Logistik E-Food im E-Fahrzeug

Der kleine Lebensmittel-Online-Händler Picnic testet sein Geschäftsmodell jetzt in Deutschland. In den Niederlanden hat das Unternehmen damit bereits Erfolg. Ausgeliefert an die Kunden wird ausschließlich mit E-Fahrzeugen. Die Warenbeschaffung läuft über Edeka Rhein Ruhr. Die Regionalgesellschaft ist an dem Onlinehändler auch finanziell beteiligt.

Dienstag, 05. Juni 2018 - Management
Martin Heiermann
Artikelbild E-Food im E-Fahrzeug

Fast pünktlich um 14.30 Uhr verlassen die E-Transporter das Verteilzentrum, das sogenannte Hub, des Lebensmittel- Onlinehändlers Picnic in Neuss. Sie sind soeben beladen worden mit roten und schwarzen Plastikkästen in fahrbaren Aluminiumgestellen, die speziell für die Ladeflächen der Kleintransporter mit Elektroantrieb angefertigt worden sind. In den Plastikkisten befinden sich die bestellten Lebensmittel, in den schwarzen die Tiefkühl- und Frische- Produkte, in den roten die übrigen Artikel. Innerhalb der kommenden zwei Stunden werden die Auslieferungsfahrer, die sogenannten Runner, und ihre kleinen E-LKW bis zu 15 Kundenadressen in einem Umkreis von 20 Kilometern anfahren. Dort werden sie die bestellten Waren an den Haustüren ausliefern. Dann kehren die Fahrzeuge in das rund 1.200 Quadratmeter große Hub zurück, werden erneut beladen und beginnen die nächste Auslieferungstour. Wie Briefzusteller fahren die Auslieferungsfahrer mit ihren E-Autos für jeden Wochentag speziell festgelegte Strecken. Diese folgen zum Beispiel am Montag einer anderen Reihenfolge in der Zustellung als am Dienstag, sodass die einzelnen Besteller zu unterschiedlichen Zeitpunkten an den verschiedenen Wochentagen am Nachmittag und Abend angefahren werden.

Die E-Transporter, die kein Dieselfahrverbot fürchten müssen, haben eine Reichweite von bis zu 100 Kilometern und erreichen eine Geschwindigkeit von maximal 50 Kilometern in der Stunde. Bis zu drei Zustellrunden absolvieren die E-Fahrzeuge täglich. Unterwegs sind sie an sechs Tagen inder Woche zwischen 14:30 Uhr und 22 Uhr. „Wir arbeiten daran, dass bald auch der Sonntag als Auslieferungstag hinzukommt“, sagt Frederic Knaudt, einer der drei Gründer von Picnic in Deutschland, im Gespräch mit der Lebensmittel Praxis.

Der E-Food-Händler, der sein Vorbild in den Niederlanden hat, und das dortige Geschäftsmodell nun auch in Deutschland ausprobiert, fährt mit Elektro-Nutzfahrzeugen, deren Komponenten in Frankreich produziert werden. Montiert werden die Klein- LKW allerdings hierzulande. Rund dreißig dieser Fahrzeuge sind derzeit bei Picnic im Einsatz. Sollte das Unternehmen weiter expandieren, wie Knaudt verspricht, werden weitere Fahrzeuge hinzukommen.

Noch in diesem Jahr plant das noch kleine Unternehmen, so der Gründer, zwei weitere Hubs, also Verteilzentren, in Nordrhein-Westfalen. Allerdings seien grundsätzlich solche Standorte auch in anderen Teilen Deutschlands möglich. Denn die gesamte Republik sei von dem Picnic- Lager, dem Logistikzentrum in Viersen am Niederrhein, gut zu erreichen. Für den Transport zwischen diesem Warenlager und den Hubs setzt allerdings auch Picnic Dieselfahrzeuge mit größerer Ladekapazität ein.

Das Warenlager in Viersen konnte Picnic im vergangenen Jahr von Kaiser‘ s Tengelmann übernehmen, nachdem die Fusion mit Edeka vollzogen werden durfte. Edeka Rhein-Ruhr hatte für diese Betriebsstätte keine Verwendung. Doch das ist nicht die einzige Verbindung mit der Edeka- Regionalgesellschaft. Es gibt eine Kooperation in Sachen Einkauf. Der Handelskonzern ist auch der Hauptlieferant des Online-Händlers. Der größte Teil der rund 10.000 Artikel im Picnic-Sortiment wird über Edeka eingekauft. Hinzu kommen jedoch auch regionale Lieferanten und Erzeuger vor allem für das Frische-Segment. Sie versorgen den E-Commerce- Anbieter mit Obst und Gemüse, bald aber auch besonderen Produkten wie beispielsweise Kaffee und Eiern.Bauen kann Picnic auf die Zusammenarbeit mit Edeka Rhein Ruhr allerdings auch, weil der Lebensmittel- Konzern als Gesellschafter 20 Prozent am Newcomer hält.

Das aus dem Edeka-Lager stammende Sortiment wird nicht nur durch regionale Produkte ergänzt. „Die Kunden bauen auch selbst das Sortiment mit auf“, sagt Frederic Knaudt. Das heißt, sie können Vorschläge machen, welche Artikel sie gerne im Picnic- Sortiment sehen und kaufen würden. „Wenn die Wünsche passen und schlüssig sind, werden die Produkte ins Angebot aufgenommen“, sagt Knaudt. Allerdings achtet der E-Commerce- Händler auch darauf, dass die Produkt-Zahl nicht deutlich über 10.000 steigt. Denn nicht das Sortiment als solches ist für Picnic entscheidend, sondern der Preis. Der Onlinehändler wirbt damit, seinen Kunden immer den günstigsten Preis bieten zu können. Sichergestellt werde dies durch ein Preisportal, das den Händler immer mit frischen Daten versorgt.

Bestellt wird über eine eigens entwickelte Picnic-App bis spätestens 22 Uhr des Vortages. Der Mindestbestellwert beträgt nur 25 Euro. Distribuiert wird die Ware dann im Picnic-Lager in Viersen am Niederrhein in den Morgen- und Vormittagsstunden des darauf folgenden Tages. Ausgeliefert wird in den Elektro-Fahrzeugen am Nachmittag und Abend. Derzeit hat Picnic rund 1.500 aktive Kunden. Allerdings möchten noch mehr Verbraucher bei dem E-Commerce- Händler einkaufen. Nach Unternehmensangaben stehen rund 3.000 weitere Kunden auf der Warteliste. Wer im Liefergebiet wohnt, hat die Chance innerhalb der nächsten zwei Wochen nach App-Anmeldung beliefert zu werden. Zurzeit arbeiten rund 100 Mitarbeiter für Picnic.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen