Handelsmarken Sie werden immer stärker !

Handel und Industrie bauen ihre Private-Label-Geschäfte aus. Der Handel differenziert sich mit kreativen, neuen Eigenmarken, die Industrie lastet ihre Kapazitäten aus, Start-ups kommen mit neuen Produkten. Kurz vor der Eigenmarken-Messe PLMA und im Nachgang zum Handelsmarkenforum 2019 kommen hier die Fakten zum Markt.

Donnerstag, 09. Mai 2019 - Management
Susanne Klopsch, Andrea Kurtz
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Bildquelle: Carsten Hoppen

Tierbedarf-Händler Zooplus hat dank starker Eigenmarken sein Geschäft kräftig ausbauen können. Im ersten Halbjahr 2018 schnellte der Umsatz der Münchener um 24 Prozent auf 643 Millionen Euro.“ Besonders zugelegt hätten eigene Marken für Futter und Streu mit einem Plus von 37 Prozent gemessen am Vorjahreszeitraum. So lautet nur eine der Erfolgsstorys in Sachen Handelsmarken der letzten Zeit. Handelsmarken haben, so das Marktforschungsinstitut IRI, einen Marktanteil in Europa von 40 Prozent. Deutschland liegt etwa gleich auf. Großbritannien ist zwar kein Vorbild mehr in vielen Dingen, aber dort liegt der Eigenmarkenanteil bei mehr als 50 Prozent. Grund genug also, die aktuellen Entwicklungen kennen zu lernen und sich planerisch gut aufzustellen.

Vollsortimenter setzen Akzente
Der in Deutschland seit Jahren wachsende Marktanteil von Handelsmarken am Gesamtumsatz des Lebensmittel-Einzelhandels (LEH) und der Drogeriemärkte (DM) erfuhr allerdings 2018 einen kleinen Dämpfer: „Erstmals seit zwei Jahren verzeichneten Handelsmarken leichte Marktanteilsverluste“, berichtete Dietmar Pech-Lopatta, Division Director bei der GfK Consumer Panels & Services, beim Handelsmarkenforum 2019 in Frankfurt. Dieser Einbruch sei aber auf den Discount zurückzuführen, denn gerade Aldi setze derzeit mehr auf Markenlistungen anstatt auf Eigenmarken. „Bei den Vollsortimentern, SB-Warenhäusern oder Drogerie-Märkten sieht die Sache anders aus“, so Pech-Lopatta. „Vollsortimenter können mit Handelsmarken ganz andere Akzente setzen. Der Handel wird aktiv, geht Kooperationen mit Start-ups ein und kann sich so durch Selbstinszenierung profilieren.“ Unterm Strich mache es der Mix: Das Discounterwachstum sei stärker von Marken getrieben, während die Vollsortimenter mit Handelsmarken punkteten.

Insgesamt profitiert der Handel von einem Wahrnehmungswechsel der Konsumenten: Während dessen Eigenmarken früher als (sehr) günstiges Preiseinstiegsprodukt wahrgenommen wurden, sind sie laut GfK heute eher „starke Marken, die es nur bei einem Händler gibt“ (Consumer Index 1/2019). Für den Handel bedeute das doppelten Nutzen: Zum einen beeinflussten Eigenmarken die Wahl der Einkaufsstätte, zum anderen könne der Handel so Druck auf Markenhersteller machen.

Start-ups bedrängen Marken
Für die etablierten Marken hat die GfK neben den klassischen Handelsmarken einen neuen Konkurrenten um die Regalplätze ausgemacht: die Start-ups. Die Marktforscher nennen sie die „Lieblinge nicht weniger Händler“. Denn auch wenn Start-ups sehr schnell Wachstumsgrenzen erreichten und in der Regel Nischenprodukte produzierten: dies sei der formalen, strukturellen Markenarchitektur geschuldet und nicht etwa, weil die Gründer nicht die Bedürfnisse der Masse oder größerer Gruppen träfen. „Tatsächlich liegen erfolgreiche Start-ups auf der massentauglichen Seite der Nische.“ Daher bereitet nach Einschätzung der GfK-Marktbeobachter die Masse der Start-ups den etablierten Markenherstellern Kopfzerbrechen, nicht das einzelne Start-up.

Was die Start-ups allerdings für die Marken wirklich zum Problem werden lässt, fassen die GfK-Experten im Consumer-Index 1/2019 so zusammen: „Viele Start-ups bewegen sich mittlerweile in einer sich überschneidenden Zone von selbstständiger Marke und Händlermarke, denn eine dauerhafte Exklusivlistung bei einem Händler macht sie faktisch zu einer Handelsmarke.“ Diese Marken werden als Premium-Preis-Marken platziert. Das Fazit der Marktbeobachter: „Hier entwickelt sich eine neue Spezies von Handelsmarke: eine, die insbesondere die Preis-Mittemarken nicht nur von unten – also dem günstigen Preismarkt –, sondern auch von oben, dem Preis-Premium-Markt, ins Visier nimmt.“
Gleichzeitig erschließen und binden die Start-ups noch eine besondere Kundenklientel, wie Dietmar Pech-Lopatta (GfK) beim Handelsmarkenforum deutlich machte: „Käufer von Start-up-Marken sind junge Premium-Shopper, die in Großstädten leben und Trends sehr schnell aufnehmen.“ Diese Käuferschicht genieße mit Verantwortung, schaue auf Nachhaltigkeit – vergesse aber auch den Genuss nicht. Sein Fazit: „Sie bilden d i e Zielgruppe, wenn es um die Zukunftsaufstellung der Marke geht.“

Der Kunde bleibt preissensibel
Aus Sicht der GfK-Marktforscher wundert es dann nicht, dass in den vergangenen Jahren die Super- und Verbrauchermärkte zu den am stärksten wachsenden Vertriebsschienen im LEH gehören. Das stark ausgebaute Handelsmarken-Sortiment, sowohl bei Mehrwert- als auch Preiseinstiegs-Produkten, schlügen hier ebenso zu Buche wie die nach wie vor gelisteten starken Marken. Hinzu kämen die jungen Start-ups mit ihren Innovationen.
Frische, Regionalität, Gesundheit Dieser Dreiklang ist nach den aktuellen „Shopper-Trends 2019“ aus dem Hause Nielsen der Treiber beim Kauf von Lebensmitteln. Diese Anforderungen machen natürlich auch nicht halt vor den Eigenmarken des Handels. Gleichzeitig ist der Konsument hierzulande unverändert preissensibel. Mehr als jeder zweite von Nielsen Befragt (59 Prozent) gab denn auch an, im vergangenen Jahr angesichts gestiegener Preise für Nahrungsmittel auf Sonderangebote und reduzierte Produkte zu achten. Unter den Tisch fällt das Thema Preis hierzulande also auch 2019 nicht.

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