Interview mit Jürgen Norbert Baur „Ich brauche keine Baur-Eigenmarke“

Er kann in diesem Jahr 25 Jahre seiner Selbstständigkeit feiern: Jürgen Norbert Baur darf zu Recht als einer der erfolgreichsten Edeka-Kaufleute genannt werden. Es muss damit zu tun haben, dass er stets rechtzeitig die Weichen stellt. Auch bei der Nachfolge.

Donnerstag, 09. August 2018 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild „Ich brauche keine Baur-Eigenmarke“
Bildquelle: Jürgen Norbert Baur

Es war eine kleine, fast unscheinbare Anzeige, mit der die Edeka Baden-Württemberg Anfang der 90er-Jahre Existenzgründer suchte. Einer, der sie las, war sofort hellwach! Das war es, was er wollte: Jürgen Norbert Baur hatte Kaufmann gelernt, sich betriebswirtschaftlich weitergebildet, im Warenhaus gearbeitet und Führungsverantwortung übernommen. Aber er war – und ist – ein Freigeist, der sich in engen Strukturen einer zentralisierten Handelsform schnell langweilt. Zwar wollten die Baden-Württemberger Genossen den Warenhaus-Manager gar nicht so gerne, es klappte dann aber doch, und Baur zeigte, was er konnte. Am 1. April 1993 (kein Scherz) eröffnete er seinen ersten Laden in der Konstanzer Innenstadt, im Untergeschoss eines Woolworth, von den Konstanzern liebevoll „Wooli“ genannt. In wenigen Jahren hatte er den Umsatz verdoppelt, nach acht Jahren vervierfacht. Heute betreibt Baur zehn Märkte mit zusammen fast 20.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, steht für einen Gesamtumsatz von 135 Millionen Euro und beschäftigt rund 600 Menschen aus mehr als 30 Nationen.

Herr Baur, Glückwunsch, Sie können feiern. 25 Jahre Selbstständigkeit, Sie führen aktuell zehn Märkte, gehören zu den Top Ten der Edeka-Selbstständigen national. Aber Sie können nicht überall sein. Welche Rolle spielen Sie im Unternehmen?
Jürgen Norbert Baur: Da ich der Unternehmer bin, verstehe ich mich als Impulsgeber und stelle mich voll und ganz in den Dienst des Unternehmens. Zudem gilt für den Kaufmann die eigene Präsenz im Markt als Erfolgsfaktor. Wer aber filialisiert, kann nicht in jedem Markt präsent sein. In meinen Märkten sind die Marktleiter oder Centerleiter die Ansprechpartner vor Ort. Sie leiten den Laden. Der Schlüssel für erfolgreiche Expansion sind also die Führungskräfte in den Märkten.

Das kann aber nicht alles sein. Ihre Erfolgsfaktoren?
Für mich persönlich: Hartnäckigkeit und Erfahrung mit dem Willen zum Multiplizieren. Dabei gilt es, die personellen und finanziellen Strukturen zu schaffen, um zu wachsen. Letztlich brauchen sie dafür auch eine ordentliche Portion Risikobereitschaft. Und natürlich einen Partner wie die Edeka. Nur zusammen haben wir die Expansion geschafft. Edeka ist eine tolle Marke, aber der Händler muss selber zu einer werden. Und im Markt gilt es, Mitarbeiter zu finden und zu halten, die sich mit ihrem Laden identifizieren, die freundlich sind, Kunden kennen, auf sie zugehen. Denn mit den Menschen im Markt differenzieren wir uns entscheidend.

Das Unternehmen
  • Aus einem Edeka-Baur-Markt sind mittlerweile vier E-Aktiv-Märkte und ein E-Center in Konstanz geworden. Außerdem gibt es in der Bodenseeregion weitere vier E-Aktiv-Märkte und ein E-Center.
  • Aus 30 Mitarbeitern im Jahr 1993 wurden 600 im Jahr 2017, mit mehr als 30 Auszubildenden.
  • „Richtig schön einkaufen“ heißt bei Baur, Menschen mit Leidenschaft zu Lebensmitteln zu treffen, die als Ratgeber zur Seite stehen, die Geschichte und Geschichten über Lebensmittel und deren Zubereitung zu erzählen wissen und immer für den Kunden da sind, wenn er oder sie eine Orientierungshilfe auf dem Weg durch die bunte Vielfalt des Sortiments benötigt.

Bekommen Sie ausreichend Mitarbeiter in einer Region mit praktisch Vollbeschäftigung und der Schweiz in der Nähe?
Es wird schwerer. Aber noch sind wir erfolgreich. Leider sind von 100 Bewerbern vielleicht zehn geeignet. Vor allem gibt es wenige, die sich auch in der Öffentlichkeit bewegen können. Deshalb setzen wir schon lange auf Eigengewächse. 50 Auszubildende hätte ich gerne, derzeit sind es über 30. Wir engagieren uns aber auch sehr, suchen intensiv, kümmern uns, schulen. Ganz wichtig: Wertschätzung für die Mitarbeiter. Die Kunden spüren das: Wie ist die Stimmung bei den Mitarbeitern, wie die Atmosphäre im Markt? Gute und zufriedene Mitarbeiter haben eine hohe Produktivität. Das deckt dann auch die Kosten.


Viele erfolgreiche Unternehmer scheitern, wenn Sie ihre Nachfolge regeln sollen. Sind Sie besser vorbereitet?
Sie haben Recht, der Generationenwechsel ist eine der größten Unternehmens-Herausforderungen. Mein Plan ist, mit 65 Jahren in Teilzeit-Ruhestand zu gehen und eine beratende Funktion wahrzunehmen. Neben einem Top-Leitungsteam habe ich drei Kinder, die alle im Unternehmen sind. Wir sind vorbereitet. Die Zukunft haben wir – mit Unterstützung eines Mediators – gemeinsam intensiv diskutiert. Wir sind uns einig. Derzeit unterstützt mich meine jüngere Tochter Carmen in der Warenwirtschaft und gemeinsam mit meiner älteren Tochter Julia, die jetzt 2 Kinder hat, in der Buchhaltung. Mein Sohn David ist voll eingebunden in die IT, Azubibetreuung und Social-Media-Aktivitäten. Zudem habe ich meine Schwester Sabine Seibl als Geschäftsführerin an meine Seite geholt. Wir alle ziehen an einem Strang, das ist ein gutes Gefühl und lässt mich beruhigt in die Zukunft blicken.

Wollen Sie noch größer werden?
Wir haben derzeit einige Märkte in der Entwicklung. Damit erreichen wir eine strategische Größe, die uns absolut konkurrenzfähig macht.

Welche Themen beschäftigen Sie derzeit am meisten?
In nicht allzu ferner Zukunft werden mehr Lebensmittel online verkauft werden. Das werden vor allem solche sein, die wenig oder keine Emotionalität vermitteln. Das wird vor allem die Discounter treffen. Der Supermarkt der Zukunft wird sich verändern, spezialisieren und seine Sortimente vertiefen müssen. Eine große Chance für den Vollsortimenter.

Zum Supermarkt der Zukunft gehört mehr. Was wird das sein?
Es hört sich fast langweilig an: Dem Kunden dienen. Wer einen Dienst leistet, ehrlich und gut, der gewinnt. Das bedeutet: Bereitschaft zu hohen Personalkosten, die Ausrichtung am Kunden und Sortimente, die sonst keiner hat. Wir müssen ständig nach Produkten suchen, die der Kunde am Standort will – bei aller Zentralisierung. Der Supermarkt wird zum Frischelieferant par excellence. Der Versorgungskauf steht dabei nicht im Vordergrund. Der Convenience-Gedanke wird eine große Rolle spielen, die Kühlung wird noch wichtiger, Gesundheitsbewusste müssen bedient werden. Wichtig ist mir: Wir machen keine Läden von der Stange.

Ihre Meinung zur Gastronomie im Handel?
Da bin ich konservativ. Wir machen das behutsam. Da, wo wir es anbieten, läuft es gut. Wir sehen das als Dienstleistung für den Kunden und ein Stück Marketing.

Sie haben keine Baur-Eigenmarke. Warum? Viele Ihre Kollegen machen das anders...
Die Edeka-Eigenmarken führen wir zu 90 Prozent. Ich selber brauche keine Eigenmarke. Ich setze eher auf Regionalität. Seit 2004 habe ich die Marke „Gutes vom See“ mitentwickelt. Hier werden auf einer Plattform Erzeuger gebündelt, die etwa 50 Kilometer rund um den Bodensee angesiedelt sind

Sie haben in 25 Jahren als selbstständiger Kaufmann viel erreicht. Und nicht nur mit den eigenen Läden, sondern auch als Aufsichtsrat bei Edeka Südwest und in der Hamburger Zentrale. Wie verkraftet man Erfolg?
Das, was ich tue, ist meine Erfüllung. Das fordert mich und meine Mitarbeiter. Ich bin ein zufriedener Mensch. Dabei geht es nicht immer aufwärts. Im Laufe der Zeit wird das Tal kleiner und der Berg größer. Ich war allerdings schon mit meinem ersten Standort recht erfolgreich, und die Filialisierung ging dann schnell voran. Über die 25 Jahre hinweg hatte ich insgesamt 20 Märkte. Davon wurden auch einige wieder geschlossen. Aus dieser Phase habe ich viel gelernt und zusammen mit der Edeka die Strukturen in meinem Unternehmen verbessert: Personal, Einkauf, Marketing. Mit unseren jetzt zehn Märkten sind wir sehr gut aufgestellt.

Das könnte Sie auch interessieren