Aktuelles aus Berlin Sonntags nie?

Nach Gerichtsentscheiden in mehreren Bundesländern gegen bereits genehmigte verkaufsoffene Sonntag wird die öffentliche Diskussion wieder heftiger. Der Handel fordert vor allem Planungssicherheit.

Freitag, 09. Oktober 2020 - Management
Andrea Kurtz
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Bildquelle: Creativ Collection

Notfalls müsse das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Das will jedenfalls der Handelsverband Deutschland (HDE). „Wir sind entschlossen, Verfassungsbeschwerde einzureichen, um Rechtsklarheit zu bekommen“, sagte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser. Das könnte noch 2020 der Fall sein, meint er.

Hintergrund sind Gerichtsentscheidungen auf Landesebene, die aus Sicht des Verbands den rechtlichen Rahmen zu eng auslegen und geplante Sonntagsöffnungen untersagen – gerade in der Corona-Krise. Denn da entfielen oft die notwendigen Anlässe, etwa Messen und Volksfeste.

Beispiele: Berlin, NRW, Leipzig
So untersagte das Verwaltungsgericht Berlin zwei verkaufsoffene Sonntage (4. Oktober: Fest zu 30 Jahren Wiedervereinigung; 8. November: unter anderem das Jazz-Fest). Trotzdem hatte der Senat im August die beiden Sonntage für den Verkauf freigeben, am 8. November auch wegen der Schließung des Flughafens Tegel und der Berlin Science Week.

Dagegen wandte sich die Gewerkschaft Verdi und bekam nun Recht. Auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat in einem Fall die Kommunalaufsicht eingeschaltet. Die Stadt Bünde hatte von Anfang September bis Ende November vier verkaufsoffene Sonntage beschlossen. Die Gewerkschaft Verdi geht dagegen – wie auch gegen geplante Öffnungen in anderen Städten in Nordrhein-Westfalen – mit Klagen vor. Das NRW-Wirtschaftsministerium hatte im Sommer per Erlass vier verkaufsoffene Sonntage bis Ende des Jahres 2020 erlaubt. Zuletzt hatte auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entsprechend entschieden und hohe Hürden für eine Sonntagsöffnung bekräftigt.

Anlassbezug streichen
Der HDE setzt sich deswegen dafür ein, den Anlassbezug zu streichen. „Die zahlreichen kurzfristigen Absagen von bereits genehmigten Sonntagsöffnungen in der ganzen Republik sind für die Händler in der aktuellen Lage kaum zu verkraften“, so Stefan Genth, der Hauptgeschäftsführer des HDE. Im Übrigen werde die Sonntagsöffnung in keinem anderen europäischen Land – außer der Schweiz – derart beschränkt wie in Deutschland, ergänzt HDE-Präsident Sanktjohanser.

Verdi und die Doppelmoral
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat davor gewarnt, den Sonntag zum Arbeitstag zu erklären. Dieser Eingriff in das Grundgesetz würde weitreichende gesellschaftspolitische Folgen haben. „Sonntagsöffnungen ohne Anlassbezug sind ein trojanisches Pferd“, erklärte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Sie vernichteten Arbeitsplätze in mittelständischen Betrieben und zwängen über kurz oder lang auch andere Branchen, Sonntagsarbeit einzuführen. Gewinner seien lediglich die weltweiten Player wie Amazon und Co. Damit nicht genug, die Gewerkschaft wirft dem HDE vor, die Corona-Krise zu nutzen, um Deutschlands höchste Gerichte zu kritisieren und einseitige Interessen bundes- und weltweit agierender Handelskonzerne durchzusetzen. Nutzenberger erläutert: „Die fallen meist dadurch auf, dass sie ihren Beschäftigten den Tariflohn vorenthalten und zum Teil in Deutschland Steuern vermeiden.“

Rechtssicherheit schaffen
„Mit der Senatsverwaltung hatten wir sorgfältig geprüft, welche landesweiten Sonntagsöffnungen auch in der Corona-Krise gesetzeskonform möglich sind“, entgegnet so Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg (HBB): „Die volle Zahl wurde dabei bewusst nicht ausgeschöpft. Das Verdi nun auch noch die verbliebenen Herbstsonntage beklagt, ist auch angesichts der prekären Lage des innerstädtischen Handels ein Skandal!“ In allen relevanten politischen Runden sei kein konstruktiver Beitrag der Gewerkschaft zur Stabilisierung der Lage des Handels auf den Tisch gekommen, stets nur das Beschwören alter Zustände und Positionen. „Am Morgen vor Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filialen für den Erhalt der Standorte trillern und am Abend per Gerichtsbeschluss lebensnotwendige Umsätze verhindern, das ist Ausdruck einer Doppelmoral!“, ergänzt Björn Fromm, HBB-Präsident. „Beschäftigung wird durch Umsätze gesichert und nicht mit lautstarken Parolen.“

Die FDP unterstützt den Einzelhandel bei der nötigen Präzisierung im Grundgesetz. Der Berichterstatter der FDP-Bundestagsfraktion für den Einzelhandel, Manfred Todtenhausen aus Wuppertal, setzt sich für die Forderung des Einzelhandels ein, endlich für Rechtssicherheit bei der Öffnung von Geschäften an bestimmten Sonntagnachmittagen zu sorgen: „Besonders in diesem Jahr brauchen Geschäfte, die wie der Textilhandel besonders unter den Corona-Schließungen gelitten haben, Anreize für den Kauf in der City. Dazu kann die Sonntagsöffnung auch ohne Anlassbezug dienen.“ Die Verdi klage, schwäche die Position des stationären Einzelhandels in einer für ihn dramatischen Phase.

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