Interview mit Philipp Rieländer „Der Discount-Wandel birgt Chancen“

Im Jahr des 165-jährigen Bestehens der Lüning-Gruppe ist die Digitalisierung eine zentrale Herausforderung für Geschäftsführer Philipp Rieländer. Für das Unternehmen steht 2018 außerdem im Zeichen des 50. Jubiläums der Elli-Märkte.

Mittwoch, 17. Januar 2018 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild „Der Discount-Wandel birgt Chancen“
Bildquelle: Peter Eilers

Die Lüning-Gruppe wird in diesem Jahr 165 Jahre alt – ein stolzes Alter für ein Familienunternehmen. Wie schaffen Sie es, im hart umkämpften Markt zu bestehen?
Philipp Rieländer: Zum einen haben wir mit der Edeka als Marktführer einen starken Partner an unserer Seite. Zum anderen ist die Vielschichtigkeit unserer Unternehmensgruppe ein enormer Vorteil. Unsere vier Geschäftsbereiche Großhandel, Einzelhandel, Ladenbau sowie unsere Werbeagentur führen dazu, dass unser Unternehmen breit aufgestellt ist – rund um das Kerngeschäft des Handels. Das bringt in guten Jahren Wachstumschancen in den unterschiedlichsten Bereichen mit sich. In konjunkturell anspruchsvollen Zeiten sind die Risiken breit gestreut.

Was machen Sie als Großhändler besonders gut?
Die Betreuung unserer Großhandelskunden erfolgt durch Außendienstmitarbeiter mit breitem wie tiefem Wissen in Bezug auf das tägliche Geschäft unserer Kunden. So werden unsere Lebensmittelhändler im Wesentlichen durch ehemalige Marktleiter und unsere Tankstellenkunden durch frühere Tankstellenbetreiber betreut. So können wir als Großhändler unsere Kunden nicht nur beim täglichen Handeln gut beraten, sondern auch bei der Weiterentwicklung ihrer Geschäfte unterstützen. Hierzu bieten wir beispielsweise unseren Lebensmittelhändlern mit dem Frischmarkt-Konzept ein etabliertes und funktionales Format an, das dem Einzelhändler viel Arbeit abnimmt und schlanke Kostenstrukturen ermöglicht.

Kleinflächen zu betreiben, gilt vielen heutzutage nicht mehr als profitabel. Was ist das Erfolgsgeheimnis Ihres Frischmarkt-Konzeptes?
Nahversorgungskonzepte gibt es viele am Markt. Die größte Herausforderung ist, diese profitabel zu betreiben. Deshalb steht dies auch bei dem Konzept ,Ihr Frischmarkt‘ besonders im Fokus. Adäquate Warenspannen, schlanke Kostenstrukturen sowie Dienstleistungspakete, die dem Händler viel Arbeit ersparen, sind neben der hohen Beratungsleistung des Lüning-Teams die wesentlichen Bausteine für den Erfolg des Frischmarkt-Konzeptes.

Was unterscheidet Lüning-Märkte von denen der Edeka?
Im Sortiment gibt es überwiegend Gemeinsamkeiten, da Edeka hier unser Hauptlieferant ist. Als Händler aus Ostwestfalen setzen wir aber einen starken Fokus auf die Vermarktung der tollen Lebensmittel aus unserer Region. Unter dem schönen Wort ,Heimat‘ verkaufen wir Produkte, die vor unserer Haustür angebaut, verarbeitet, veredelt oder produziert werden. Mit einem Anteil von mittlerweile fast 10 Prozent am Lebensmittelumsatz sind diese Produkte eine feste Größe in unserem Sortiment und zeigen, dass der Kunde unser Engagement für die Region honoriert.

Ein Unterschied ist auch die Lüning-Karte für Kunden. Wieso haben Sie nicht die Deutschland-Card übernommen?
Wir wollten ein Kundenbindungsinstrument schaffen, das über das reine Sammeln von Punkten hinaus, dem Kartennutzer noch weitere Vorteile bieten kann, zum Beispiel Sonderpreise auf bestimmte Produkte. Zudem war es uns wichtig, dass wir mit der Kundenkarte auch noch eine zusätzliche Kommunikationsebene mit unseren Kunden schaffen. Um diese Elemente zu erreichen, schien es uns besser, eine eigene Kundenkarte aufzulegen. Aktuell besitzen 14.900 Kunden eine Lüning-Karte.

Wie soll diese neue Kommunikationsebene aussehen?
Unsere Kunden können uns ihre Interessengebiete sowie ihre E-Mail-Adresse angeben, wenn der Dialog mit uns gewünscht ist. Auf diesem Weg können wir dann unseren Kunden für sie relevante Informationen zukommen lassen, wie Einladungen zu Kundenabenden oder Neuheiten im Sortiment.

Welche Themen werden den LEH im Jahr 2018 beschäftigen?
Für den Lebensmittelhandel und somit für Lüning ist es auch 2018 wichtig, gute, qualifizierte und leidenschaftlich handelnde Mitarbeiter für unser Unternehmen zu finden und langfristig dafür zu begeistern.


Wie gelingt Ihnen das bei Lüning?
Wir bieten die Werte und Nachhaltigkeit eines Familienunternehmens verbunden mit der hohen Dynamik eines mittelständischen Unternehmens. Und das kommt gut an: Im Jahre 2017 konnten wir uns über 1.300 Bewerbungen freuen. Um gute Mitarbeiter zu finden, gehen wir die unterschiedlichsten Wege – Online-Jobportale, Stellenanzeigen, Facebook und Berufsmessen. Unser eigentlicher Erfolg liegt jedoch nicht darin, die kreativste Stellenausschreibung zu schalten, sondern in den eigenen Mitarbeitern, die wir ermutigen, Freunde und Bekannte für offene Stellen in unserem Unternehmen zu begeistern. Wir sind der festen Überzeugung, dass unsere Mitarbeiter durch ihre Eigenschaften, Talente und Charakterzüge die wirklichen Werte unseres Unternehmens widerspiegeln und somit auch am authentischsten für Lüning als Arbeitgeber werben können.

Welche Herausforderungen gibt es noch für 2018?
Unser Ziel ist es, unsere Einzelhandelsformate E-Center Lüning, die Elli-Märkte und SB-Center weiter zu starken Handelsmarken auszubauen. Hierzu werden wir weiter in die Wohlfühlqualität unserer Märkte investieren, um Kunden zu Fans zu machen. Darüber hinaus stellen wir unseren Marketing-Mix sehr breit auf, um nah bei möglichst vielen Kunden zu sein. Neben dem Handzettel und der bereits erwähnten Kundenkarte setzen wir hier auf unser Kundenmagazin ,Heimatleben‘, starke Facebook-Auftritte unserer Märkte, Radiowerbung und interessante Kundenevents.

Welche weiteren Themen beschäftigen Sie?
Ganz klar das Thema Digitalisierung – nicht zwingend im Hinblick auf den Einstieg in den Online-Handel, sondern mit zwei anderen Stoßrichtungen am PoS: Prozessoptimierung und Mehrwertschaffung für unsere Kunden. Zu ersterem gehören beispielsweise die automatische Disposition und eine IT-gestützte Personaleinsatzplanung sowie ein digitales Checklisten-System und elektronische Regaletiketten. Einen Mehrwert für Kunden kann die Digitalisierung im Handel durch Elemente wie Self-Scanning, aber auch intelligente Kundeninformationssysteme bringen.

Das Unternehmen

Max Lüning legte 1853 mit einem Kolonialwarengeschäft in Rietberg den Grundstein für die Firmengeschichte. Heute ist die Lüning-Gruppe in die Sparten Großhandel, Einzelhandel, Ladenbau und Werbung unterteilt und beschäftigt 1.650 Mitarbeiter. Die Edeka Minden ist seit 1989 mit 49 Prozent an der Lüning-Gruppe beteiligt. Philipp Rieländer ist seit 2013 in der Unternehmensleitung. Die Gesamtumsätze beliefen sich 2017 laut Prognose von Trade Dimensions auf 541 Mio. Euro. Lüning betreibt selbst 11 SBCenter, 21 Elli- Märkte und drei E-Center. Das Unternehmen beliefert rund 400 Tankstellen sowie insgesamt 400 selbstständige Einzelhändler, etwa 100 Märkte davon laufen unter dem Frischmarkt-Konzept. Kunden sind u. a. türkische Händler, Drogerien und Dorfläden.

Welche neuen Projekte gibt es 2018 bei Lüning?
Im Jahr 2018 haben wir die große Freude, das 50-jährige Jubiläum unserer 18 Elli-Märkte feiern zu können. Dies werden wir zusammen mit unseren Kunden ausgiebig feiern: mit tollen Angeboten, spannenden Aktionen in unseren Märkten und mit unseren regionalen Lieferanten sowie der Eröffnung eines neuen Elli-Marktes an einem unserer ältesten Standorte.

Vielen Händlern bereitet es Sorgen, dass der Discount aufrüstet. Wie sehen Sie das?
Der Discount ist sicherlich ein Treiber, der den Vollsortimenter im dynamischen Wettbewerb zur ständigen Weiterentwicklung mahnt. Das heißt, wenn der Discount sich weiterentwickelt, muss sich auch ein Vollsortimenter hier und da neu erfinden und neue Wege gehen. Die aktuelle Entwicklung des Discounts setzt sicherlich den anonymen, gewöhnlichen Supermarkt unter Druck. Es bringt aber auch Chancen für den selbstständigen, kreativen Einzelhändler mit sich.

Ist ein Gastronomie-Konzept eine gute Möglichkeit, um den Discount auf Abstand zu halten?
Ich bin davon überzeugt, dass die Nachfrage nach Möglichkeiten zum direkten Verzehr im Markt weiter ansteigen wird. Bietet man dem Kunden hier ein gutes Angebot, so kann man sich damit vom Wettbewerb absetzen. Wie diese Verzehrmöglichkeit im Einzelhandel dann aussehen sollte, damit sie Kunden und Handel Freude macht, ist sicherlich die spannende Frage. Denn ein guter Einzelhändler ist nicht automatisch ein guter Gastronom. Aktuell beschreiten wir den Weg im E-Center in Rietberg, dass wir nach den Kassen einen angenehmen, großzügigen Sitzbereich für unsere Marktkunden geschaffen haben, die ihre vielfältigen Einkäufe auch direkt vor Ort verzehren möchten. Um es einmal so auszudrücken: Kundennutzen und Händlerkosten stehen hier in einem guten Verhältnis.

Welche Trends sehen Sie im Sortiment?
Insgesamt liegen gute Lebensmittel mit einer interessanten Story und ansprechender Präsentation sicherlich auch weiterhin hoch im Kurs bei unseren Kunden. In vielen Warengruppen gibt es dafür tolle Beispiele, zum Beispiel bei Gewürzen, Snackartikeln und Convenience-Produkten. Zudem werden auch weiterhin echte regionale Produkte beim Kunden eine hohe Wertschätzung erfahren.

Foto: Philipp Rieländer, Geschäftsführer der Lüning Gruppe, ist offen für technische Neuerungen, wenn sie einen Mehrwert bringen.