Karriere Jetzt noch Azubis gewinnen!

Sie haben Ihre Ausbildungsstellen für diesen Herbst noch nicht besetzt? Dann ist Eile geboten – wir haben die wichtigsten Tipps für erfolgreiches Recruiting! Wie Handel und Industrie aktiv und digital nach den Future-Champions suchen, schildern Heidrun Mittler, Sonja Plachetta und Markus Wörmann.

Mittwoch, 27. Mai 2020 - Management
Markus Wörmann, Heidrun Mittler, Sonja Plachetta
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Bildquelle: Getty Images

Wer in den Personalabteilungen eines Lebensmittelhändlers arbeitet, hat seit Ausbruch der Pandemie keine ruhige Minute mehr gehabt. Aber neue Azubis für den Herbst einstellen? Das stand in den letzten turbulenten Wochen nicht im Fokus. Doch jetzt, wo sich das Frühjahr Richtung Sommer neigt, beschleicht so manchen Kaufmann das ungute Gefühl, etwas versäumt zu haben. So äußert eine Ausbilderin die Befürchtung: „Wer jetzt seine Lehrstellen noch nicht besetzt hat, guckt in die Röhre. Denn die guten Schüler sind längst vom Markt“.

Wie gut, wenn die Personalverantwortlichen mit den digitalen Werkzeugen umgehen können. Manuela Hemel, HR-Expertin Employer Branding für die Rewe Group in Köln, berichtet positiv von den aktuellen Recruiting-Maßnahmen. Persönliche Gespräche, schildert sie, werden in den meisten Fällen durch Telefon- oder Videogespräche ersetzt. „Unsere Erfahrungen damit sind sehr gut – Führungskräfte und Bewerber sind dankbar für diese Möglichkeit und schätzen gerade bei den Videogesprächen, dass sie zumindest ähnlich wie bei einem persönlichen Gespräch das Gesicht des Gesprächspartners sehen.“

Zudem hätten einige Regionalniederlassungen eine regelmäßige Online-Sprechstunde für Schüler und potenzielle Bewerber eingeführt. „Diese wurde über bestehende Schulkontakte beworben und werden sehr gut angenommen“, schildert die HR-Fachfrau ihre Erfahrungen.

Die Probezeit gibt Sicherheit
René Klauer, Geschäftsleiter des Globus-Marktes in Halle/Saale, ist trotz der coronabedingten Einschränkungen zuversichtlich, fünf Auszubildende einstellen zu können. Interviews würden derzeit per Video oder telefonisch geführt. Sorgen, dass das nicht ausreicht für einen guten Eindruck vom neuen Mitarbeiter, hat er nicht: „Das persönliche Gespräch ist zwar unschlagbar, aber es gibt die Probezeit, die für beide Seiten gilt.“

Dirk Thärichen, Vorstandssprecher von Konsum Leipzig, sieht sogar Chancen, dass sich die Bewerberlage im Lebensmittelhandel verbessern könnte. „Die Verkäufer haben in den vergangenen Wochen viel Wertschätzung erfahren, das könnte das Ansehen des Berufs erhöhen“, hofft er. Zudem hätten viele Menschen, die selbst in Kurzarbeit mussten, gesehen, dass die Branche krisenfest sei. Mehr noch: Auch Konsum Leipzig hat den Mitarbeitern eine Prämie gezahlt. Vielleicht ein Argument für Suchende, sich dort zu bewerben.

Der Handel ist krisenfest
Grundsätzlich steigt seit Ausbruch der Pandemie bei angehenden Azubis die Zukunftsangst. 59 Prozent aller Bewerber haben Befürchtungen, dass sie aufgrund der Corona-Krise keinen Ausbildungsplatz bekommen, geht aus einer Erhebung hervor. Bereits acht Prozent haben einen schon zugesagten Ausbildungsplatz verloren, bei mehr als der Hälfte (56 Prozent) verzögern sich die Prozesse. „Wir erleben eine hohe Verunsicherung bei den Ausbildungssuchenden“, so Felix von Zittwitz, Executive Director bei Ausbildung.de. Schon in normalen Zeiten sei die Ausbildungssuche ein hochemotionaler und mit vielen Fragen behafteter Prozess – und die Sorgen und Ängste potenzierten sich gerade. „Hier sind die Ausbildungsbetriebe gefragt, Bewerbern nun Unsicherheiten zu nehmen und klar zu sagen: „Ja, wir bilden nach wie vor aus“, meint von Zittwitz.

Einige Bewerber berichten davon, dass sie seit März praktisch nichts mehr von den ausschreibenden Unternehmen gehört haben. „Verständlich, denn viele Betriebe wissen ja gar nicht, ob, und wenn ja, wie es denn nach der Corona-Zeit weitergehen wird“, glaubt Ausbildungsberaterin Jutta Mohamed Ali. Da gingen viele Ausbildungsbetriebe momentan lieber nicht das Risiko ein, Azubis zum ersten August oder ersten September einzustellen.

Tobias Metten, Inhaber und Geschäftsführer des gleichnamigen Fleischwarenherstellers in Finnentrop, ist noch auf der Suche nach Nachwuchskräften. Für ihn ist dabei das persönliche Treffen trotz Corona wichtig: „Der Einstellungstest sowie das Probearbeiten könnten bei uns auf jeden Fall wieder stattfinden, wir sind von den Hygiene-Anforderungen her natürlich darauf eingerichtet.“ Insgesamt hofft er dieses Jahr auf sechs bis acht Azubis. Bei den kaufmännischen waren die beiden Plätze schon Ende 2019 vergeben. Anders ist die Lage bei den gewerblichen Azubis, die Metten zum Beispiel als Metzger, zur Fachkraft für Lebensmitteltechnik oder zum Maschinen- und Anlagenführer ausbildet. „Da kommen die Bewerbungen oft erst gegen Ende des Schuljahres und wir haben aktuell noch drei Plätze frei. Wir hoffen, dass in den nächsten Wochen noch Interessenten auf uns zukommen“, wünscht sich Metten.

Corona verändert Berufswünsche
Das Finden von Azubis ist für die Betriebe einfacher, die im Recruiting mit der Zeit gegangen sind, findet Jutta Mohamed Ali. Die Bewerbungsgespräche zu organisieren sei dabei noch die leichteste Übung. Zahlreiche Online-Plattformen machen Vorstellungsgespräche auch mit mehreren Personen kontaktfrei möglich.

Corona hat auch die Berufswünsche der jungen Leute sowie die Berufs-Images verändert, wie eine Umfrage von Ausbildung.de ergab. So setzen sich Bewerber jetzt mehr mit den so genannten systemrelevanten Berufen auseinander, also jenen, die gerade in Krisensituationen unverzichtbar sind. Dieses positive Image könnten die Ausbildungsbetriebe der Lebensmittelherstellung sowie des Handels jetzt für sich nutzen.