Smart Stores Kassenfreie Zukunft

Die Schwarz-Gruppe testet in Heilbronn parallel zwei verschiedene kassenlose Shop-Modelle. Das ist die Zukunft mit viel Freiraum für weitere Ideen und unterschiedlichste Ausprägungen.

Montag, 12. April 2021, 08:24 Uhr
Dieter Druck
Artikelbild Kassenfreie Zukunft
Bildquelle: Schwarz Gruppe, Volker Schrank

Einkaufen rund um die Uhr und einfach gehen. Registriert und kassiert wird per App. Das sind die Parameter des zukunftsorientierten Lebensmitteleinkaufs. Und das Thema zeigt eine enorme Dynamik, wie Prof. Dr. Stephan Rüschen, DHBW Heilbronn, Studiengangsleiter BWL-Handel, im Rahmen der Retail Innovation Days konstatierte. Er zählte im März 26 Smart-Store-Konzepte (24/7) in Europa, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, davon 18 in Deutschland. Und das mit einem ungeheuren Expansionsdrang, den die Referenten der Special Edition „Smart Stores (24/7) – Konzepte und erste Erfahrungen“ in Heilbronn bestätigten.

Zwei neue Smart-Module hat die Schwarz-Gruppe jetzt auf dem Bildungscampus der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn gleichzeitig ans Netz gebracht: die Shopbox und die Collectbox. Wie Andreas Laube, Gesamtprojektleiter Schwarz IT, betont, handelt es sich hierbei um Forschungs- und Entwicklungsprojekte ohne Anspruch auf eine mögliche Vervielfältigung. Also noch nichts für Lidl und Kaufland. Die Shopbox ist ein begehbarer Mini-Markt mit 35 Quadratmeter Verkaufsfläche und vergleichbar dem Amazon-go-Konzept, bei dem sich via App und QR-Code für die Kunden die Türen öffnen. Die Waren, rund 250 Artikel, werden „klassisch“ in Regalen sowie Kühl- und TK-Möbeln präsentiert. Ein System von Deckenkameras, Bewegungs- und Gewichtssensoren in den Regalböden registriert die Warenentnahme und checkt gleichzeitig die Warenverfügbarkeit. Bezahlt wird kontaktlos über die „shop.box“-App. To go, Frische, Snacken sind die prägenden Merkmale in den Sortimenten. Die wurden zusammen mit den Studierenden entwickelt und werden sicherlich mit Wiederaufnahme eines Normalbetriebs auf dem jetzt nahezu menschenleeren Campus nachjustiert.

Direkt nebenan steht die Collectbox, angekündigt als „Warenausgabeautomat der nächsten Generation“. Die „collect.box“-App ermöglicht, die Einkäufe auf dem Smartphone zusammenzustellen und am Terminal abzuholen. Ebenso können Kunden über einen Touchscreen in der Collectbox direkt Artikel auswählen, die dann über einen Ausgabeschacht bei ihnen ankommen. Den warenwirtschaftlichen Background bildet ein vollautomatisches Hochregallager mit einer Kapazität zwischen 2.000 und 3.000 Artikeln. Die gewünschten bringt ein Roboter zum Ausgabe-Modul, dem man bei der Arbeit auf die Greifarme schauen kann.
Vorerst können nur Studierende und Mitarbeiter des Campus beide Boxen nutzen. Die Sortimente sind ausgerichtet auf die Verpflegung vor Ort und „die nächste Mahlzeit“, also abends noch für das Frühstück einkaufen. Erstellt wurden die Anlagen vom Schwarz Campus Service. Der Betrieb wird von den Schwarz Restaurantbetrieben übernommen.

Das digitale Dorf von morgen
Eine total andere digitale Welt eröffnet sich dem Kunden im thüringischen Altengottern. Dort, etwa 50 Kilometer nordwestlich von Erfurt, steht der bislang einzige Emma’s Tag- und Nachtmarkt. Er ist der erste speziell konzipierte Markt für kleinere Gemeinden in Deutschland, der 24 Stunden von Montag bis Sonntag geöffnet hat. „Wir definieren uns als digitale Infrastrukturplattform für den ländlichen Raum“, erklärt Erwin Kuglmeier, Bereichsleiter Vertrieb. Altengottern ist ein knallharter Standort für die ersten Schritte. Ein Dorf mit rund 1.000 Einwohnern, meist älter, teils mit eingeschränkter Mobilität und das in einer strukturschwachen Region, aber trotzdem noch in Reichweite der bekannten Discounter. Aber die Akzeptanz ist offensichtlich. 80 Prozent der Altengotterner Haushalte haben eine Kundenkarte, die mit PIN-Eingabe den Zutritt in den 100-Quadratmeter-Markt freigibt.

Rund 1.200 Artikel stehen zur Auswahl, aber aus dem Selbstverständnis heraus keine alkoholischen Getränke und keine Tabakwaren. Frischware wie beispielsweise Obst und Gemüse werden nur verpackt verkauft. Derzeit läuft ein Testverkauf von gemischten Obst- und Gemüsekisten an. Auch eine Café-Station gibt es. Bezogen wird die Ware überwiegend über die Edeka, aber immer mehr regionale beziehungsweise lokale Anbieter finden im Tag- und Nachtmarkt ihren Platz. Beispielsweise der Bäcker mit eigenem Laden im Dorf oder der Metzger, der mit Verkaufsfahrzeugen unterwegs ist.

Den Einkauf scannen die Kunden selbst und zahlen beispielsweise mit EC-Karte. RFID-Technik unterstützt Verkauf, Kontrolle und Warenwirtschaft, ebenso KI und Videoüberwachung. Besondere Services sind kostenloses WLAN, eine E-Ladesäule, eine freie Pack- und Abholstation sowie ein Lieferdienst, inklusive Getränke, im Umkreis von etwa 20 Kilometern. Aber es besteht auch überregionales Interesse. Anfragen von Gemeinden aus ganz Deutschland gehen ein, wie Kuglmeier hervorhebt.