elf Märkte in Belgien haben und beabsichtigen, die Anzahl im Laufe des nächsten Jahres zu verdoppeln“, sagt Boer. Er bestätigt noch einmal die Pläne der Niederländer, bis 2017 die Anzahl der Standorte in Belgien auf 50 zu erhöhen. „Unsere geographische Reichweite auf Märkte wie Deutschland und Belgien auszudehnen, ist notwendig, denn Einzelhändler benötigen Wachstum. Daher werden wir unser Unternehmens-Wachstum fortsetzen. Wie einfach war es schlussendlich, in Belgien Fuß zu fassen, und wie schwer haben wir uns getan, bevor wir den Schritt gingen. Albert Heijn hat das Potenzial, von rund 10 Mio. belgischen Konsumenten akzeptiert zu werden. Daher dürfen wir keine Angst vor solchen Schritten haben. Wir sollten sie viel öfter wagen.“

Ein Multichannel-Konzept, das es Kunden ermöglicht, zwischen dem Einkauf im stationären Handel und Online zu wählen, ist ein Schlüsselfaktor der Ahold-Strategie. „Wir haben Veränderungen eingeleitet, um künftig für Verbraucher der Einzelhändler für jede Wahl zu werden“, sagt Boer. „Sie können das wählen, was für sie am bequemsten ist: In kleinen Convenience-Stores oder Supermärkten einkaufen, online bestellen und liefern lassen oder die vorbestellte Ware am Standort ihrer Wahl abholen. Der Erfolg der ‚Pick Up Points’, die wir vor Kurzem eröffnet haben, ist bemerkenswert. Wie schnell sich Kunden daran gewöhnen! Dies gibt uns hervorragende Erkenntnisse rund um Möglichkeiten für künftiges Wachstum. Nehmen Sie zum Beispiel Belgien. Sie können sich fragen, ob wir denn unbedingt so viele Läden eröffnen müssen, um die von uns angestrebten Marktanteile zu erzielen, so wie wir es in den vergangenen Jahren in den Niederlanden getan haben. Wenn man in neue Märkte expandiert, kann man neue Modelle entwickeln, die Offline- und Online-Dienstleistungen kombinieren. Dies eröffnet riesige Möglichkeiten.“

Ein Albert Heijn Pick Up Point, der auf deutsche Online-Konsumenten abzielt, ist zu diesem Zeitpunkt undenkbar. Aber warum nicht solche Pick Up Points in Belgien eröffnen, die es den Kunden ermöglichen, die Ware, die sie online bestellt haben, abzuholen? „Kurzfristig nicht, da wir in Belgien zunächst eine gewisse Position und Größe erreichen müssen“, so van der Laan. „Aber nachdem wir die kritische Masse erreicht haben, können Sie davon ausgehen, dass wir dies tun werden. Das Konzept ist nicht neu für Belgien, Colruyt bietet diesen Service bereits seit Jahren an.“

Trotz der positiven Erfahrungen im Nachbarland wird Albert Heijn kein Logistikcenter für die Belieferung der Läden bauen. „Das beabsichtigen wir nicht“, antwortet van der Laan. „Selbst wenn wir in Belgien bis 2017 insgesamt 50 Märkte betreiben, können wir diese alle durch unser bestehendes Logistik-Netzwerk bedienen.“

Off- und Online-Welt
Die Albert Heijn Convenience Stores, Supermärkte sowie das Online-Angebot sind die drei Formate, die Ahold in Benelux betreiben möchte. Sander van der Laan, COO Ahold: „Wir glauben an jedes der drei individuellen Formate, vor allem jedoch an eine Kombination dieser. In unseren Vorstellungen geht es um ’Bricks and Clicks’. Wir beabsichtigen, Brücken zu schaffen zwischen den stationären Supermärkten und dem Online-Geschäft.“

Die Pick Up Points genannten Abholstationen sind die konkretesten Manifestationen einer solchen Brücke zwischen der virtuellen und der physischen Einzelhandelswelt . In den Niederlanden eröffnete die erste Stand-Alone-Variante des Albert Heijn Pick Up Point am 1. November 2012 in Hemstede. Ahold zufolge werden hier bereits rund 500 Kunden pro Woche bedient – Tendenz steigend. Hemstede ist ein großer Abhol-Standort. In Zukunft will Ahold sowohl kompakte Stand-Alone als auch an Märkte angeschlossene Pick up Points eröffnen. Letztere Variante benötigt die geringsten Investitionen, bietet jedoch auch nur eingeschränktes Verkaufs-Potenzial im Vergleich zur Stand-Alone-Lösung. „Nur wenige Albert-Heijn-Geschäfte haben ausreichend Fläche und Räumlichkeiten für solch einen Pick Up Point“, sagt van der Laan. „Wir werden nächstes Jahr mit Tests beginnen.“
Bildquellen: Ahold, Belz

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