Interview Bilanz - IFS-Prozesse Mit einer Sprache

„Einmal auditiert, überall akzeptiert.“ Mit dieser Botschaft an die Industrie will der Handel auch international für noch mehr Produkt-Sicherheit sorgen.

Dienstag, 07. September 2010 - Management
Markus Oess

Hans-Jürgen Matern (Metro Group) und Stephan Tromp (HDE) bemühen sich innerhalb des International Featured Standards (IFS, siehe Kasten) um einheitliche Sicherheits-Standards. International sind die beiden noch nicht am Ziel. Matern übernimmt jetzt den Vorsitz im Board der weltweiten Global Food Safety Initiative (GFSI). Der Metro-Manager und Tromp ziehen im LP-Interview Bilanz und sprechen über Pläne, die Industrie in die IFS-Prozesse auch organisatorisch stärker einzubinden.

Was hat sich seit 2003 durch den IFS geändert?
Stephan Tromp: Eine ganze Menge. Dank IFS wurde der gesamte Auditierungsprozess angeschoben. Die Audits und Zertifizierungen erfolgen nach einem einheitlichen Standard. HACCP wurde flächendeckend durchgesetzt. Das Thema Lebensmittelsicherheit wird organisatorisch auf einem deutlich höherem Niveau behandelt. Heute ist das Risiko-Management gängige Praxis und die Unternehmen sind entsprechend besser aufgestellt und mit der gestiegenen Lebensmittel-Sicherheit ist schließlich auch ein betriebswirtschaftliches Ergebnis verbunden.

Hans-Jürgen Matern: Das kann ich nur bestätigen, durch die Nutzung von Food Safety Standards, die durch die „Global Food Safety Initiative“ akzeptierten Standards, speziell jedoch durch den IFS haben wir in unserem Unternehmen deutlich geringere Rückrufe von Produkten, im Gegensatz zu ständig steigenden Rückrufen in der EU über das Schnellwarnsystem. Das heißt, der Einsatz zur Entwicklung des Standards und die konsequente Nutzung hat sich für uns und unsere Kunden gelohnt.

Auch Discounter unterstützen den IFS, wie ist die Zusammenarbeit mit Lidl oder Aldi?
Tromp: Seit Aldi und Lidl dabei sind, hat sich der Durchsatz der Zertifizierungen noch einmal spürbar verbessert. Beide Discounter sind auch in den Gremien, die sich mit der Qualitätssicherung beschäftigen, aktiv beteiligt.
Matern: Aldi war mit uns der erste, der verbindlich IFS-Zertifizierungen von seinen Herstellern verlangt hat, übrigens auch in Frankreich. Hierdurch haben die Lieferanten schnell den Vorteil von „Einmal auditiert, überall akzeptiert“ aufnehmen können.

Sehen das Ihre Eigenmarkenproduzenten genauso?
Tromp: Sie werden in naher Zukunft für eine IFS-Kampagne Testimonials u.a. von den Firmen Frosta, Zentis, aber auch aus dem Ausland wie Vion oder Wrigley erleben. Verweigerungshaltung sähe anders aus, oder?
Matern: Sie können sicher sein, dass IFS weitgehend anerkannt ist, auch international. Wir haben heute kein echtes Akzeptanzproblem hinsichtlich der Gewährleistung hoher Lebensmittelsicherheit durch standardisierte Prüfverfahren. Aber wir müssen für eine stärkere Transparenz sorgen, denn mit BRC aus dem britischen Dunstkreis, den Tesco und andere britische Händler favorisieren, sowie weiteren Standards wie SQF und ISO 22.000 plus Zusatz, treffen wir auf eine Situation, in der wir für Klarheit sorgen müssen. Es muss der einfache Grundsatz gelten, einmal auditiert, überall akzeptiert. Wir müssen ein Bewertungsschema für alle internationalen Standards schaffen, damit wir den Wert der einzelnen Standards für die Sicherheit von Lebensmitteln sichtbar machen können. Das ist Aufgabe der GFSI.

Wenn die Qualität der Handelsmarken vergleichbar ist mit der Marke, wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen Vertretern von Markenartiklern und dem IFS?
Tromp: Der direkte Kontakt ist gut, manchmal sogar sehr gut. Haribo zum Beispiel nutzt ausschließlich unseren Standard, statt zum Beispiel ISO 22000. Aber auch mit Branchenvertretern, wie z. B. der Milchwirtschaft tauschen wir uns partnerschaftlich aus. Wir wollen die IFS-Gremien für die Industrie öffnen und so die Zusammenarbeit auf ein noch festeres Fundament stellen.

Inwieweit können Lieferanten diesen Prozess mit gestalten?
Tromp: Schon beim Review-Prozess des aktuellen Standards 2006/2007 haben wir die Industrie befragt und gemeinsam 2009 eine Effizienzstudie erstellt. Es bestand und besteht also mittelbar die Möglichkeit, diesen Prozess mitzugestalten. Mitte des Jahres werden wir einen weiteren Review starten und dann die Industriefirmen einladen, aktiv mitzumachen. Bei der Food-Saftey-Konferenz am 17. und 18. März in Berlin werden wir darüber informieren.
Matern: Zudem können Lieferanten gegen ein nicht sachgerecht durchgeführtes Audit oder Fehlverhalten des Auditors vorgehen.


Wie weit reicht der internationale Arm des IFS?
Tromp: Der IFS wird mittlerweile in 90 Ländern auf allen Kontinenten angewendet, aber klar ist, dass wir in Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, der Schweiz, Spanien und Polen die größte Nachfrage verspüren. Wir haben gerade in den USA einen Repräsentanten eingestellt, weil jetzt auch Wal-Mart IFS von seinen Lieferanten verlangt. Mit den Qualitätsstandards KAT und GGE treiben wir die Zertifizierung von IFS in Asien voran. Zudem arbeiten wir in internationalen Gremien wie GFSI mit.
Was ist mit den Ländern Osteuropas: Manche Märkte wie in Tschechien sind schon weiter entwickelt, können also andere Standards erfüllen, andere Länder wie Bulgarien sind noch nicht weit.

Entsprechend fallen die Durchschnitts-Qualitäten schlechter aus. Wie schaffen Sie diesen Spagat?
Matern: Ohne Lieferantenbewertung zur Frage Lebensmittelsicherheit geht im Eigenmarkenbereich gar nichts. Das heißt aber auch, dass wir in Ländern, in denen IFS & Co. nicht verfügbar sind, eigene Lösungen zur Sicherung des Sicherheitsniveaus nutzen. Die Metro hat dazu in Kooperation mit dem IFS ein abgestuftes Auditierungsverfahren entwickelt, mit dem die Leistungsfähigkeit unserer Lieferanten überprüft wird, und dies als „pre assessment“ in eine volle Zertifizierung nach IFS verstanden werden muss. Diese muss dann spätestens nach drei Jahren vorgelegt werden. Wir sehen dabei aber weniger die Anwendung für Lieferanten aus Ungarn oder Bulgarien, als vielmehr aus Russland und der Ukraine oder Georgien. Am Ende darf aber jeder Kunde in jedem Land erwarten, dass in unseren Regalen sichere Produkte liegen, und dass wir alles getan haben, um diesem Anspruch gerecht zu werden.

Herr Matern, Sie haben den Vorsitz im Board der GFSI von Ihrem Wal-Mart-Kollegen J.P. Suarez übernommen, welche Prioritäten werden Sie setzen?
Matern: Neben der schon erwähnten Mess- und Bewertbarkeit der im GMNFSI zusammengefassten Standards werden wir uns intensiver um die Abbildung der gesamten vertikalen Wertschöpfungskette kümmern, das schließt die Zertifizierung der Vorlieferanten unserer Lieferanten mit ein. Die Sicherheit unserer Lebensmittel wird nicht allein auf den letzten Stufen, also im Handel oder beim Hersteller, tangiert. Als dritten großen Block gehen wir die Integration des gesamten verfügbaren Know-hows an, also von Wirtschaft, Wissenschaft, Überwachung und NGOs. Mit diesen drei Schwerpunkten gehe ich ins Rennen und ich weiß den Rest des Boards hinter mir.

Wann steht der Fahrplan?
Matern: Am 10. Februar ist die Geschäftsstelle des GFSI in Düsseldorf zu Gast. Dann werden wir erste Gespräche führen. Mitte März treffe ich mich mit Mitgliedern des Boards und mit meinem Kollegen von Carrefour. Auf den China-Food-Safety-Days im April wollen wir dann bereits die Roadmap grob skizzieren. IFS hat den HDE als „Elternteil“, wie hoch ist der Anteil der Lobby-Arbeit innerhalb des IFS?
Tromp: Für die Lobby-Arbeit gegenüber den Gesetzgebern ist der HDE als Interessenvertreter zuständig, was die Erstellung der Gesetzesvorlagen betrifft. Für die Umsetzung derselben in Richtung der Branche sind wir zuständig. Allerdings betreiben wir auch Werbung und Aufklärungsarbeit für den IFS innerhalb der Branche.

Wünschen Sie sich ein milderes Verbraucherschutzgesetz oder schärfere Kontrollen?
Matern: Ich gebe generell privaten Initiativen den Vorzug. Dann wird nicht um Mindeststandards geschachert, sondern der Markt und der Verbraucher regeln das. Innerhalb der EU und in Deutschland haben wir aber im Grunde einen ordentlichen Mix aus gesetzlichen Vorgaben und privaten Initiativen.
Tromp: Einzig mehr Rückhalt im öffentlichen Raum würde ich mir wünschen, wenn immer wieder mal vermeintliche Skandale losgetreten werden, etwa bei der Pestizidbelastung. Der Handel versucht, die Pestizidbelastung zu minimieren, weil der Verbraucher so wenig Belastung wie möglich wünscht. Ganz ohne geht es aber auch nicht, so dass hier öffentliche Unterstützung gegen ungerechtfertigte Angriffe von NGOs sehr zu begrüßen wäre.

Wie lange wird es dauern, bis der europäische Handel hinsichtlich Qualität und Lebensmittelsicherheit eine Sprache sprechen wird?
Matern: Fragen Sie mich nochmal, wenn ich bei GFSI abtrete. Aber ich bin sicher, dass wir dann ein großes Stück des Weges hinter uns haben werden.

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Das komplette Interview finden Sie unter www.lpvnet.de/handel.

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„Bewertungsschema für alle internationalen Standards.“Hans-Jürgen Matern