Händler zum Thema Tierwohl Nicht nur reden, sondern handeln

Ob Politiker, Tierschützer, Landwirte, Händler oder Verbraucher – über Tierwohl wird heiß diskutiert. Aber wie groß ist das Interesse der Kunden tatsächlich? Und wie greifen die Händler das Thema auf? Die LP hat sich bei Händlern umgehört.

Donnerstag, 20. Februar 2020 - Management
Hedda Thielking
Artikelbild Nicht nur reden, sondern handeln
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Erwin Schraut, Fleischabteilungsleiter Edeka Kolb, Volkach
„Das Thema Tierwohl wird von den Medien aufgeblasen, die Realität ist aber eine andere. Unsere Kunden fragen selten danach. Auch wir bieten viele regionale Produkte wie Fleisch aus dem Frankenland an. Es stammt zum Teil von kleineren Höfen, die nur 15 Kilometer von unserem Markt entfernt sind. Dieses Fleisch ist im Einkauf zwar rund 1,50 Euro teurer, dafür ist der Qualitätsunterschied zur Massenware enorm. Doch die meisten Kunden achten beim Einkauf nicht auf die Qualität, sondern nur auf den Preis.

Ich hoffe einfach, dass die Kunden – was das Thema Tierwohl angeht – sensibler und auch qualitätsbewusster werden. Hilfreich wäre es, wenn wir die Erzeugung unserer Lebensmittel noch transparenter machen können. Doch das ist nicht so einfach. Auch wenn ich weiß; von welchen fränkischen Betrieben das Fleisch kommt, weiß ich nicht wie der Landwirt tatsächlich produziert, da ich den Betrieb nicht kenne und die Aufzucht der Tiere nicht gesehen habe. Deswegen kann ich darüber keine Auskunft geben. Ich kann meinen Kunden ja keine Märchen erzählen, das fällt mir sonst auf die Füße“.

Bei den Produkten mit dem Logo der Tierwohl-Initiative, an der sich ja auch die Edeka beteiligt, handelt es sich hauptsächlich um SB-Ware. Wir bekamen dazu zwar einen Flyer, aber keine Schulung. Der große Hype um diese Produkte blieb aus. Auch wir Mitarbeiter brauchen generell mehr Hintergrundinformationen über die landwirtschaftlichen Betriebe in der Region, damit wir die Kunden für das Thema Tierwohl sensibilisieren können.

Franziska Schneider, Marktleiterin Frida-Markt, Dresden, Tolkewitzer Straße
„Bei uns ist Tierwohl ein großes Thema. Viele Kunden erkundigen sich nach der Herkunft und vor allem nach der Aufzucht der Tiere. Sie wollen zum Beispiel wissen, ob die Tiere Auslauf hatten beziehungsweise ob das Fleisch von glücklichen Tieren stammt. Unsere Kunden sind stark mit ihrer Region verbunden. Deshalb versuchen wir soweit es möglich ist, das Fleisch aus Sachsen oder aus der näheren Umgebung zu beziehen. Hier spielt unter anderem das Schweine- und Rindfleisch der Regionalmarke „Sachsenglück“ eine wichtige Rolle. Das Fleisch stammt von ausgewählten Betrieben, die viele Kriterien erfüllt müssen. Wir beobachten, dass unsere Stammkunden – was den Fleischkonsum betrifft – etwas bewusster geworden sind. Viele kaufen nur noch zweimal in der Woche aber dafür hochwertigeres Fleisch ein. Ihnen genügt es, zu wissen, dass es aus Sachsen stammt. Dagegen möchten zurzeit viele Kunden wissen, ob das Fleisch im SB-Bereich mit Wasser gespritzt sei, damit es schwerer und somit auch teurer wird. Diese Frage können wir getrost verneinen. Auf die unterschiedlichen Tierwohl-Siegel im SB-Bereich achten unsere Kunden kaum. Diese Auslobungen sind bei ihnen offenbar noch nicht richtig angekommen. Perspektivisch glaube ich, dass sich der Trend zum bewussteren Fleischkonsum fortsetzen wird. Für unsere Kunden geht Qualität vor Quantität.“

Lothar Olbrück, Metzgermeister Rewe Schäfer, Niederkassel
„Was das Thema Tierwohl angeht; ticken wir völlig anders. Wir leben das; wovon andere sprechen. Da wir dem Tier so wenig Stress wie nötig aufbürden möchten, arbeiten wir mit Landwirten, Metzgereien und Schlachtbetrieben zusammen, die danach handeln. 100 Prozent unseres Rind- und Schweinefleisches stammen ausschließlich von Tieren aus der Region. Es wird nichts zugekauft. Die Tiere werden mit hofeigenem Futter gefüttert. Das Rindfleisch beziehen wir von einem Betrieb, der circa 40 Kilometer von unserem Markt entfernt liegt. Es handelt sich ausschließlich um die ursprüngliche Limousinrasse. Die Landschweine unserer Eigenmarke „Erwin’s“ (benannt nach dem Seniorchef) haben einen Transportweg von zehn Kilometern zum Schlachthof. Frische und kurze Wege sind uns hoch und heilig. Das muss der Kunde auf dem Teller merken. Wir kennen jeden Betrieb persönlich und wissen, wie die Tiere dort gehalten werden. Die Schweine haben keine kupierten Schwänze sowie ausreichend Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten im Stall. Sie werden mit sechs bis neun Monaten und nicht wie sonst üblich mit vier Monaten geschlachtet. Wir erzielen nur eine gute Fleischqualität, wenn die Landwirte gut mit den Tieren umgehen, wenn ihnen die Arbeit Spaß macht und sie vernünftige Preise bekommen. Die Kunden zahlen für unsere Produkte durchschnittlich 10 bis 15 Prozent mehr als bei einem Anbieter mit Standardsortiment. Bei unserem Fleisch und den selbst hergestellten Fleisch- und Wursterzeugnissen der Eigenmarke Erwin’s Manufaktur vertrauen Kunden darauf, dass sie bei uns beste Fleischqualität unter dem Tierwohlaspekt bekommen.“

Josef Stenten, Inhaber Rewe Stenten, Aachen
„Es wird viel um das Thema Tierwohl geredet, aber noch nicht konsequent gehandelt. Tierwohl ist in den Köpfen der Kunden noch nicht angekommen. Wir bieten zum Beispiel Eier der Rewe-Eigenmarke Spitz & Bube Eier an. Sie stammen von Legehennen ohne gekürzten Schnabel und die männlichen Küken werden nicht geschreddert, sondern aufgezogen. Die meisten Kunden sind nicht bereit, für ein 6er-Pack-Eier 50 Cent mehr zu bezahlen. Tierwohl spielt bei unseren Kunden eine untergeordnete Rolle. Sie vertrauen uns auch so. Ihnen geht es eher um den Geschmack. Und der hat schon etwas mit dem Tierwohl zu tun. So arbeiten wir schon seit vielen Jahren mit Landwirten aus der Region (im Umkreis von circa zehn Kilometern) zusammen. Rund 45 Prozent unseres Frischfleisches vermarkten wir unter dem Logo von Stenten Gourmet. Das Vertrauen unserer Kunden gewinnen wir unter anderem dadurch, dass wir im rückwärtigen Bereich der Fleischtheke einen Film zeigen, wie die Hühner vom Geflügelhof Lehnertz gehalten werden. Hinzu kommen Broschüren über die landwirtschaftlichen Betriebe sowie regionale Wochen mit Verkostungstagen. Wenn solche Veranstaltungen anstehen, schulen wir unsere Mitarbeiter selber. Mit unseren Auszubildenden führen wir außerdem Exkursion zu den Landwirten durch.“

Christian Leuthner, Bereichsleiter für Fleisch, Wurst, Fisch und Molkereiprodukte, Tegut
„Das Thema Tierwohl ist für Tegut und unsere Mitarbeiter Grundregel und Grundhaltung. Dafür stehen wir mit unseren Marken Landprimus und Bio. Die Mitarbeiter an der Bedienungstheke kennen sich mit dem Thema Tierwohl aus. Diese werden dreimal im Jahr in unseren „Quartalsschulungen“ von unseren Fachberatern vor Ort geschult. Des Weiteren gibt es Online-Schulungsmodule, die verbindlich von jedem Mitarbeiter bearbeitet und mit einen Test bestanden werden müssen. Für interessierte Kunden schaffen unsere Mitarbeiter vor Ort Transparenz in ihren täglichen Verkaufsgesprächen und durch die Verteilung unserer Infobroschüren. Der Kunde erlebt das Thema Tierwohl national sehr unterschiedlich. Viele Tierwohl/Tierschutz/Haltungs- bedingungs-Labels tragen nicht zur nötigen Transparenz beim Verbraucher bei. Der Verbraucher möchte das Thema Tierwohl gerne als eine Selbstverständlichkeit ansehen, über die er nicht in seiner Kaufentscheidung nachdenken muss.“