Round Table Frankreich „Frankreich braucht neue Ideen“

Die französische Küche genießt nach wie vor hohes Ansehen und Produkte aus Frankreich stehen für hochwertige Lebensmittel. Dennoch scheint die Aufmerksamkeit und Präsenz für Baguette und Brioche hierzulande nachzulassen. Eine Diskussion über Ursachen und Lösungen.

Donnerstag, 31. August 2017 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild „Frankreich braucht neue Ideen“
Bildquelle: Carsten Hoppen

Cuisine française, die Landesküche Frankreichs ist die einflussreichste Europas. Dabei gibt es „die“ französische Küche in Reinkultur nicht, die Regionen unterscheiden sich zum Teil deutlich. Aber dennoch: Frankreich gilt als ein Land der Weine und des Käse – Béchamel und Béarnaise klingen überall gut, und ein Baguette ist mittlerweile selbst aus der deutschen Küche nicht wegzudenken. Und: Das „gastronomische Mahl der Franzosen“ wurde 2010 als immaterielles Kulturerbe von der Unesco anerkannt.

Dennoch: In jüngster Zeit scheint der Einfluss der zu schwinden, Trends werden häufig anderswo gesetzt. Hat die französische Küche, haben französische Produkte ihren Einfluss und ihre Bedeutung verloren? Anlass für eine Gesprächsrunde der Lebensmittel Praxis bei Business France, der Vermarktungsorganisation der französischen Botschaft in Düsseldorf.

LP: Der Spruch „Leben wie Gott in Frankreich“ drückt auch aus, welchen Stellenwert die französische Küche in Deutschland hat. Oder ist das eher Vergangenheit?
Zimmermanns: Die Verbraucher in Deutschland suchen wieder mehr Qualität. Deshalb bemüht sich der Einzelhandel sehr, hochwertige Lebensmittel zu puschen. Eine Chance für hochwertige französische Produkte.

De la Fouchardière: Es sind generell eher positive Werte, die Frankreich und seine Produkte mit sich bringen. Aber: Nur ein Französisches Produkt zu haben, reicht nicht mehr aus, um es erfolgreich zu vermarkten. Konsumenten möchten heute mehr wissen: Wie werden Tiere gehalten, welche Zutaten sind enthalten, wo genau kommen Produkte her? Ich bin nicht sicher, ob heute ein „Leben wie Gott in Frankreich“ noch eine große Rolle spielt.

Köstler: In den Köpfen der Deutschen stehen französische Lebensmittel immer noch für hochwertige Lebensmittel.

Bakhaus: Die Aussage ist häufig noch in den Köpfen präsent, es wird nur wenig daraus gemacht. Französische Lebensweise und hochwertige Produkte müssen wieder in den Vordergrund gerückt werden.

Nottebohm: Natürlich hat Genuss seine Bedeutung, vor allem für den Vollsortimenter. Aber Genuss gilt auch als teuer. Und die Deutschen sind nun mal sehr preisaffin. Frankreich wird meistens auch mit „teuer“ verbunden. Sicher eine Schwierigkeit, aber auf der Fläche gut in Szene gesetzt, verkauft es sich dennoch.

Streifer: Das Image der französischen Produkte ist vorhanden. Die Qualität französischer Produkte ist hoch. Wir bewegen uns in Deutschland aber in einem preisgetriebenen Markt.

Die Teilnehmer von links nach rechts (Bild oben)
  • Martin Bakhaus, Sales Manager Deutschland Darégal
  • Doris Reifenhäuser, Exportberaterin Business France
  • Markus Krick, Leitung Strategische Planung & Akquisition Importhaus Wilms
  • Reiner Mihr, Chefredakteur Lebensmittel Praxis
  • Achim Zimmermanns, Geschäftsführer Deutschland und Nordeuropa Délifrance
  • Wolfgang Nottebohm, Vertriebsleiter Edeka Rhein-Ruhr
  • Wolfgang Dicke, Geschäftsführer Dicke Food Makes Fun
  • Christina Koestler, Marketingleiterin Délifrance
  • Adeline Noël-Grautmann, Exportberaterin Business France
  • Christian Hamm, Abteilungsleiter Lebensmittel Business France
  • Hervé Streifer, Direktor Ultra Fresh/ Fresh Food MCC Germany
  • Aymeric de la Fouchardière, General Manager Germany Savencia (nicht im Bild)

Frankreich steht auch in dem Ruf, eine eher komplizierte Küche zu haben. Hindert das die Vermarktung?
Dicke: Frankreich hat nicht nur Premium, sondern natürlich auch Convenience. Das Image aber wird nicht durch industriell hergestellte Ware bestimmt. Das Aushängeschild für Premiumprodukte werden immer handwerkliche Produkte sein.

Krick: „Leben wie Gott in Frankreich“ muss wieder jünger und moderner werden. Es geht letztendlich um ehrliche Produkte. Genuss ist eine Folge daraus, Convenience und Genuss stehen nicht im Widerspruch.

Wie sieht denn tatsächlich die Entwicklung französischer Produkte im Export nach Deutschland aus?
Hamm: Die Exporte französischer Produkte nach Deutschland steigen zwar wertmäßig, aber der Marktanteil sinkt. Italien hat Frankreich überholt. An erster Stelle steht Holland. Der Marktanteil französischer Produkte beträgt etwa 7,8 Prozent. Tendenz rückläufig.

Noël-Grautmann: Das gilt allgemein, es gibt aber auch Wachstumssegmente. Der TK-Umsatz zum Beispiel steigt, auch Convenience-Artikel. Feinkost hat dagegen ein eher „altes“ Image.

Frankreich steht doch eher für Feinkost und Premiumartikel. Was soll denn künftig das Image französischer Produkte ausmachen?
Streifer: Was heißt denn Premium? Wenn in Frankreich über Premiumprodukte gesprochen wird, ist damit immer die Spitze der Pyramide gemeint. In Deutschland ist oft schon Premium, wenn nur etwas Neues auf den Markt kommt. Eine gelungene Produktvermarktung muss aber auch eine Geschichte erzählen können. Tradition ist gerade für den deutschen Kunden sehr wichtig. Die hat Frankreich reichlich zu bieten.

Zimmermanns: Stimmt, wir müssen schon mit dem Display eine kurze Geschichte erzählen. Aber ebenso wichtig sind Symbole. Der Eiffelturm auf der Verpackung funktioniert. Dabei bleibt die Frage: Wo fängt Premium an? Ist etwas, nur weil es teuer ist, auch Premium?

Dicke: Nein, natürlich nicht. Beim Discounter suggerieren schwarze Packungen Premium. Das verwässert den Begriff. Hinzu kommt, dass Frankreich nicht allein den Anspruch auf Premiumprodukte hat. Richtig ist die Frage, wie der Konsument erreicht werden soll. Natürlich: Geschichte hinter dem Produkt, Know-how, Tradition, Qualität, Transparenz – aber wie sage ich das dem Kunden? Da muss die Kommunikation moderner werden:

Nottebohm: Mit französischen Produkten erreicht man – jedenfalls zurzeit – die jungen Leute nicht. Auch Premium ist für die kein Zugpferd mehr. Warum ist zum Beispiel Jägermeister bei jungen Menschen beliebt? Weil sie es an den richtigen Stellen geworben haben – die waren da, wo die Trends gesetzt werden, zum Beispiel in Ischgl mit orangenen T-Shirts. Das kostet natürlich Geld.

Hamm: Denken Sie, dass Eiffelturm oder französische Flagge immer noch wichtig für die Vermarktung französischer Produkte ist?

Nottebohm: Ja. Wir machen unsere Eigenmarken ja auch mit La France. Schwer wird es aber, jungen Leuten eine Quiche Lorraine zu verkaufen. Pizza ist da einfacher…

Streifer: Eifelturm oder Flagge sind Symbole für Frankreich, aber es gibt keine Abgrenzung zu den Regionen, die die Menschen zum Beispiel aus dem Urlaub kennen. Werbung muss daher auch mehr auf die Regionen verweisen, so dass sich der Konsument wieder findet.

Hamm: Gute Frage: Zieht eine Bewerbung der Regionen mehr, als eine Werbung zu Frankreich allgemein? Die Konsumenten finden am Regal ihren Urlaub nicht mehr wieder. Die Provence und das Elsass kennen die Menschen noch, aber Alpes-Maritimes oder Dordogne?

Dicke: Eiffelturm und französische Flagge sind super, werden aber langweilig, wenn es immer wieder wiederholt wird. Daher müssen wir die Regionen nutzen und mit Leben füllen. Der Eiffelturm kann ja oben drüber stehen.

Bakhaus: Französische Lebensmittel haben in Deutschland ein gutes Image. Das hilft uns aber nicht viel. Wir sind erfolgreich mit Tiefkühlware. Naturgemäß ist eine Promotion an der TK-Truhe schwieriger. Und generelle Frankreich-Wochen – gibt es die überhaupt noch?

Wenn, dann beim Discounter. Warum gelten zum Beispiel Aperol als leicht und unkompliziert und Pastis oder Cognac nicht?
Krick: Diese Produkte kommen über die Gastronomie. Die Deutschen gehen ganz selbstverständlich zum Italiener, aber in ein französisches Restaurant? Das strahlt dann auch auf den Lebensmittelhandel ab.

De la Fouchardière: Stories hinter dem Produkt ja. Aber wie sollen wir die erzählen? Social Networks eignen sich besonders. Wir müssen Markenwelten richtig darstellen. Es müssen Emotionen aus Frankreich nach Deutschland vermittelt werden. Wir tun das bei Geramont seit mehr als 30 Jahren.

Dicke: Marken sind natürlich auch in Frankreich da, sie finden sich auch im deutschen Supermarkt. Daneben gibt es aber Produkte, die weniger markiert sind, aber als Premiumprodukte den Theken- und Service-Bereich im Handel profilieren. Für diese Produkte müssen wir Handel und Kaufleute gewinnen.

Nottebohm: Frankreich-Woche läuft nicht, Italien-Woche schon. In meiner Region leben viele gebürtigte Italiener – da ist der Bezug gegeben. Frankreich müsste neue Ideen besser verkaufen. Nehmen Sie das Dîner en blanc (gemeinsames Essen, Kleidung, Dekoration alles in weiß, Ursprung Paris). Für Vollsortimenter ist das ein ideales Thema.

Krick: Ich glaube nicht, dass ein Produkt ohne Marke funktioniert. Die Marke verkauft letztlich, ohne Marke bin ich quasi Eigenmarke. Ein Beispiel ist unsere Distributionsmarke Maille: Über Jahre hinweg entwickelte sich die Marke aus der Nische heraus zu einem nicht mehr wegzudenkenden Eckartikel des Senfregals. Das Konzept der Länderwoche hingegen stammt aus den 1980ern /1990ern und funktioniert überwiegend nur noch bei Discountern.

Dicke: Wenn der Vollsortimenter Profil sucht, um kaufkräftige Kunden zu gewinnen, braucht er Produkte, die sich über Qualität und Herkunft auszeichnen. An der Bedientheke ist die Marke nicht gewollt. Das muss aber vom Händler gelebt und von Zentralen unterstützt werden. Große Chance für Frankreich.

Zimmermanns: Schön und gut. Sie sprechen dann aber von Produkten, die sich nicht jeder leisten kann. Premiumprodukte werden eher von älteren Kunden mit gutem Einkommen gekauft. Trends werden aber von jüngeren gesetzt.

Anuga und Frankreich

197 Aussteller aus Frankreich präsentieren sich in sieben Pavillons in verschiedenen Hallen: Fine Food, Dairy, Bread & Butter, Frozen Food, Drinks, Meat & Poultry, Chilled & Fresh Food.


Braucht man eventuell Speerspitzen, also besondere Produkte, die den Weg für andere Produkte bereiten?
Noël-Grautmann: Muss man mehr über Themen nachdenken? Der Apéritif à la française vereint mehrere Produktgruppen. Dies könnte ein Thema sein, um neue und breitere Zielgruppen anzusprechen.

Reifenhäuser: Diese Speerspitzen gibt es doch: „Label rouge“-Hähnchen müssten doch vermittelt werden können. Gerade jetzt, wo der Verbraucher mehr nach Herkunft, Aufzucht, Nachhaltigkeit fragt.

Krick: Die Frage ist schon, wie grenze ich mich ab, wie bin ich authentisch. Dazu muss ich mich intensiv mit dem Markt beschäftigen. Letztlich muss der Konsument bereit sein, für ein solches Produkt zu zahlen. Das bedeutet Kleinarbeit für den Hersteller, es ist nicht Aufgabe von Business France.

Bakhaus: Aber es wäre schon einfacher, wenn eine übergeordnete Organisation koordiniert. Handel und Hersteller müssen natürlich mitmachen.

Krick: Konzentration ist auch nicht schlecht: Norwegen zum Beispiel hat sich in seiner Kommunikation auf ein Thema eingeschossen: den Fisch. Natürlich gibt es dort auch andere Exportprodukte. Die Kommunikation wird jedoch auf eines konzentriert. Frankreich könnte ebenfalls Schwerpunkte setzen. Das könnte natürlich in Abständen auch wechseln.

De la Fouchardière: Es gibt noch eine andere Hürde. Leider sind viele französische Produzenten überzeugt, dass sie das ohnehin beste Produkt haben und dass sich dieses deshalb auch von alleine verkaufen wird. Anpassungen oder Zugeständnisse an den deutschen Markt? Fehlanzeige. Da ist man dann überrascht, wenn es in Deutschland nicht läuft. Hier denken die Hersteller viel zu wenig vom Konsumenten aus. Und der ist nun mal in Frankreich und Deutschland verschieden.

Krick: Stimmt. Das fängt manchmal schon bei den Verpackungen an. Manchem Produzenten fehlt hier die Einsicht in notwendige Vorleistungen zu treten.

Noël-Grautmann: Wie wichtig ist das Aufgreifen von Trends wie Vegan, Vegetarisch oder Bio?

Nottebohm: Vegan ist doch schon wieder tot. Flexitarier werden allerdings mehr werden.

Streifer: Es gibt bleibende Entwicklungen: Gesundheit lässt sich besser kommunizieren, genauso wie Regionalität oder Transparenz.

Hamm: Was wäre aus Ihrer Sicht zu tun, um den Absatz französischer Produkte voranzubringen?

Köstler: Dem Verbraucher müssen Konsumanlässe nahe gebracht werden, die sie mit Frankreich verbinden. Beispiel Apéritif à la française. Vielleicht müssen auch ganz neue Anlässe geschaffen werden.

Zimmermanns: Der Handel muss mehr Mut aufbringen, hochwertige Rohstoffe und Produkten auch preislich darzustellen.

Nottebohm: Bei uns im Vollsortiment sind die Kunden im Durchschnitt rund 49 Jahre alt. Das sind Genussmenschen, und die geben auch Geld für Qualität aus. Wir brauchen aber mehr Ansprache von jungen Leuten. Wenn wir die Kraft, die wir zum Beispiel für Fleisch einsetzen, auch bei Geflügel aufbringen, wird es viel Bewegung geben. Und das kann Frankreich gut.

Streifer: Wir brauchen ein generelles Konzept, welches die Kategorie französischer Produkte transportiert. Apéritif ist ein Thema, aber auch generell „savoire vivre“, also „verstehen, gut zu leben“. Die Marktveränderungen in Deutschland – ein allmählicher Abschied von der reinen Preisfixierung – wäre die Chance für französische Erzeugnisse. Damit sind auch wieder bessere Promotions denkbar. Warum wird zum Beispiel der französische Nationalfeiertag am 14. Juli nicht besser genutzt: immer nur Austern, Rotwein und Champagner. Stattdessen sollten Trends aufgegriffen werden: gesund, fit, convenient.

Dicke: Wir brauchen tatsächlich mehr Kommunikationsanlässe. Diese müssen von einer übergeordneten Organisation wie Business France angestoßen werden.

Krick: Französische Unternehmen, die auf den deutschen Markt wollen, müssen sich mehr mit diesem beschäftigen. Bis zur Frage, ob überhaupt ein Markt da ist. Im Zweifel muss man den dann auch woanders suchen. Schön wäre es, die Frankreich-Wochen neu zu erfinden.

De la Fouchardière: Frankreich zeichnet sich durch eine große Vielfalt an Produkten aus. Die Kommunikation kann nicht alle erfassen. Wir müssen uns die Frage stellen, welche Kategorie beschreibt Frankreich am besten? An den Erfolg neuer französischer Verzehranlässe glaube ich weniger, das wurde zu oft schon vergeblich versucht. Eventuell ist es sinnvoll über ein übergeordnetes Label nachzudenken.