Energiemanagement Mehr Leistung, weniger Verbrauch

Moderne Technologien versprechen eine deutliche Energieeinsparung. Wir zeigen, mit welcher Art von Anlagen Lebensmittelhändler ihre Effizienz besonders stark verbessern können.

Mittwoch, 12. September 2018 - Management
Bernd Liening
Artikelbild Mehr Leistung, weniger Verbrauch
Leicht geneigte Schiebetüren sparen bei halbhohen Kühlregalen Energie..
Bildquelle: Aichinger, Epta, Danfoss, Jörn Strojny

Am Handel liegt es nicht, wenn Deutschland seine Klimaziele bis 2020 verfehlt. Statt der geplanten Reduktion der klimaschädlichen Emissionen um 40 Prozent von 1990 bis 2020 werden es wohl nur 32 Prozent werden, so der aktuelle „Klimaschutzbericht 2017“ des Umweltministeriums. Der deutsche Einzelhandel hingegen hat seinen CO2-Ausstoß bereits 2016 im Vergleich zu 1990 mehr als halbiert (-54 Prozent).

Das zeigen die detaillierten Daten, die der Handelsverband Deutschland (HDE) in seinem Kompendium „Auf dem Weg zum klimaneutralen Einzelhandel“ zusammen getragen hat. Damit hat der Handel sogar das aktuelle Klimaschutzziel für 2030, nämlich die Senkung der Treibhausgase um 55 Prozent im Vergleich zu 1990, schon fast erfüllt.

Vorreiter Handel

Der deutsche Einzelhandel hat seinen CO2- Ausstoß bereits 2016 im Vergleich zu 1990 mehr als halbiert (-54 Prozent).

Allein seit 2013 haben die deutschen Händler laut HDE rund 500 Millionen Euro in Energieeffizienz investiert. Anfangs hätten insbesondere die großen Filialisten Pionierarbeit für die ganze Branche geleistet: „Sie haben ihr Energiemanagement kontinuierlich verbessert, den teuren Umstieg auf natürliche Kältemittel sowie LED-Technologie vorgenommen und dabei ihre Kompetenzen und Ressourcen in zentralen Effizienzabteilungen so gebündelt, dass deutliche Strom- und Energieeinsparungen realisiert werden konnten.“

Nachhaltiger Ladenbau
Aber auch die selbstständigen Händler ziehen längst, vor allem bei Neubauten, alle Register eines nachhaltigen Ladenbaus, wie die zahlreichen Referenzobjekte der Ladenbauer und Ausrüster zeigen. Ganz unabhängig vom ökologischen Ehrgeiz der Marktbetreiber und Bauherren treiben aber auch die Laden- und Anlagenbauer die nachhaltige Entwicklung voran: Mit jedem Austausch einer älteren technischen Komponente gegen eine moderne sinkt quasi automatisch der Energieverbrauch und CO2-Ausstoß – allein aufgrund der permanenten Effizienzverbesserung im Zuge der technischen Weiterentwicklung.

Einsparpotenziale werden im Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) vor allem auf drei Ebenen gehoben: Kältetechnik, Beleuchtung und sonstige Gebäudetechnik. Die Kälteerzeugung verursacht im LEH den höchsten Stromverbrauch. Laut der „Energiestudie 2017“ des EHI Retail Instituts stellt sie im Lebensmittelhandel mit 46 Prozent den größten Stromverbraucher, gefolgt von der Beleuchtung mit 25 Prozent. Bei der Beleuchtung ist, bis auf technisch bedingte Ausnahmen, die energiesparende LED-Technologie mit inzwischen ausgereiften Lösungen für die unterschiedlichen Beleuchtungsansprüche in den einzelnen Abteilungen der Lebensmittelmärkte zum Standard geworden. So hat Edeka schon vor Jahren gemeinsam mit eigenen Fachleuten und Herstellern LED-Beleuchtungskonzepte entwickelt, die nicht nur in neuen, sondern auch in bestehenden Märkten zum Einsatz kommen. Die LED-Technik senkt den Verbrauch gegenüber herkömmlichen Konzepten um etwa 30 Prozent.


IKU-Award für effizientes Energiesystem

Das Energiesystem „ESyCool green“, das von Viessmann in Kooperation mit Aldi Nord entwickelt wurde, hat den Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt, kurz IKU, erhalten. Herzstück des Kälte-/Wärme- Verbundsystems sind Sole-Wasser- Wärmepumpen, die mit dem natürlichen Kältemittel R290 (Propan) betrieben werden. Eine weitere Besonderheit des Systems ist der Eis-Energiespeicher, der die Phasenwechselenergie von Wasser zu Eis nutzt. An kalten Tagen wird aus dem thermischen Speicher Wärme entzogen. Im Sommer bauen die Wärmepumpen tagsüber mit Strom aus der Photovoltaikanlage Eis im Energiespeicher auf, um die gespeicherte Sonnenenergie in der Nacht zur Kühlung der Kühlstellen zu verwenden. Viessmann nennt diese Funktion „Power2Ice“.

Technisch anspruchsvoller ist die Optimierung der Kältetechnik sowie der Klima-, Lüftungs- und Heizungsanlagen. Nach Angaben von Epta Deutschland können die Stromkosten je nach Anlagentyp über die gesamte Lebensdauer einer Kälteanlage 90 Prozent der Gesamtkosten ausmachen. Bei der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit einer Anlage kommt demnach der Energieeffizienz eine zentrale Rolle zu. Einen zusätzlichen Effekt bringt die Nutzung der Abwärme der Kälteanlage für Heizung, Warmwasser oder Prozesswärme. Moderne Anlagen von Epta können modular erweitert werden, um mithilfe von Wärmepumpen und Klimamodulen die komplette Gebäudeheizung und -klimatisierung energieeffizient in die Gewerbekälte zu integrieren.

Kostensenkende Integrallösung
Als Faustregel zur Optimierung der Abwärme gilt: Je niedriger das Temperaturniveau des Sekundärkreislaufes (Heizwasser, Warmwasser etc.), desto effizienter kann die Abwärmeleistung übertragen werden. Die Epta-Fachleute raten: „Wenn Marktbetreiber ihr Gebäude mit einer Kälteanlage klimatisieren oder die Abwärme nutzen wollen, sollten sie einen Gewerbekältespezialisten frühzeitig in die Planung einbeziehen. Denn dann kann die Kälteanlage besser und effizienter für das jeweilige Gebäude geplant und integriert werden.“

Der Supermarkt als Stromversorger

Die Entwicklung im „grünen Ladenbau“ ist noch lange nicht abgeschlossen. Nach Ansicht von Danfoss werden Supermärkte „eine Schlüsselrolle im dezentralisierten Energiesystem der Zukunft übernehmen und neue Effizienzstandards festlegen“. Jürgen Fischer, President Danfoss Cooling, entwickelt folgendes Szenario: Supermärkte werden durch das Einspeisen überschüssiger Energie ins Stromnetz Energiekosten für die Umgebung senken. Ihre Energiespeicher können ferner als Notstrom-Backup eingesetzt werden, um im Fall von Stromengpässen Lebensmittelsicherheit zu garantieren. Fischer: „Supermärkte dienen seit ihrer Etablierung häufig als Kernstück vieler Städte und stellen die Versor-Komponengung und das Wohl ihrer Bewohner sicher. Neue Technologien machen es heutzutage möglich, Supermärkte vom Energieverbraucher zum Energieproduzenten für den Supermarkt selber und die Umgebung zu transformieren. Somit dient der Supermarkt nicht mehr bloß zum Einkaufen, sondern darüber hinaus als zentrales Element eines elektrisierten, dezentralisierten und digitalisierten Energiesystems der Zukunft.“

Auch „CO2 Oltec“, eine Integral-Lösung von Carrier, vereint die Gewerke Kälte, Raumheizung und -kühlung eines Marktes in einem System und macht herkömmliche Heizkesselanlagen mitsamt fossilen Brennstoffen überflüssig. Die im Kältekreisprozess entstehende Abwärme wird zurückgewonnen und über ein Modul in die Raumheizung eingespeist. Eine Wärmepumpe erzeugt während der kalten Monate zusätzliche Wärme. Umgekehrt kann der Verkaufsraum im Sommer bei Bedarf mit der Kaltwassererzeugung gekühlt werden. Die komplexe Integration der Kälte-, Heizungs- und Kühlanwendungen wird durch ein von Carrier entwickeltes Steuerungssystem geregelt. Lebensmittelhändler, die sich für diese Integral-Lösung entscheiden, profitieren nach Unternehmensangaben von bis zu 35 Prozent niedrigeren Energiekosten.

Eine erhebliche Senkung der Stromkosten beim Betrieb von Bedienungstheken ist der Aichinger GmbH mit der Entwicklung der Kühltheke „Sirius3“ gelungen, die inzwischen in zahlreichen Supermärkten und SB-Großflächen installiert wurde. Aichinger beziffert die Energieeinsparung auf bis zu 42 Prozent gegenüber vergleichbaren Kühltheken („Konkurrenzprodukte von gleicher Thekenlänge und Tiefe“), was in der Branche einen neuen Standard setze. Unzählige Modulvarianten ermöglichen gerade bei langen Thekenstrecken einen einheitlichen Look und ein geradliniges Design trotz eingebauter Sonderpräsentationen. Auch hier geht die nachhaltige Rechnung also auf: Mehr (Verkaufs-)Leistung, weniger Verbrauch.

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Bild öffnen Edeka Breidohr in Rösrath setzt  auf energiesparende Kühltheken.
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