Ladestation Kunden elektrisieren

Noch sind Elektro-Autos Exoten auf deutschen Straßen. Doch das wird sich bald ändern. Die E-Revolution rollt. Mit Chancen für den Handel.

Sonntag, 19. Juni 2011 - Management
Klaus-P. Kessler
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Stehen Sie auch schon unter Strom, unter Mobilitäts-Spannung? Oder geht die ständig an Fahrt gewinnende Diskussion über den Umstieg hin zu elektrisch betriebenen Fahrzeugen bei Ihnen zur einen Steckdose rein und zur anderen wieder raus?

Dann sollten Sie jetzt vielleicht einmal kurz den Stecker ziehen und diesen Artikel lesen. Denn die E-Revolution rollt bereits. Erste, längst alltäglich gewordene, Vorboten sind diverse Hybrid-Fahrzeuge. Die sind mittlerweile zu so genannten „Plug in“-Hybriden mutiert – mit einer Steckdose für die Energiezuführung im Ruhezustand. Jetzt kommen die rein elektrisch betriebenen Fahrzeuge. Besonders Automobilhersteller Renault drängt aktuell mit mehreren Modellen in den (Stadt-)Verkehr. Mit dem Van Kangoo Z.E., der Limousine Fluence Z.E. („Zero Emission“) und dem avantgardistischen Stadtflitzer „Twizy“ wollen die Franzosen den noch jungen Markt der Elektroautos unter Hochspannung setzen. Das Ziel ist mit 1 Mio. Fahrzeugen bis 2020 (also in nur knapp neun Jahren) vorgegeben. Für Automobile. Darin nicht berücksichtigt sind E-Bikes, Roller und andere „Mobilitätshilfen“.

Ein Problem ist die fehlende flächendeckende Struktur geeigneter „Tankstellen“. Denn die Ladekapazität der aktuellen Akku-Generation gestattet automobile Kilometerleistungen von maximal 150 bis 170 km, im Winter wegen des spezifischen Verhaltens von Batterien bei Kälte oft gar nur die Hälfte. Zwar bewegt sich was, und es entstehen neue, überraschende Allianzen wie das Zusammengehen von Stromproduzenten mit Tankstellenbetreibern. Auf eine einheitliche Stecker-Norm für die Ladekabel hat sich die Industrie inzwischen auch verständigt. Bis aber eine flächendeckende Versorgung aufgebaut ist, werden die im Auto mitgeführten Kabel oft zusammengerollt bleiben und wird noch so manche Kilowattstunde ungenutzt durch die Leitungen fließen. Dieses fehlende E-Tankstellennetz ist eine Chance für den Handel. Warum nicht auf dem Kundenparkplatz an geeigneter Stelle eine Ladestation installieren? Die baulichen Voraussetzungen dafür sind überschaubar und entsprechende professionelle Ladestationen als Säulen- oder Wandlösung bereits im Handel. Kosten dafür aktuell rund 6.000 Euro je Station, wobei diese Kosten in nächster Zeit noch deutlich nach unten gehen sollten.

Oder der Lebensmittelhandel tut es Tankstellenbetreibern gleich und strebt seinerseits Allianzen mit der Energiewirtschaft an, wobei der Handel die Standorte einbringt und der Stromanbieter die Ladestruktur. Als mögliche Ansprechpartner bieten sich dabei nicht nur die bekannten, großen Energieversorger an, sondern ganz besonders auch die örtlichen Stadtwerke. Denn deren Marktposition dürfte in der anstehenden Energiewende deutlich gestärkt werden.

Erinnert sei an die Bemerkung des damaligen Bundeswirtschaftsministers Brüderle der anregte, dass „Aldi & Co. doch überlegen sollten, auch Benzin und Diesel zu verkaufen!“ Dabei blieb er die Antwort schuldig, warum Lebensmittelfilialisten in einen Markt einsteigen sollen, der einerseits eine kostspielige Struktur erfordert und bei dem ohnehin das Ende absehbar ist. Lenkt man den Blick weg von der Zapfsäule auf die Steckdose, dann hat Brüderle allerdings eine richtige Richtung vorgegeben.

Den Markt frühzeitig besetzen

Die Investition in eine Ladestation erzeugt nicht nur positive Öffentlichkeit. Sie vermittelt auch ein zukunftsorientiertes, modernes und besonders umweltfreundliches (Öko-/Bio-)Image. Sicher: Eine solche Laderstruktur wird anfangs kaum genutzt werden. Der Lebensmittelhandel kann aber durch frühes Handeln einen künftigen, schon bald stark wachsenden Markt besetzen. Rollen dann die ersten E-mobilen Kunden geräuschlos heran, werden die nicht nur diesen Service zu schätzen wissen. Ein angemessener Ladezeitraum für den teilentleerten Akku kann auch Einfluss auf Kundenbindung und auf die Verweildauer im Verkaufsbereich haben. Während der Kunde an der Gemüsetheke Frische tankt, tankt sein Auto Kraft!

Das Netz der Tankstellen für Super und Diesel wurde in den zurückliegenden Jahren in Deutschland massiv ausgedünnt. Hier installierte Ladestationen werden nur einen Teil der Versorgung in der Fläche garantieren können. Der Lebensmittelhandel, besonders im Filialgeschäft mit seinen gut platzierten Standorten, kann hier die Lücken schließen. Freundliche Nebenwirkung: Machen die Tankstellen dem Einzelhandel schon lange Konkurrenz mit einem breiten Sortiment auch im Lebensmittelbereich, könnte sich diese Wettbewerbssituation im Zeitalter der Elektromobilität umkehren!

Vielleicht wird eine aktuelle Kampagne schon bald um eine Botschaft ergänzt: „Bei uns tanken Sie viele Sorten Saft: Apfelsaft, Orangensaft, Bananensaft, Multivitaminsaft ... Und Ihr E-Mobil tankt während Ihres Einkaufs bei uns Batterie-Saft aus der Steckdose.“

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Kessler

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