Hohe Inflation und stark gestiegene Preise in allen Lebensbereichen: Die Bundesbürger kaufen verstärkt im Discount ein, achten auf Angebote und Aktionen. Und kaufen weniger – auch Brot- und Backwaren. „Im Oktober liegen die Verbraucherpreise für Brot- und Backwaren gegenüber dem Jahresdurchschnittswert 2021 um 20,8 Prozent höher“, sagt Dr. Susanne Eichholz-Klein, Projektleiterin des Bereichs Market Insights beim Institut für Handelsforschung in Köln (IFH Köln), mit Blick auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Von Januar bis Oktober 2022 liegt die Steigerung bei 12 Prozent. Auf 10 Prozent Umsatzplus brachte es nach den Zahlen der neuesten Handelsstatistik der Einzelhandel mit Backwaren und Süßwaren im September 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum. „Das bedeutet aber ein reales Minus in der Menge“, sagt Eichholz-Klein. Es werde wirklich nur das gekauft, was aktuell benötigt wird, „Kunden kaufen überlegter“. Oder sie greifen zum günstigeren Weizen- statt zum Körnerbrötchen. Eine weitere Folge des häufigeren Einkaufs beim Discounter: „Discounter haben in der Regel keinen Bäcker in der Vorkassenzone, daher gewinnen derzeit die Backstationen“, sagt Eichholz-Klein. Laut Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) werden mittlerweile 37 Prozent der Backwaren beim Discounter gekauft.
Gelitten hat 2022 auch die Einkaufsfrequenz. 2021 gaben laut IFH Köln 47 Prozent der Bundesbürger an, mehrfach in der Woche Brot- und Backwaren zu kaufen. „Im Mai 2022 waren es 48 Prozent, im Oktober 2022 nur noch 40 Prozent“, sagt Eichholz-Klein. Dieser Trend werde sich fortsetzen: „Wir gehen davon aus, dass der Frequenzverlust stärker die Bäckereien betrifft. Die Konsumenten erledigen ihren Wocheneinkauf in einer ähnlichen Frequenz wie vorher, aber der zusätzliche Einkauf im Bäckerei-Fachhandel dürfte reduziert werden.“
„Die Vorkassenzone hat signifikant Volumen verloren“, sagt Steffen Göhringer. Er ist Director Marketing bei Aryzta Deutschland. „Der Volumenrückgang ist bei höherpreisigen Produkten stärker als bei niedrigpreisigen.“
„Die Preissensibilität der Kunden kann gegenwärtig zu Umsatzverschiebungen innerhalb eines Marktes führen“, bestätigt auch Pascal Hautecouverture, Leiter Geschäftsbereich Vertrieb & Marketing bei Wiesheu. Er sieht dennoch Chancen für regionale Bäcker, ihre Backwaren in SB im Markt anzubieten. Bei der Edeka Minden-Hannover „spüren wir derzeit bei Daniel’s und bei Schäfer’s keine Kaufzurückhaltung“, berichtet eine Unternehmenssprecherin. Sie nennt die laufende Anpassung des Sortiments und die neue Bio-Range als Gründe.
„Aktuell verzeichnen wir noch keine Änderung in der Kundenfrequenz, der Bon liegt etwa 5 Prozent über dem Vorjahreswert. Dies entspricht in etwa unseren Preisanpassungen“, sagt Sascha Kieninger, Geschäftsführer Wasgau Bäckerei GmbH und Metzgerei GmbH. Es gebe aber Verschiebungen innerhalb der Sortimente: „Auf der einen Seite kaufen Kunden bei Backwaren deutlich preissensibler ein, auf der anderen Seite haben wir ein überproportionales Wachstum im Snack-Gastrobereich und beim Kaffee.“
Für Marketing-Expertin Christina Köstler (Délifrance) zeichnet sich seit Mitte des Jahres der Trend ab, dass Kunden wieder zunehmend bereit sind, „trotz steigender Preise auf hochwertige Backwaren wie Bio-Produkte zuzugreifen“. Das Ende der Bedientheken für Brot- und Backwaren wollte keiner der von der LP Befragten einläuten: „Wir sind davon überzeugt, dass die Vorkassenzone ihre Berechtigung behalten wird, vor allem bei Standorten mit starkem Snack-Geschäft“, sagt etwa Pascal Hautecouverture (Wiesheu). Die Theke der Zukunft ist für Sascha Kieninger (Wasgau) „eine Kombination aus Bedien- und SB-Bäckerei“. Christina Köstler ist sich sicher: „Konsumenten, die den Kontakt, die Produktvielfalt oder die individuelle Qualität vieler Bedientheken schätzen, werden weiterhin dort einkaufen.“
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