Mobile Marketing App die Plätze, fertig, los

Mobile Marketing: Das nächste Rennen um die Gunst des Kunden hat begonnen. Wie kann der deutsche Handel davon profitieren?

Mittwoch, 29. September 2010 - Management
Christin Kunze
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Der Startschuss ist gefallen. Nun sind fast alle Handelsunternehmen in den Startlöchern, um mit neuen Marketing-Strategien um die Gunst des Kunden zu kämpfen. Mobile Marketing ist dabei der Begriff der Stunde. Es ist eine Spielform von modernen Marketing-Strategien, die die technischen Möglichkeiten der Smartphones nutzen. Sie haben allein das Käuferverhalten im Fokus. Hier wird der Kunde mit dem Handy angesprochen und erhält Informationen und Kaufanreize direkt auf sein mobiles Empfangsgerät. Die Zielgruppe ist eher jung und technikaffin, zudem ist diese Strategie besonders auf internetfähige Handys wie das iPhone von Apple zugeschnitten.

Diese mobile Marketing-Strategie soll die virtuelle Welt mit der realen Welt verknüpfen. So können alle Komponenten eines Einkaufs in allen Phasen, wie zum Beispiel die Einkaufsplanung, der Griff ins Regal am PoS, das Bezahlen an der Kasse bis hin zur Nutzung der gekauften Produkte zuhause, durch mobile Anwendungen auf dem Handy als virtuelle Berührungspunkte in die Lebenswelt des Kunden gebracht werden. Ob nun der Zugriff auf Sonderangebote oder Rabatt-Coupons – es gibt viele Möglichkeiten, dem Kunden in seinen Bedürfnissen zu entsprechen und ihn damit an sich zu binden: einen mobilen Einkaufszettel, die Navigation an das Regal mit einem bestimmten Produkt oder das Bezahlen der Ware mit dem Handy.

Davon profitieren zum einen der Handel, zum anderen die Industrie. Deswegen arbeitet die Lebensmittelbranche gemeinsam an solchen Lösungen. „Von daher ist Mobile Marketing in letzter Zeit das Thema mit der höchsten Aufmerksamkeit. Innerhalb der Unternehmen haben wir gemäß unserer Kontakte den Eindruck, dass das Thema ‚Mobile’ generell derzeit in die Unternehmensstrategien integriert wird, Konzepte erarbeitet werden und erste Versuche und Umsetzungen stattfinden“, sagt Ilka Machemer, Leiterin Mobile Commerce von GS1 Germany. Getrieben werde die Verknüpfung der unterschiedlichen Lösungen von den „App-Anbietern“ des Handels, erläutert Machemer.

Die Apps des Handels

Die Apps des HandelsMittlerweile haben fast alle großen deutschen Handelsunternehmer eine App(likation) für das iPhone auf den Markt gebracht. Die Genossen der Edeka Rhein-Ruhr veröffentlichten bereits Ende 2009 ihre kostenlose App „myEdeka“. Ziel ist es hier, dem Kunden die Werbung des Unternehmens zugänglich zu machen: „Mobiles Marketing ermöglicht die Kundenansprache direkt vor der Kaufentscheidung, es erschließt neue Kundenschichten, die mit konventionellen Werbeansprachen im Printsektor nicht oder nur eingeschränkt erreichbar sind“, berichtet Hans-Joachim Klemke, Vertrieb/Marketing der Moerser Edekaner. Bis dato sei die App rund 20.000 Mal herunter geladen worden. Es gebe Überlegungen der Edeka Zentrale eine die Edeka-Gruppe übergreifende App einzurichten, ergänzt Klemke.


Rewes Pendant erschien im August dieses Jahres. Die Kölner setzen darin bisher vor allem auf die Darstellung der Angebote und Filialsuche. Dies bemängelt der selbstständige Rewe-Kaufmann Karsten Nüsken. „Generell ist die Idee einer solchen Funktion gut, doch der Nutzen der Rewe-App ist einfach zu gering. Bald schon werden wir auch eine eigene App vorstellen“, sagt Nüsken. So soll diese einen Wein-Berater anbieten, mit dem der Kunde durch einfaches Einscannen des Strichcodes auf der Flasche weitere Informationen über Anbaugebiete oder Trinkempfehlungen erhält. Nüsken: „Der Kunde muss einen wahren Mehrwert davon haben.“ Couponing-Aktionen (siehe Kasten) müssten einfach und nachvollziehbar gestaltet sein. Grundsätzlich sieht der Kaufmann die Denkweise, die nur auf Rabatte und Preissenkungen abziele, als „langweilig und Werte vernichtend“ an.
Auch Real bietet seit Januar 2010 eine kostenlose App an. „Wir haben uns in erster Linie für die mobile Technologie entschieden, um neue Zielgruppen anzusprechen. Darüber hinaus führten auch Untersuchungsergebnisse zu dieser Entscheidung. Die besagen, dass der Trend immer stärker zu mobilen Browsern geht und in Zukunft der Online-Browser fast vollständig abgelöst wird“, begründet die SB-Warenhauskette den Schritt.

Die App sei bisher 85.000 Mal heruntergeladen worden. Die üblichen Funktionen wie eine Filialsuche und Angebote werden ergänzt durch Kochvideos mit Rezepten sowie einer Einkaufsliste. Man arbeite bereits an einer Version für Handys mit Android-Betriebssystem. Auch die Discounter Aldi Deutschland und Lidl Europe bieten jeweils eine App an. Die sind jedoch nur gegen eine Gebühr von 0,79 Euro erhältlich. Und das obwohl sie dem Verbraucher nichts bieten, was die Konkurrenz nicht auch hat: Filialsuche und Angebotskatalog. Obwohl nun alle großen Player im LEH im Mobile Marketing aufgestellt sind und im Allgemeinen ein Run auf mobile Lösungen festzustellen ist, sollte man nie die Risiken außer Acht lassen. Denn sehr schnell kann man beim Datenschutz in Teufels Küche kommen. So sehen die gesetzlichen Richtlinien vor, dass bei einer Erhebung von personenbezogenen Daten immer eine Einwilligung eingeholt werden muss. „Hier beginnen die Schwierigkeiten.


Wenn ein Händler eine personalisierte App anbieten möchte, muss er den Nutzer immer und vor allem im Voraus über die Verwendung der Daten aufklären und eine Einwilligung zur Nutzung einholen“, sagt Hagen Hild, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und IT-Recht der Kanzlei Hild & Kollegen. Vor allem wenn es sich um E-Commerce drehe, seien alle gesetzlichen Informationspflichten zu beachten. Allein schon die Ortung des Handys mit GPS verlange eine Einwilligung. Nach Einschätzung von Hild werden die auf den Nutzer zugeschnittenen Anwendungen zunehmen. Dabei entstehen für den Verbraucher nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile, wie die Datenschutzdiskussion bereits zeigt. „Der Nutzer sollte wissen, was mit seinen Daten passiert. Transparenz ist überaus wichtig“, so Hild.

Der Kunde entscheide letztlich selbst, ob, wann und wie oft er diese Lösung in Anspruch nehmen möchte. „Der Pullansatz wird sich besonders im Mobile Marketing durchsetzen“, schätzt Patrick Rohrbasser, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Emnos GmbH ein, die Unternehmen dabei hilft ihre Kunden in den Mittelpunkt ihres unternehmerischen Handels zu stellen (siehe Interview unten).
Im sportlichen Wettkampf besagt eine Regel, dass man seine Kräfte gut einteilen und im Endspurt bündeln sollte. Aber auch die ersten Schrite sind wichtig. Doch ein falscher Schritt und man strauchelt und die Konkurrenz zieht vorbei. Der Kunde kauft woanders ein.
„Was passiert mit den Daten – Transparenz ist überaus wichtig.“

Couponing in Deutschland

„Gutscheine verleiten Kunden dazu, sich in Geschäfte zu begeben“, sagt Josef Kuffer, Geschäftsführer Kuffer Marketing GmbH und Herausgeber von Gutscheinbuch.de. Daher spielen Coupons im Mobile Marketing eine entscheidende Rolle und existieren auf dem deutschen Markt bereits von mehreren Anbietern. Auch wenn sich für den Kunden das Einlösen nicht immer lohnt. Kuffer sammelte seit Jahren mit dem Gutscheinbuch für deutsche Städte CouponingErfahrungen und erweiterte sein Portfolio um eine iPhone-Gutschein-App. Der Kunde könne sich diese kostenlos herunterladen und habe die Möglichkeit aus über 7.500 Gutscheinen im Food- und Nonfood-Bereich zu wählen, für das Einlösen sei jedoch eine Gebühr von 50 Cent zu zahlen. „Die Nachfrage aus dem Handel ist sehr hoch. Wir rennen im Moment offene Türen ein“, so Kuffer.

Die Gutscheine würden personalisiert und regionalisiert herausgegeben. Den Umkreis könne der Nutzer in einem Filter auf 5 km genau einstellen. „Dies ist besonders interessant für regionale Händler, denn diese erreichen somit genau ihre Zielgruppe“, so der Unternehmer. Man stehe derzeit in Verhandlungen mit einem großen deutschen Handelsunternehmen, heißt es. Von Händlerseite biete man bereits Reno Gutscheine. Als weiterer Anbieter hat das Loyaltyprogramm Payback eine App auf den Markt gebracht, die das Einlösen von Coupons direkt in der jeweiligen Filiale ermöglicht. Technologisch ließe sich eine solche Couponing-Lösung so ausbauen, dass der Kunde einen Gutschein erhält, sobald er einen bestimmten Regalbereich betritt. Quelle: Gutscheinbuch.de, Emnos GmbH


Zusammenspiel von Handel und Industrie bindet den Kunden

Shopper Marketing ist eine neue Herangehensweise an den Kunden. Mit welchen Mitteln wird hier gearbeitet?
Um Kunden zu befriedigen, ist es notwendig, Bedürfnisse und Verhaltensweisen entlang ihres gesamten Kaufprozesses, wie Planung, Kaufakt und Konsum, zu verstehen. Die Nutzung unterschiedlicher Informationsquellen wie Internet, Social Networks, Kundenkartendaten, Marktforschung etc., zur Entschlüsselung des Kundenverhaltens, ermöglicht im Shopper Marketing die Erarbeitung ganzheitlicher Lösungen, die dem Kunden einen Mehrwert bieten. Neben einer engeren Zusammenarbeit zwischen Handel und Industrie rücken moderne Technologien verstärkt in den Fokus der Marketingstrategen.

Wie und warum kann der Handel hier profitieren?
Er kann den Interaktionsradius mit dem Kunden auf die Phasen vor und nach dem Einkauf erweitern. Der Händler weiß, was in seinem Markt gerne gekauft wird und kann sein Sortiment gezielt an den Kundenbedürfnissen ausrichten – und sich gleichzeitig gegenüber dem Wettbewerb profilieren. Wichtig ist dabei, dass nicht nur Bedürfnisse erkannt werden, sondern dass durch Servicekomponenten endlich mehr auf den Kunden eingegangen wird.

Welches Potenzial sehen Sie für Mobile Marketing?
Mobile Marketing ist eine der Technologien, die im Rahmen des Shopper Marketing Ansatzes stark an Bedeutung gewinnen wird. Es eröffnet Industrie und Handel völlig neue Möglichkeiten, was zum Beispiel regionales Marketing betrifft. In der Flexibilität dieser Kanäle spielt viel Zukunftsmusik.

Können Sie Beispiele für funktionierende Mobile Marketing-Aktionen nennen?
In Großbritannien ist die Umsetzung solcher Konzepte schon sehr weit. So hat Tesco eine Applikation, die dem Kunden am PoS einen Mehrwert bietet – etwa interessante Zusatzinformationen zu einer Flasche Wein. Der Niederländer Albert Heijn bietet eine Produktvergleichsmöglichkeit auf seiner App an.

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Patrick Rohrbasser ist Geschäftsführer und Chief Executive Officer (CEO) der Emnos GmbH in München. Emnos berät und bietet Lösungen für „kundenzentriertes Marketing“ an.