Mobiler Handel Näher am Kunden

Während die Branche genau auf das guckt, was Amazon macht oder wie sich der Onlinehandel entwickelt, punktet der mobile Handel mit regionalen Waren und Kundennähe.

Mittwoch, 04. Oktober 2017 - Management
Susanne Klopsch
Artikelbild Näher am Kunden
Bildquelle: Borco-Höhns, Silvia Schulz

Mobile Händler stehen für Produkte, die nicht 1:1 an der Ladentheke des stationären Handels zu finden sind. Eigene Produktion oder Veredelung, regionale Produktvielfalt und außerordentliches Engagement zeichnen die Player im Markthandel und im Geschäft auf Verkaufstouren aus. Viele fahren mehrgleisig: Als Hersteller und Lieferant für den Supermarkt, als Händler im eigenen Geschäft oder als Shop-in-Shop-Lösung, mit Hofladen und im rollenden Fachgeschäft. Vorteile der Mobilität: Ist die Kundenfrequenz an einem Standort zu gering, rollt das Verkaufsmobil einfach weiter auf einen stärker frequentierten Wochenmarkt.

Die Fakten

Fahrzeugwerk Borco-Höhns wurde 1954 gegründet und ist nach eigener Aussage das einzige Unternehmen hierzulande, das Verkaufsmobile in eigener Herstellung anbietet. Es gibt daneben u. a. bundesweit Reparaturstützpunkte, offeriert werden auch Fahrzeuge.

Das Angebot entspricht dem Trend. Regionalität und Verbundenheit mit der Heimat haben sich hierzulande zum Megatrend beim Kauf von Lebensmittel entwickelt. Kaum ein Supermarkt, der nicht regionale Produkte gelistet hat, seien es Obst, Gemüse oder Fisch und Wurstwaren. Alle Player buhlen um die Kundschaft.

Der stationäre Handel punktet mit Ladenbau und Wohlfühlatmosphäre, riesiger Produktauswahl und Beratung. Der Onlinehändler mit großer Auswahl, Preisen wie im Supermarkt und Lieferung zum Wunschtermin. Und der Markthändler? Seine Kompetenzen liegen in der Produktkenntnis und in der Nähe zum Kunden. Das schafft Vertrauen. Vertrauen, das sich im Supermarkt durch die vorherrschende Anonymität nicht so einfach herstellen lässt. Es ist auch die besondere Atmosphäre, die auf jedem Wochenmarkt anders ist, hinzukommen die sozialen Kontakte.

Da wundert es nicht, dass die Anzahl der Wochenmärkte in den vergangenen Jahren zugenommen hat. 2013 waren es 3.300. 2017 sind es laut Komet Druck- und Verlagshaus, dem Spezialisten für die Veröffentlichung der wichtigsten Informationen zu Wochenmärkten, aktuell 3.480. Auf den Wochenmärkten und Verkaufstouren sind 50.000 Händler mit 25.000 rollenden Verkaufsfahrzeugen unterwegs. Wobei die Dichte von Wochenmärkten von Bundesland zu Bundesland unterschiedlicher nicht sein könnte. Gibt es in Berlin 44 Wochenmärkte, so sind es in Baden-Württemberg 450. Fest steht: Es werden mehr.

Darüber hinaus ist in jüngster Vergangenheit eine neue Art entstanden: der Feierabendmarkt. Dieser spezielle Wochenmarkt belebt nicht nur Innenstädte. Er bietet seine Waren genau dann an, wenn der Großteil der Bevölkerung Feierabend hat und auf dem Weg nach Hause ist.

Interview mit Lothar Geißler: „Es geht um den Erlebniskauf“

„Auf dem Wochenmarkt einkaufen, ist nicht Pflicht, sondern Kür“: Davon ist Lothar Geißler überzeugt, Geschäftsführer bei Fahrzeugwerk Borco-Höhns, dem Marktführer für mobile Verkaufsfahrzeuge.

Herr Geißler hat sich der Wochenmarkt und mit ihm Händler und Kunden verändert?
Lothar Geißler: Ja, denn der Wettbewerb im Lebensmittelhandel, Nachfolgeprobleme und schwierigere Personalgewinnung gehen auch am Wochenmarkt nicht vorüber.

Woran ist das zu erkennen?
Im Positiven daran, dass der Marktauftritt vom Fahrzeug, über die Warenpräsentation bis zum persönlichen Auftritt besser geworden ist und der heutigen Kundenerwartung entspricht. Schließlich geht es beim Wochenmarkt seit Langem nicht mehr um den Versorgungs-, sondern um den Erlebniseinkauf. Im Negativen an der Geschäftsaufgabe von Händlern und bei fehlender Nachfolge an kleiner werdenden Märkten.

Gibt es Trends und Entwicklungen und wenn ja, gelten die nur für den Wochenmarkt oder die gesamte Handelsbranche?
Regionale Frischeprodukte haben seit Langem in der Gunst der Verbraucher einen hohen Stellenwert. Der Wochenmarkt ist prädestiniert für dieses Angebot und genießt hohes Vertrauen. Dieser Trend wird sich weiter festigen. Die Kombination von Einkaufen, Probieren und gastronomischem Angebot ist im Handel schon angekommen, hat aber auf Wochenmärkten noch Luft nach oben. Mobile Gastronomie kann die Aufenthaltsqualität deutlich ver-bessern.

Was meinen Sie, wie wird der Handel mit Lebensmitteln in10, 15 Jahren aussehen: Wird es noch Supermärkte und Wochenmärkte geben?
Die Digitalisierung wird natürlich den Handel mit Lebensmitteln verändern. Mit welcher Geschwindigkeit, das ist kaum zu prognostizieren. Auch nach persönlich mehr als 40 Jahren im Geschäft mit Wochenmarkthändlern bin ich überzeugt, dass uns das Einkaufserlebnis Wochenmarkt in Deutschland und Europa erhalten bleibt – als wichtige Marktnische und für bessere Kundenfrequenz in Innenstädten. Qualitativ gut und für den Kunden: Das ist nicht die Pflicht, sondern die Kür.“