Recht Grenzen enger gesteckt

Im Juni trat eine der größten Reformen des deutschen Kartellrechts in Kraft. Was es mit Schließung der „Wurstlücke“ und dem Anzapfverbot auf sich hat, dazu die auf Kartellrecht spezialisierte Rechtsanwältin Dr. Daisy Walzel.

Mittwoch, 04. Oktober 2017 - Management
Dr. Daisy Walzel

Der Begriff „Wurstlücke“ geht auf eine Gesetzeslücke zurück, die sich jüngst vor allem mehrere Mitglieder des Wurstkartells zunutze gemacht haben. Früher konnte eine Gesellschaft nämlich nur dann ein Bußgeld erhalten, wenn sie zum Zeitpunkt des Erlasses der Bußgeldentscheidung wirtschaftlich und rechtlich (im Wesentlichen) noch so unverändert existierte wie sie zum Zeitpunkt des Kartellrechtsverstoßes bestanden hatte.

Aufgrund dieser Lücke konnten bereits mehrere Unternehmen Bußgeldern von teils zweistelligen Millionenbeträgen dadurch entgehen, dass sie die kartellbefangene Gesellschaft umstrukturiert bzw. erhebliche Vermögenswerte verschoben hatten. Insgesamt sind damit alleine im Wurstkartell Bußgelder von rund 238 Mio. Euro entfallen.

Nach neuem Recht kann nun nicht mehr nur gegen die Gesellschaft, unter der ein Kartellrechtsverstoß unmittelbar begangen wurde, sondern parallel auch gegen die Konzernobergesellschaft ein Bußgeld verhängt werden. Zudem ist für Fälle der Rechtsnachfolge und der wirtschaftlichen Nachfolge bei Unternehmen vorgesehen, dass das Bußgeld auch gegen den jeweiligen Nachfolger festgesetzt werden kann. Differenzierte Übergangsregelungen dürften zudem verhindern, dass Unternehmen in laufenden Kartellverfahren noch von der Altregelung profitieren.

Gesetzgeber verschärfte das Anzapfverbot
Im Jahre 2009 hatte die Edeka-Zentrale bei Übernahme der Plus-Filialen bekanntlich von Lieferanten in einer Sonderverhandlungsrunde erhebliche Nachlässe gefordert. So wurde etwa rückwirkend die Anpassung bisher vereinbarter Zahlungsziele gefordert, Preisanpassungen und Ausgleichszahlungen aufgrund eines Bestwertabgleichs, die Zahlung von dauerhaften „Synergieboni“ sowie „Sortimentserweiterungsboni“ verlangt. Diese sogenannten Hochzeitsrabatte erachtete das Bundeskartellamt seinerzeit als unzulässig. Nach Meinung der Behörde lag hierin ein Verstoß gegen das sogenannte Anzapfverbot. Danach darf ein Handelsunternehmen seine Lieferanten nicht dazu auffordern, ihm Vorteile zu gewähren, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es als Nachfrager marktbeherrschend ist oder Lieferanten zumindest abhängig sind vom Verkauf ihrer Waren an dieses Handelsunternehmen.

Die Edeka-Zentrale wandte sich gegen die Untersagungsentscheidung des Bundeskartellamt und bekam vom Oberlandesgericht Düsseldorf Recht. Das Gericht befand im Kern, dass das Kartellamt das Anzapfverbot zu weit ausgelegt hatte.

Der Gesetzgeber hat hierauf nun reagiert und die Vorschrift verschärft: Nach der nun geltenden Regelung dürften einseitige Rabattforderungen durch (relativ) marktmächtige Unternehmen vor allem dann ausgeschlossen sein, wenn diese nicht nachvollziehbar berechnet oder begründet sind. Insbesondere rückwirkende Konditionenanpassungen dürften daher in der Regel nicht mehr zulässig sein.

Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis konkretisiert
Mit der Neuregelung wird der Verkauf von Lebensmitteln unter Einstandspreis nun dauerhaft verboten. Die entsprechende Vorschrift wäre sonst Ende 2017 abgelaufen. Verstöße können auch hier zu empfindlichen Bußgeldern führen.

Das Gesetz führt zudem erstmalig eine Definition des Begriffs des Einstandspreises ein. Diesbezüglich bestand bislang erheblicher Spielraum auf Seiten der Händler. Sie konnten allgemeine Vergünstigungen, die ihnen Lieferanten auf den ursprünglichen Einkaufspreis gewährt hatten (etwa WKZ, Boni, Skonti), auf den eigentlichen, ursprünglich vereinbarten Herstellerpreis einzelner Produkte umlegen. Damit konnte der Verkaufspreis entsprechend abgesenkt und der Zweck der Vorschrift weitgehend verfehlt werden.