Brot Markt Auf die Schnelle

Der Handel profitiert immer stärker vom Außer-Haus-Verzehr. Kern dieser Entwicklung ist die Backstation 2.0 mit größerem und tieferem Sortiment und ergänzendem Regal mit gekühlten To-go-Produkten. Ein Marktbericht.

Donnerstag, 09. August 2018 - Management
Susanne Klopsch
Artikelbild Auf die Schnelle
Bildquelle: „Bread, Bakery and Cakes 2018“, Mintel

Morgens auf dem Weg zur Arbeit noch schnell zum Supermarkt um die Ecke flitzen, aus der Backstation ein Brötchen, aus dem nebenstehenden Convenience-Regal Laugenbrötchen mit Käse und einen Salat greifen und rasch den frischen Kaffee beim Vorkassenzonenbäcker kaufen. Wer morgens dazu keine Zeit hat, der versorgt sich dann möglicherweise mittags oder zu einer anderen Zeit seiner freien Wahl mit Produkten für den Unterwegsverzehr. Für den Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) sind diese stark impulsgetriebenen und mit wenig Zeit versehenen Konsumenten eine wichtige Kundengruppe: Denn für sie steht die Bequemlichkeit (sprich Convenience) an oberster Stelle. „Der Markt für Brot und Backwaren ist derzeit convenience- und nicht preisgetrieben“, sagt Susanne Eichholz-Klein, Leiterin Retail Consultants beim Institut für Handel (IFH) in Köln. „Befeuert wird dies vor allem durch Kundengruppen, die keinem festen Mahlzeitenschema mehr folgen wie zum Beispiel jüngere Konsumenten in der Ausbildung oder im Beruf.“ Dazu gehörten auch die typischen Ein- bis Zwei-Personen-Haushalte, die viel unterwegs sind und sich unterwegs versorgen: „Da bietet der LEH gute Möglichkeiten, sich rasch mit frischen Backwaren, Salaten, Säften oder Kaffee zu versorgen.“

Für die Branchenexpertin werden sich die Backstationen weiter positiv entwickeln: „Für den LEH sind und bleiben Backwaren generell ein wichtiger Frequenzbringer.“ Die Discounter machten es laut Eichholz-Klein bereits vor: Egal ob Aldi, Lidl, Netto – neben den Backstationen sind immer häufiger Snacking-Regale positioniert. Dort werden gekühlte Produkte zum Direktverzehr sowie fertig abgepackte Salate, Sandwiches, Saft, Kaffee oder Stücke Kuchen angeboten. „Die Backstation ist in den letzten zwei Jahren durch diese Entwicklung massiv aufgewertet worden, denn der Handel hat das Potenzial erkannt und nutzt es auch“, sagt die Branchenexpertin. Die Folge: Die Sortimentsbreite nimmt zu, und der LEH positioniert sich immer stärker im Markt für Sofortverzehr beziehungsweise Außer-Haus-Markt. Ebenfalls sehr convenient mit Blick auf den Wettbewerber Handwerksbäcker: „Darüber hinaus findet der Kunde vor dem Supermarkt noch immer einen Parkplatz.“

Tipps für den Händler

Beim EHI-Kongress zur Handelsgastronomie hatte Manuela Michel Tipps für Händler parat, wie diese die verschiedenen Kundengruppen erreichen können. Michel ist Director Retail & Lifestyle bei der Gesellschaft für Konsumforschung. Bei Kunden mittleren Alters empfiehlt sie etwa eine Café-Bar mit selbstgemachten, frischen regionalen und vegetarischen Gerichten, inklusive Kinderspielecke oder auch Brunchevents. Um Berufstätige zu erreichen, seien Convenience- Produkte im Vorkassen-Mini- Store gut sowie reine Readynebento- eat-Regale amEingang. Jüngere Kunden seien unter anderem durch Lifestyleorientierte Angebote zu erreichen wieObst-Bars, Smoothie-Bowls, Sushi (auch zum Selbstzusammenstellen) oder Street-Food- Events mit Food- Trucks sowie Veggie-Produkte.

Ein Blick auf das Einkaufsstättenportfolio bei Backwaren zeigt aber auch: Es gibt noch Potenzial. „18 Prozent der Konsumenten lehnen Backstationen ab“, sagt IFH-Expertin Eichholz-Klein. „Das betrifft vor allem ältere Konsumenten, so sind es immerhin 56 Prozent der Altersklasse 60 plus, die nach eigener Aussage keine Produkte aus Backstationen kaufen.“ Die Altersgruppe der bis 29-Jährigen hingegen greife am häufigsten zu Produkten aus Backstationen. Hier begünstigten unterschiedliche Einkaufsrhythmen den Verzehr von Convenience-Produkten, „man kauft sich schnell mal eben was für zwischendurch.“

Dabei hat sich nicht nur was das Sortiment angeht einiges getan bei den Backstationen im Handel. Nach etlichen Jahren hat sich Aldi von seinen klotzartigen Backautomaten verabschiedet, setzt nun, wie der Rest des Handels, auf offene, wertige und transparente Warenpräsentation, hat das Sortiment veredelt. Optisch aufgerüstet hat auch Lidl: In neuen Filialen, aber auch in modernisierten Outlets, befindet sich die Backstation – soweit baulich möglich – direkt am Eingang. Dank neuer, halbrunder Möbel im heller Holzoptik ist der Auftritt wertig, erhält insgesamt den Charakter einer Vorkassenzonenbäckerei. „Gemeinsam haben alle Backstationen die zentrale Platzierung sowie eine größtmögliche Transparenz für unsere Kunden“, heißt es aus Neckarsulm, „die Gestaltung unserer Backstationen sowie die Einsicht in die Öfen haben wir bewusst offen gewählt, damit unsere Kunden sich von der Frische und Qualität direkt überzeugen können.“ Je nach Region und Backstation haben die Kunden die Auswahl zwischen 22 bis 36 Artikeln. Auch regionale Vorlieben würden bedient: Franzbrötchen gehören in Hamburg und Umgebung ebenso zum Angebot wie Müncher Laibchen in und um München.


2017 sind laut IFH die Ausgaben insgesamt für Brot- und Backwaren im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 Prozent gestiegen. „Im LEH liegen die Wachstumsraten deutlich über diesen 1,1 Prozent. Dabei realisiert das Brotregal geringere Wachstumsraten, aber dort werden nach wie vor 70 bis 80 Prozent der Umsätze dieser Warengruppe realisiert“, sagt Eichholz-Klein. Auch Backstationen sind nach wie vor umsatzstark, „so lag die Entwicklung 2017 jenseits der fünf Prozent, also deutlich über dem Gesamtmarkt.“ Die Wachstumsraten des Bäckerhandwerks liegen im Vergleich auf geringerem Niveau.

Die Vorkassenzone entwickelte sich mit einem Plus von zwei bis zu drei Prozent im vergangenen Jahr ebenfalls positiv. „Händler können mit einem Premiumbäcker in der Vorkassenzone ihren Auftritt aufwerten“, sagt Eichholz-Klein. Der prozentuale Anteil der Kunden, die sich nur dort mit Brot und Backwaren eindeckt, steigt langsam, aber stetig.

Beeindruckende Zahlen hat das EHI Retail Institute jüngst in einer Studie zur Handelsgastronomie präsentiert: An 33.000 Standorten im Handel (dazu zählen auch etwa Tankstellen, Shoppingcenter, Baumärkte und Gartencenter sowie der Buchhandel) werden mit einem gastronomischen Angebot (inklusive To-go-Produkte) rund neun Milliarden Euro brutto umgesetzt. Mehr als die Hälfte davon, also 5,2 Milliarden, landet in den Kassen des LEH: Etwa drei Milliarden Euro entfallen auf die Vorkassenzone, etwa zwei Milliarden auf die To-go-Convenience, rund 200 Millionen auf die Gastronomie auf der Handelsfläche. Als To-go-Convenience gelten nach dieser Rechnung fertige Salate, Sandwiches, Smoothies oder Sushi, eben „Produkte der höchsten Fertigungsstufe“, wie es beim EHI heißt.

Also alles in Butter mit Brot und Backwaren? Doch Susanne Eichholz-Klein dämpft die Freude etwas: „In Bezug zu anderen Frischesortimenten war das Wachstum des Brot- und Backwarenmarktes 2017 eher moderat“, sagt die IFH-Branchenexpertin. So wurde bei Obst und Gemüse ein Umsatzzuwachs von fast fünf Prozent generiert, Molkereiprodukte konnten – preisbedingt – um bis zu sieben Prozent zulegen. Insgesamt haben sich die Frischesortimente mit einem Plus von rund zwei Prozent im letzten Jahr positiv entwickelt. Ernüchternd auch der Blick auf die Erzeuger- und Verbraucherpreisentwicklung bei Brot- und Backwaren: Der Preisdruck ist laut IFH erheblich, die Verbraucherpreise liegen unterhalb der Erzeugerpreise: Seit 2014 geht die Schere immer weiter auf zulasten der Erzeugerpreise. Das Wachstum in diesem Segment ist nach Zahlen des IFH auf Preiserhöhungen zurückzuführen, die Verbrauchsmengen sind rückläufig.

Das wird Trend
  • Was ist bei Brot- und Backwaren Trend, was ist demnächst angesagt? Fragen, mit denen sich Chris Brockmann beschäftigt hat. Er ist Research Manager für den Bereich Europa, Naher Osten, Afrika (EMEA) bei den britischen Marktforschern von Mintel.
  • Herkunft der Zutaten wird immer wichtiger: Der Kunde erwartet auf der Verpackung detaillierte Informationen dazu
  • Alte Getreidesorten bleiben im Fokus, neu sind Brote mit Teff (Zwerghirse), Hirse- Varianten oder der alten Weizensorte Khorasan, bekannt als Kamut
  • Sauerteig-Produkte erobern das SB-Regal
  • Die Produkte müssen optisch etwas hermachen: vor allem süße Produkte werden so via Instagram oder Facebook zum Verkaufshit
  • Proteinreiche Brote, Kräuter als gesundheitsunterstützende Ergänzung
  • Mehle, die nicht aus Korn sind, wie Mandel, Kokosnuss, grüne Banane oder Kaffeemehl werden in den nächsten fünf Jahren immer wichtiger

Der Strukturwandel bei Brot und Backwaren bleibt spannend. Exemplarisch lässt er sich an den SB-Bäckern festmachen: Als Verkäufer von Brötchen und Broten gestartet, gibt es dort fast nur noch veredelte Produkte, seien es Sandwiches, belegte Brötchen oder Wraps. Dazu wurde auch das Getränkesortiment immer breiter und tiefer. In den neuen Filialen der Back-Factory etwa, einer Tochter von Harry-Brot, gibt es generell keine unbelegten Brot- und Backwaren mehr. „An einigen Traditionsstandorten führen wir dieses Sortiment noch“, heißt es aus Hamburg. Wo, das bestimme die Kundennachfrage. Neu bei Back-Factory sind die Snacköfen, in denen Kunden die Produkte nach Bedarf nochmals erhitzen beziehungsweise bräunen lassen können. Generell, so die Hamburger, werde der Bereich Eigenproduktentwicklung immer wichtiger. Und auch bei den Getränken müsse man sich für die Kunden etwas einfallen lassen: Derzeit laufen Tests mit Stationen, an denen der Kunde seine Limonade selbst zusammenstellen kann. Convenience und Frische: Sie sind die Treiber bei Brot- und Backwaren. Und der Handel kann weiter davon profitieren, wenn er die Kundenwünsche weiterhin gut im Auge behält.