Cactus Gründer-Touch

Im kleinen Luxemburg ist das Familien-Unternehmen eine Macht: Mit mehr als 31 Prozent Marktanteil ist Cactus der zweitgrößte Arbeitgeber im Land. Was den Händler so besonders und als „Lokalmatador“ erfolgreich macht.

Montag, 06. September 2010 - Management
Markus Oess

Nur knapp ein Jahr nach der Einführung besitzt jeder Haushalt des kleinen Landes, eine Cactus-Kundenkarte. Gleichwohl ist Tradition wichtig, sagt Laurent Schonckert, der als Geschäftsführer die Geschicke des Familien-Unternehmens lenkt. Warum, erklärt er im Interview mit der LEBENSMITTEL PRAXIS. Schonkert, der auch auf dem „Supermarkt des Jahres 2010“ (siehe Seite 17) sprechen wird, über Wachstums-Chancen und warum das Unternehmen weiterhin in Großflächen investiert.

Herr Schonkert, wie hat Luxemburg als Finanzplatz die Weltwirtschaftskrise erlebt?
Laurent Schonkert: In Luxemburg sind zwar 30.000 Menschen in der Finanzbranche beschäftigt, aber wir sind breiter aufgestellt als etwa Liechtenstein oder Monaco. Bislang konnte das Land dank ordentlichem Krisenmanagement den weltwirtschaftlichen Niedergang gut verkraften. Dennoch ist klar, die Krise ist in Teilen schon spürbar, die Arbeitslosigkeit wächst, und dies auf ein für Luxemburg beachtliches Niveau von 6,5 Prozent.

Was ist mit Cactus?
Wir sind nicht unzufrieden und haben unseren Umsatz mit 770 Mio. Euro auf Vorjahresniveau gehalten.

Und der Profit?
Bekanntlich veröffentlichen wir keine Gewinnzahlen. Aber ich versichere Ihnen, dass wir sehr ordentlich wirtschaften. Wir haben unsere Kosten im Griff, auch weil wir als Familien-Unternehmen generell mehr darauf achten, was wir für unser Geld bekommen.

Cactus ist der zweitgrößte Arbeitgeber im Land. Sicher ein Segen, wenn alles gut läuft, was aber, wenn Probleme auftauchen und Cactus unpopuläre Maßnahmen ergreifen müsste?
Wir arbeiten fortlaufend an unseren Kosten, auch an den Personalkosten. Unsere Mitarbeiter sind heute produktiver als noch vor fünf Jahren. Wir standen noch vor keinen betriebsbedingten Kündigungen und wollen das auch künftig vermeiden. Ganz abgesehen davon kommen Sie ganz automatisch an Grenzen. Wenn Sie dann weiter Personal abbauen, leidet zwangsläufig das Geschäft. Zurzeit sehen wir keinen Handlungsbedarf, aber wir arbeiten tagtäglich an der Optimierung unserer Personalkosten.

Was kaufen Belgier, Deutsche und Franzosen in Luxemburg noch außer Sprit, Alkohol und Tabak?
Sicher denkt jeder beim Einkaufstourismus an diese Dinge. Aber wir haben mehr zu bieten. Wir führen deutsche, französische und belgische Sortimente und verkaufen traditionell viel portugiesische Produkte. Des Weiteren haben wir auch ein breit gefächertes internationales Angebot. Wir haben uns mit den Jahren wesentliche Kompetenz hinsichtlich Frische, Qualität und Auswahl mit tiefen und breiten Sortimenten erworben, das ist in der Grenzregion bekannt.

Sind das gute Kunden, die zum Sparen herkommen?
Wir haben täglich 140.000 Grenzgänger, davon 70.000 Franzosen sowie je 35.000 aus Deutschland und Belgien. Wer bei uns einkauft, kommt nicht zum Sparen, sondern will qualitativ hochwertige Lebensmittel kaufen, erwartet unsere Auswahl und unseren Service. Mit ‚allein billig’ können wir nicht mithalten. Im Übrigen geht es uns auch darum, dass die Luxemburger nicht ihrerseits zur ausländischen Konkurrenz abwandern und das, denke ich, gelingt uns ganz gut.

Inwiefern spüren sie den Preisdruck aus dem grenznahen Ausland, vor allem natürlich Deutschland?
Der Preisdruck ist sicher da und lässt auch die Bedeutung des Preises wachsen. Luxemburg ist schließlich keine Insel. Die Großen wie Auchan, Cora, Match, vor allem Delhaize sind im Markt präsent, auch Aldi, Lidl und Schlecker. Also müssen wir bei den Einkaufspreisen wachsam sein. Wir kooperieren mit Rewe, Dohle bei Standardware sowie der Hagebau-Gruppe im Baumarktbereich. Dazu kommt noch eine Kooperation im Preiseinstiegssortiment Winny mit der belgischen Bloc.


 Wird es langsam enger für Cactus?
Sicher sind wir auf gute Einkaufskonditionen angewiesen. Aber Größe und niedrige Preise allein sind noch lange keine Erfolgsgarantie, wie in Deutschland zuletzt Wal-Mart eindrucksvoll bewiesen hat. Wir sind näher an den Kunden, wissen, was sie wollen und können deutlich flexibler und schneller reagieren. Wir haben ein klares Profil, jeder Luxemburger weiß, was ihn bei uns erwartet. Sehen Sie, innerhalb eines Jahres seit Start unseres Bonus-Programms ist es uns gelungen, 190.000 Kunden-Karten zu verteilen, in etwa so viel wie es Haushalte in Luxemburg gibt. Das spricht, denke ich, für die hohe Akzeptanz von Cactus.

Mit welchen Erwartungen sind Sie ins neue Jahr gestartet?
Die ersten beiden Monate waren durch das kalte Wetter geprägt. Ich denke aber, dass wir in Summe unser Vorjahresniveau halten oder sogar leicht verbessern können.

Sie wollten von 2009 bis 2011 ca. 200 Mio. Euro in die Standorte investieren, bleibt es dabei?
Ja, an unseren Investitionsplänen werden wir festhalten. So werden wir hier am Belle-Etoile die Mall vergrößern und planen in Esch-Lallingen ein drittes Einkaufszentrum, einen weiteren Supermarkt in Windhof und einen Ersatzstandort in Redange sowie zwei Shoppi-Geschäfte. Zudem wollen wir die Produktion von Schnékert, unserem Fine-Food-Angebot, erweitern.

Der größte Batzen, 100 Mio. Euro, fließt in das Einkaufszentrum Esch-Lallingen, wann planen Sie die Eröffnung?
Das hängt von den Behörden ab, wann wir mit dem Bau beginnen können. Wir mussten zunächst unseren Baumarkt dort abreißen, um Platz zu bekommen für das neue Objekt. Mitte 2013 soll es so weit sein.

Dennoch die Frage, wenn man auf die aktuellen Entwicklungen schaut, hat sich die Großfläche überlebt?
Das ist in Frankreich ein großes Thema, hier aber noch nicht. Unsere Stärke ist, dass wir alle Größen beherrschen, von der Großfläche wie Belle-Etoile bis zu den kleinen Nachbarschaftsmärkten und der wohnortnahen Versorgung wie die neueste Generation, der C-Marchés in Schifflingen zeigt. Die Tatsache aber, dass wir allein 40 Prozent unseres Umsatzes mit unseren beiden Einkaufszentren machen, zeigt, dass die Großfläche sich nicht überlebt hat.

Wie positioniert sich Cactus auf der Großfläche?
In Belle-Etoile haben wir insgesamt 15.000 qm Verkaufsfläche für Lebensmittel, Consumer-Electronics, Baumarkt und Gartencenter. Wir bieten eine Mischung aus Warenhaus und Hypermarkt mit 100.000 Artikeln. Wir verfügen über ein gewachsenes, individuell auf den Standort zugeschnittenes Sortiment mit dem catcus-typischen Auftritt: freundlich service-orientiert und kompetent. Wir bewahren uns ein Stück Gründer-Touch und das seit mehr als 40 Jahren. Richtig ist aber auch, dass Sie den richtigen Standort für die Großfläche benötigen.

Haben die Supermärkte bis 1.000 qm nicht bessere Wachstums-Chancen?
Luxemburg erlebt, wie andere westliche Volkswirtschaften auch, einen demografischen Wandel, der das Wachstum größerer Flächen nachfragebestimmt limitiert. Wir haben gleichzeitig exorbitant hohe Grundstückspreise, da haben kleinere Flächen zwangsläufig bessere Entwicklungs-Chancen, zumal in diesem Segment noch mehr Freiräume bestehen. Hier sind wir mit unseren C-Marchés (1.000 qm Verkaufsfläche, nur SB, wohnortnah) und den neuen Convenience-Stores Shoppi ganz gut aufgestellt.

Luxemburg ist ein gesättigter Markt, wie schaffen Sie es, die teils mächtige Konkurrenz aus dem Ausland auf Distanz zu halten?
Schon vor zehn, fünfzehn Jahren galt der Markt in Luxemburg als gesättigt, wir aber sind glücklicherweise auch mit dem wirtschaftlichen Wohlstand im Land gewachsen. Sicher ist der Kuchen verteilt. Aber er ist absolut betrachtet größer geworden. Davon haben wir profitiert und ich sehe keinen Grund, allzu pessimistisch in die Zukunft zu schauen. Was die Konkurrenz betrifft, gilt das Gesagte. Wir sind schnell, flexibel und kennen unsere Kunden sehr genau.

Was heißt in diesem Zusammenhang Regionalität?
Wir achten darauf, unsere Lieferanten einzubinden, die regionale Wirtschaft zu stärken, als Arbeitgeber und als Abnehmer. Wir haben die Regionalität nicht erfunden, aber wir füllen Sie mit Glaubwürdigkeit aus. So haben wir seit zehn Jahren eine Kooperation mit Bauern aus der Region, die uns mit Rindfleisch beliefern. Wir sind verlässlicher Partner für die Erzeuger von Lebensmitteln, geben den Erzeugern in unserer Werbung ein Gesicht und heben uns damit von dem Massenmarkt ab.

Welche Zukunft hat der Discounter im Land, in der Krise legt diese Vertriebsform gemeinhin zu?
Aldi ist traditionell stark. Auch Lidl zeigt Präsenz. Andererseits kommt Colruyt, der auf seinem Heimatmarkt in Belgien der Konkurrenz das Fürchten lehrt, auch nicht voran und betreibt noch immer nur einen Standort. Sicher legen die Discounter zu, aber sie werden nicht die Bedeutung erlangen wie in Deutschland.


 Wie sehen Ihre Antworten darauf aus?
Wir haben mit Winny auch ein Preiseinstiegssortiment mit 300 bis 400 Artikeln. Wir können aber nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Unsere Stärken sind Qualität, Service und Auswahl. Die wollen wir ausspielen. Wenn wir gegen die Discounter auf ihrem Spielfeld antreten, haben, wir schon verloren.

Was macht Cactus so besonders, das Unternehmen ist recht vielfältig, Baumärkte, CD-Shop, Consumer Electronic?
Vielleicht der unternehmerische Instinkt, das Bauchgefühl, das wir über die Jahre als „Local Player“ entwickelt haben. Aber um das auch klar zu sagen: Wir machen immer noch 75 Prozent unseres Umsatzes mit Lebensmitteln. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Die Nonfood-Geschäfte wie etwa der CD-Laden sind im Laufe der Jahre evolutionär dazugekommen. Wir forcieren das aber nicht, niedrigere Spannen und ein langsamerer Umschlag sprechen dagegen. Wir sind Lebensmittelhändler und werden es bleiben.

Wie ist es für Sie, ein Familienunternehmen zu führen, sind die Entscheidungswege kürzer?
Ich habe noch für kein börsennotiertes Unternehmen gearbeitet, da fehlt mir also der Vergleich. Ich denke, grundsätzlich sind die Wege kürzer, fallen Entscheidungen schneller. Aber das ist sicher nicht immer der Fall. Wenn aber eine Entscheidung gefallen ist, wird nicht mehr so schnell zurückgerudert.

Wohin wird sich Cactus als Händler entwickeln müssen, um auch künftig Bestand zu haben?
Wir bleiben Lebensmittelhändler mit einer starken regionalen Bindung, ein Unternehmen, das international ein Zwerg, regional aber ein Riese ist. Es wird keine Revolution geben. Aber wir werden uns natürlich stetig weiterentwickeln. Wir sind zum Beispiel in Luxemburg der einzige Lebensmittelhändler, der Prepaid-Karten verkauft. Das ist für sich betrachtet keine Sensation, aber es zeigt, dass wir neue Felder nachhaltig besetzen können.

Wäre ein Einstieg eines Investors oder Bündnispartners denkbar?
Das müssen Sie schon die Inhaber fragen. Im Ernst, wir sind wirtschaftlich gesund und haben in den kommenden Jahren noch Vieles vor – ohne „fremde“ Hilfe.

Laurent Schonckert,  Geschäftsführer Cactus S.A.

{tab=Zum Interview}

Name: Laurent Schonckert Job: Geschäftsführer Cactus S.A. und Vizepräsident der Confédération Luxembourgeoise du Commerce
Unternehmen: Cactus S.A.
Geschichte: 1900 Eröffnung eines Lebensmittelgeschäfts durch Joseph Leesch
1930 Erste Kaffeerösterei „Leesch“ in der Rue de Strasbourg in Luxemburg-Stadt 1962 Eröffnung des ersten Selbstbedienungsladens
1966 Eröffnung des ersten Bruno-Geschäfts (Kaffee-
spezialitäten)
1967 Erster Supermarkt
unter Cactus.
1974 Eröffnung des ersten Cactus-Einkaufszentrums
„Belle Etoile“ in Bertrange
1996 Konzept der drei Cactus-Supermärkte mit
unterschiedlicher Größe und Preispolitik: Super Cactus (Großfläche), Cactus (Supermärkte), Cactus Marché (Nachbarschaftsmärkte)
2008 Cactus Shoppi: Minimärkte an Tankstellen

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Konzentriert: Cactus macht ca. 40 Prozent des Umsatzes mit seinen beiden Shopping-Centern. La Belle Etoile wurde 1974 eröffnet. „Wir halten an unseren Investitionen fest.“

Marktkonzentration
Luxemburg hat eine Bevölkerung von rund 493.000 Menschen (davon sind etwa 30 Prozent Ausländer). Die Portugiesen stellen mit einem Anteil von 13 Prozent die größte ausländische Bevölkerungsgruppe. Mit einer Fläche von 2.586 km² ist das letzte Großherzogtum der Welt der zweitkleinste Staat der Europäischen Union.

Das Sozialprodukt des Landes bewegt sich bei 35,5 Mrd. Euro. Der Einzelhandel kommt in dem Land auf einen Netto-Umsatz von etwas mehr als 5 Mrd. Euro. Der Lebensmittelhandel ist nach den Erhebungen von Planet Retail hochkonzentriert, wobei drei Unternehmen den Löwenanteil des Geschäftes auf sich vereinen: Cactus, die französisch-belgische Cora/Luis Delhaize und Auchan mit zwei Hypermärkten.

Auch Aldi und Lidl sind im Land. Colruyt hat einen Standort. Cactus betreibt unter anderem zwei Einkaufszentren, zehn Super Cactus (2.000 bis 5.000 qm VKF), sieben Hobbi-Baumärkte sowie einen CD-Shop und verschiedene Produktionsbetriebe. Während die Wirtschaftskrise eher auf den Nonfood-Handel durchschlägt, erwartet Planet Retail für den Lebensmittelhandel mit einem Netto-Branchenumsatz von etwa 1,79 Mrd. Euro im vergangenen Jahr auch in den nächsten Jahren eher ein Wachstum. Gleichwohl bleibt die Herausforderung, dass Lebensmittel in den angrenzenden Ländern Belgien, Frankreich und Deutschland billiger verkauft werden.

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