Planet Retail Module für die Zukunft

Im spanischen Handel lässt sich derzeit sehen, wie sich der Handel auf der Fläche für Kommendes rüstet. Modularen, flexiblen Lösungen gehört dabei die Zukunft, beobachtet Boris Planer von Planet Retail.

Dienstag, 26. Juni 2018 - Management
Boris Planer

Die Suche nach dem Supermarkt der Zukunft beginnt mit den Fragen, für welchen Kunden sich ein Händler positionieren möchte, und wie die Bedürfnisse diese Kunden sich verändern werden. Die Frage nach der Zukunft ist wichtig, denn die Gewohnheiten des Alltags befinden sich im rasanten Umbruch. Technik auf der Verkaufsfläche ist dabei nie Selbstzweck, sondern dient der Lösung konkreter Kundenprobleme.

Der Autor

Boris Planer ist Global Chief Economist bei Planet Retail. Er berichtet im Wechsel mit seinen Kollegen über Entwicklungen im internationalen Handel

Spanien befindet sich im wirtschaftlichen Aufschwung. Seit Mitte 2017 hat das Land wieder sein Vorkrisenniveau erreicht. Für Händler ist dies eine gute Zeit, in zukunftsorientierte Formate zu investieren. Da der Aufschwung aber fragil bleibt, investieren Händler zwar, aber sie investieren in modulare Formate, die bei einer neuerlichen Rezession schnell und effizient an veränderte Kundenbedürfnisse angepasst werden können. Genau betrachtet ist nicht nur die spanische Wirtschaft fragil – die Alterung der westlichen Gesellschaften sowie der digital getriebene Strukturwandel im Arbeitsmarkt höhlen nach und nach den Lebensstandard der westlichen Mittelschichten aus. Zum ersten Mal seit Mitte des 17. Jahrhunderts sehen wir, wie eine Generation einen niedrigeren Lebensstandard haben wird als die Generation vor ihr. In Deutschland, in ganz Westeuropa, selbstverständlich auch in Nordamerika, werden deshalb rezessionsfesteSupermarktformate nötig sein – und dies werden modulare Formate sein, in denen nicht nur Sortimente substituiert werden können, sondern auch die Verkaufsfläche flexibel und schnell umgewidmet werden kann. Vor diesem Hintergrund sind die neuesten Formatinnovationen aus Spanien auch relevant für Deutschland.

Zu den großen gesellschaftlichen Bedürfnissen, die nicht nur der Lebensmittelhandel in Spanien wird bedienen müssen, gehören:

Was das Bedürfnis nach Nähe betrifft, so wird Spaniens Handelslandschaft bereits heute von wohnortnahen Kleinflächen dominert – Supermärkte, Discounter, Nachbarschaftsmärkte und offene Märkte stehen für 82 Prozent des Lebensmittelhandels. In den nächsten fünf Jahren wird sich ihr Marktanteil im Wesentlichen halten, denn die Kleinfläche hat durch den gesellschaftlichen Wandel Rückenwind. Zudem zeichnet sich ab, dass unabhängige Kleinflächen mit der Digitalisierung des Handels erstmals nicht mehr Opfer von Modernisierung sein müssen, sondern fortan aktiv eingebunden werden können. Das Bedürfnis nach Geselligkeit wird durch die Integration attraktiver Café- und Foodserviceflächen gewährleistet – zum Teil selbst auf unglaublich kleinen Flächen, was der Gemütlichkeit des Miteinanders aber keinen Abbruch tut. Zeitersparnis wird durch den langsamen Durchbruch des Online-Lebensmittelhandels (Mercadona, Dia, Carrefour, Ulabox) sowie durch neue Technologien (Selfscanning, Zahlen per Smartphone) ermöglicht. Und selbstverständlich auch durch die Wohnortnähe der zahlreichen Kleinflächen.

Gleichzeitig befördert die fortschreitende Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich eine entsprechende Aufspaltung der Handelslandschaft, die ja langfristig immer gesellschaftliche Realitäten widerspiegelt. Auf der einen Seite des Grabens stehen Formate, die einen günstigen und schnellen Einkauf ermöglichen (Dia, Lidl und Aldi als Discounter, Mercadona als diskontierender Supermarkt), sowie die Online-Angebote von Dia/Amazon, Mercadona, Carrefour und Ulabox, die ehrgeizig daran arbeiten, schnell und günstig unter einen Hut zu bringen.

Auf der anderen Seite des Marktes geht es um Entdeckung, Inspiration und das Einkaufserlebnis als Ausbruch aus der Routine des Alltags. In diesem Feld hat nicht zuletzt Carrefour erhebliche Investitionen getätigt. Die umgestellten Superund Hypermärkte bieten großartige Frische- und Foodservicetheken sowie auf spezifische Kundengruppen zugeschnittene Warenangebote – nicht nur bei Lebensmitteln, auch bei Körperpflege oder Haushaltswaren gibt es inzwischen einschlägige Biosortimente. Zunehmend werden Produkte auch nach Marken (L’Orèal) und spezifischer Kundenmission (alles für die Haarpflege der Kinder) angeboten. Und überall zeigt sich: Digitale Elemente im Markt sind kein Kundenbedürfnis an sich, sondern dienen der Erfüllung von Kundenbedürfnissen (Inspiration, Wissensvermittlung, Bequemlichkeit, Zeitersparnis).

Erst im Mai hörte ich einen deutschen Handelsmanager sagen: „Wir müssen lernen, weniger über Produkte nachzudenken und mehr über den Kunden und seine Bedürfnisse. Das ist eine Revolution für den deutschen Handel.“ Von einem anderen Handelsmanager hörte ich: „Ich will kein digitaler Händler sein, sondern ein Händler in einer digitalen Welt.“ Auf unserer Tour in Barcelona Anfang Juni konnten wir hier starke Ansätze besichtigen.

Jedes Jahr prämiert die Lebensmittel Praxis beim „Supermarkt des Jahres“ großartige Beispiele für Kundenorientierung und Innovation. Für das Jahr 2019 würde ich mir im deutschen Handel einen Entwicklungsschub insbesondere im Bereich der Sortimentsgestaltung wünschen, mit mehr Elementen für spezifische Kundenmissionen. Der Blick nach Spanien kann dabei großartige Inspirationen bieten.