Interview mit Andreas Prechtl „Authentizität wird immer wichtiger“

2019 wird ein spannendes Jahr, da ist sich Edekaner Andreas Prechtl sicher. Auf nationaler Ebene wie im eigenen Unternehmen gibt es viele Herausforderungen. Der Kaufmann sieht ihnen mit Zuversicht entgegen.

Dienstag, 22. Januar 2019 - Management
Sonja Plachetta
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Was wird Ihrer Einschätzung nach den Lebensmittelhandel 2019 beschäftigen?
Andreas Prechtl: Es wird spannend, was mit Real passiert. Ich kann mir schwer vorstellen, dass aus dem Ausland jemand außer Amazon Interesse hat, Real als Gesamtpaket zu kaufen. Und wenn es Amazon würde, wäre das ein großes Thema für den deutschen LEH. Das würde den Wettbewerb verändern, wenn ein Spieler im Markt ist, der nicht betriebswirtschaftlich rechnen muss oder will.

Was erwarten Sie, falls Amazon den Zuschlag für Real bekommt?
Es ist völlig unkalkulierbar, was Amazon mit den Flächen plant. Werden sie das stationäre Geschäft weiterbetreiben, oder nutzen sie den Großteil als Auslieferungslager? Das macht vielen traditionellen Händlern Sorge. Auch ich hoffe, dass der Kelch an uns vorübergeht und Real nicht an Amazon geht.

Welche Alternativen sehen Sie als Käufer für Real?
Im Grunde liefe es dann aus kartellrechtlichen Gründen auf eine Zerschlagung heraus. Real würde wohl aufgeteilt zwischen den drei in Frage kommenden Interessenten Edeka, Rewe und Kaufland. In dem Fall würden sicher unwirtschaftliche Standorte geschlossen werden, so wie es meiner Meinung schon bei anderen Übernahmen hätte sein sollen. Das wäre bitter für die Aktionäre, denn dann bleibt nicht viel von Real übrig. Aber dieser Schritt ist längst überfällig. Alle Verantwortlichen wissen, dass es in Deutschland zu viele Flächen gibt – im Schnitt doppelt so viel Fläche pro Einwohner wie im EU-Durchschnitt –, und trotzdem machen alle Spieler nach wie vor den Fehler, ihr Heil im weiteren Flächenwachstum zu suchen.

Unabhängig davon, ob Amazon Real kauft: Wir beurteilen Sie, wie sich Amazon in Deutschland aufstellt?
Wir beobachten das, aber es beunruhigt mich nicht. In Deutschland kann man mit Lieferservice noch kein Geld verdienen. Aber der Online-Handel wird zukünftig auch im Lebensmittelhandel einer der Treiber sein. Die Frage ist, wie schnell, und das hängt maßgeblich davon ab, ob die Verbraucher künftig bereit sein werden, für diesen Service zu bezahlen, so, wie es etwa in den USA der Fall ist. Oder es wird irgendwann technische Lösungen geben, um die letzte Meile kostendeckend zu betreiben. Aktuell testet das zum Beispiel die Edeka Südbayern mit ihren Abholboxen bei Audi und BMW. Was das stationäre Geschäft angeht, glaube ich nicht, dass die Läden bald wie Amazon Go aussehen. Das ist in Deutschland betriebswirtschaftlich und zusätzlich auch vom Datenschutz her wohl nicht praktikabel. Aber wie wir in 10 bis 15 Jahren Lebensmitteln kaufen, kann angesichts der rasanten technischen Entwicklung niemand sagen.

Welche Konsequenzen wird das Trading-up der Discounter für die Vollsortimenter haben?
Die Discounter versuchen ja gerade deshalb, uns Vollsortimenter verstärkt zu kopieren, weil wir in den vergangenen Jahren die Nase vorn hatten. Das fordert uns heraus, uns stetig weiterzuentwickeln – mit neuen Sortimenten und noch mehr Frische. Interessant ist, wie die Discounter die steigenden Kosten kompensieren wollen, die sie durch mehr Artikel und mehr Frische nun haben. Jedenfalls lassen die Discounter durch das Trading-up Platz nach unten, und es wird spannend, was in der Lücke passiert, zum Beispiel durch den Start des russischen Discounters TS-Markt, der 2019 in den Markt eintreten wird. Die Russen sind finanzstark und können sicher was bewegen. Aber die Frage ist: Wie viel billiger als der herkömmliche Discount können sie sein, und wie sieht es dann mit den Qualitäten aus? Durch TS-Markt könnten die angestammten Discounter auch von unten getrieben werden und so in eine Sandwichposition geraten.

Was müssen die Vollsortimenter tun, um weiter vorn zu bleiben?
Wir müssen noch mehr Nischen suchen. Wir müssen die Frische und Bio weiter ausbauen und eine noch breitere Auswahl an Artikeln anbieten. Ein Trend, der immer noch an Fahrt zunimmt, ist die Regionalität, und die können eigentlich nur die selbstständigen Händler gut und glaubhaft spielen, wenn sie engagiert sind und die kleinen Lieferanten fair behandeln. Und die Authentizität wird wichtiger, weil die Kunden immer besser informiert und kritischer sind.

Gibt es noch andere Trends, zum Beispiel Tierwohl?
Tierwohl nimmt erst langsam Fahrt auf, aber das Bewusstsein, dass Qualität ihren Preis hat, nimmt zu. Das zeigt sich etwa daran, dass junge Leute sich zu Kochpartys treffen und mit hochwertigen Zutaten kochen – ein guter Trend für uns Vollsortimenter. Der Großhandel ist da gefragt, innovative Produkte, die nachgefragt werden, schneller zu listen. Spannend ist in dem Zusammenhang die Plattform Edeka-Food-Starter, wo neue Produkte von Start-ups vorgestellt werden. Dadurch werden hoffentlich auch die Markenartikler getrieben, wieder mehr Innovationskraft zu entwickeln.

Welche Herausforderungen für 2019 gibt es im Unternehmen Prechtl?
Die mit Abstand größte Herausforderung wird die Umstellung unserer Märkte auf Lunar sein. Das ist eine sehr große Veränderung für alle Mitarbeiter – von der Warenannahme bis zur Kasse. Unser Anspruch ist, dass die Kunden nicht merken, dass wir auf ein neues Warenwirtschaftssystem umstellen. Und wenn sie es doch merken sollten, dann nur im Positiven. Das wird sicher ein Kraftakt, aber wir versprechen uns davon, dass wir trotz niedrigem Warenbestand mehr Warenverfügbarkeit haben. Bis Mitte März stellen wir sukzessive erst die Buchhaltung und dann nach und nach die vier Märkte um.

Welche Herausforderungen gibt es noch?
Die Weiterentwicklung unserer Mitarbeiterstruktur. Wir stellen inzwischen häufiger Quereinsteiger ein, die weiter qualifiziert werden müssen. Aber in Zukunft werden wir dazu übergehen, dass wir nicht mehr Mitarbeiter nach ihren Kompetenzen einstellen, sondern unsere Stellen an ihre Kompetenzen anpassen. Derzeit sind wir in der komfortablen Situation, dass wir eine Warteliste von potenziellen Mitarbeitern haben, die zu uns wollen.

Wie kommt das?
Für uns ist jeder Mitarbeiter wichtig, von der Reinigungs- bis zur Führungskraft. 2012 haben wir die Prechtl-Akademie gegründet, in der wir alle Mitarbeiter fachlich fortbilden, ihnen aber auch andere Angebote zur Gesundheitsprävention und zur Persönlichkeitsentwicklung machen. Auch dank dieser Kurse fühlen sie sich wertgeschätzt und sind hochmotiviert. Wie die Kunden, werden auch die Mitarbeiter kritischer. Wer sich fortbilden will, bevorzugt einen Arbeitgeber, der dies ermöglicht. Unsere Mitarbeiter honorieren auch, dass wir den Personalplan immer vier Wochen im Voraus erstellen und mit einer digitalen Zeiterfassung arbeiten. Unter anderen aus diesen Gründen sind wir 2018 vom Staatsministerium als einer der 20 familienfreundlichsten Unternehmen in Bayern ausgezeichnet worden.

Welche Ziele haben Sie 2019 für Ihr Unternehmen?
Ziel ist, dass sich der neue Markt in Bad Feilnbach weiterhin gut entwickelt. Spannend wird dabei herauszufinden, wie stark der Einfluss der Touristen ist, wenn wir die erste ganze Saison am Netz sind. Auch die anderen drei Märkte wollen wir im Umsatz voranbringen.