Handel Intenational Endstation Tradition

Auf den Lebensmittel-Einzelhandel wartet mit 2019 ein wichtiges Übergangsjahr. Es wird brutal ehrliche Antworten zur Zukunftsfähigkeit etablierter Handelsformate geben, sagt Boris Planer, Planet Retail RNG.

Freitag, 18. Januar 2019 - Management
Boris Planer
Artikelbild Endstation Tradition
Bildquelle: Getty Images, Planet Retail

Während sich Warenhäuser und Elektronikfachmärkte gegen den Niedergang stemmen und die Metro neue Eigentümer für Real sucht, wird das neue Jahr brutal ehrliche Antworten zur Zukunftsfähigkeit etablierter Handelsformate geben. Auf den Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) wartet mit 2019 ein wichtiges Übergangsjahr. Es gilt zu verhindern, als „traditioneller“ Händler wahrgenommen zu werden.

Wandel war im Handel schon immer eine Konstante (fröhlich wird das Phrasenschwein gefüttert) – aber wenn man bemerkt, dass sich die Bedeutung elementarer Begriffe verschiebt, dann lohnt es sich immer noch aufzuhorchen. Wenn man etwa sagt, ein Händler sei dem „traditionellen Handel“ zuzuordnen, dann ist das nicht immer als Kompliment gemeint.

Traditionell heißt oft altbacken
Bis vor Kurzem verstand man unter traditionellen Händlern kleine, liebenswerte, familiengeführte, dabei aber oft etwas altbackene und hoffnungslos ineffiziente Geschäfte, denen zwar die Herzen der Bevölkerung zuflogen, nicht aber unbedingt die Geldscheine. Und die man in den Konzernzentralen auch nicht unbedingt ernst nahm und auf deren langfristiges Überleben niemand viel zu wetten bereit war. Nostalgische, aber unmoderne Reminiszenzen an die gute, alte Zeit. Natürlich, im besten Fall heißt Tradition, die Flamme zu erhalten, statt die Asche zu bewahren (erneut klingelt das Phrasenschwein). Aber die betriebswirtschaftliche Wahrnehmung kennt kein Pardon und besetzt den Begriff negativ.

Heute sind es die Handelskonzerne mit ihren Nonfood-Großflächen, die als traditionell bezeichnet werden. Und wurden sie ursprünglich kritisch beäugt, weil sie tausenden von familiengeführten Geschäften den Garaus machten, so verschiebt sich heute der Diskurs in Richtung Mitleid: Armer Kaufhof, armer Karstadt, armer Media Markt – was haben diese traditionellen Händler unter Amazon zu leiden. Auch die Investorengemeinde wendet sich ab, denn offensichtlich hat sie ihren Daumen gesenkt und sieht in Warenhäusern und Elektronikfachmärkten nicht mehr die Zukunft.

Traditionell ist, wem die Vergangenheit gehört. In jeder PR-Abteilung sollten die Alarmglocken schrillen, wenn Analysten, Journalisten und Kunden (deren Stimmen unter anderem in den sozialen Medien verstärkt werden) beginnen, einen Händler als traditionell zu brandmarken. In den nächsten Jahren werden wir erleben, wie das Label an die ersten Lebensmittelhändler weitergereicht wird – nämlich dann, wenn sich der deutsche Verbraucher verstärkt den Omnichannel-Händlern zuwendet. Dass dies allerdings im großen Stil schon 2019 geschehen wird, darf bezweifelt werden.

und wie wird nun 2019 im LEH?
Im Jahr 2019 dürfte der deutsche Lebensmittelhandel um 1,7 Prozent wachsen, getrieben durch Preiserhöhungen und selektive Premiumisierungsstrategien im Vollsortiment. Das ist das nominale Wachstum. Real dürfte nahezu Stillstand herrschen, unter anderem aufgrund der fortgesetzten Abwanderung von Nonfood-Umsätzen ins Internet. Am schnellsten wachsen werden Convenience Stores (+ 3,3 Prozent, 4,5 Prozent Marktanteil) und die wesentlich gewichtigeren Discounter (+ 2,2 Prozent, 41,1 Prozent Marktanteil). Supermärkte werden ihren Marktanteil von 29,1 Prozent dank eines Wachstums von 1,9 Prozent verteidigen, wohingegen Großflächen mit 0,7 Prozent nur schwach wachsen und Marktanteil verlieren werden, und zwar um 0,2 Prozentpunkte auf 17,2 Prozent.

Der Online-Anteil am Einzelhandel wird von 10,5 auf 11,3 Prozent steigen, wobei Online im Lebensmittelhandel 2019 mit einem Anteil von 1,4 Prozent weiterhin eine geringe Rolle spielen wird. Bis auf Weiteres stehen einem schnelleren Wachstum das dichte Netz an Discountern sowie Lücken auf der Angebotsseite im Weg. Dennoch sollten Händler sich mittelfristig für eine steigende Nachfrage nach Online- Bestellungen präparieren.

Für Vollsortimenter wird es wichtig sein, auf sich weiter verändernde Kundenbedürfnisse vorbereitet zu sein, um angesichts erweiterter Markenangebote im Discount ihre Relevanz zu behaupten. Dies bedeutet: größere Kundennähe, relevanterer Service (unter anderem weniger Zeitverlust in der Kassenschlange, kompetenter Thekenservice), inspirierendere Sortimente, gesündere Lebensmittel, Transparenz und Rückverfolgbarkeit, mehr Convenience-Auswahl und Glaubwürdigkeit als lokales Unternehmen vor Ort. Eine der wichtigsten Baustellen dürfte die Beschleunigung des Checkouts sein, denn aktuell sinkt die Kundentoleranz für lange Warteschlangen rapide. Keine dieser Entwicklungen ist neu. So gesehen wird 2019 langweilig, aber zu wichtig um einzuschlafen. Die Gefahr ist, dass man sonst bald für einen traditionellen Händler gehalten wird.