Ladenschluß-Einstiegstext Länger öffnen?

Der Widerstand gegen eine Öffnung der Geschäfte am Sonntag oder in Randzeiten schwindet. Was wollen die Verbraucher wirklich? Antwort gibt eine Umfrage der Lebensmittel Praxis in Kooperation mit Yougov.

Donnerstag, 10. August 2017 - Management
Reiner Mihr
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41 Prozent der Deutschen lehnen die Sonntagsöffnung komplett ab. Schon 37 Prozent sind aber dafür, 22 Prozent noch unentschieden. Das hat sich deutlich verändert. Noch vor einem Jahr war die Ablehnung breiter: Damals waren 54 Prozent dagegen. Klar ist: Die Deutschen sind sich in dieser Frage keineswegs einig. Das ergibt eine Umfrage der Marktforscher von YouGov (siehe Grafiken). Klar ist aber auch: Eingekauft wird auch am Sonntag und eigentlich immer – nur nicht in den Geschäften.

Die YouGov-Ergebnisse zeigen: Ein Viertel der Deutschen kauft mindestens einmal im Monat nach 20 Uhr ein, 12 Prozent tun das mindestens einmal pro Woche. Fast die Hälfte hat keinen bestimmten Einkaufstag mehr, und immer mehr kaufen, wenn sie kein offenes Geschäft finden, einfach online.

Dennoch ist die Zahl der Ablehner noch groß: Es sind die lokalen und bewussten Kunden, die gläubig sind, eher etwas älter sind, die gerne beim heimischen Händler kaufen. Die Befürworter sind die jüngeren Berufstätigen, die einfach und schnell einkaufen wollen. Und sie haben in der Regel ein etwas höheres Einkommen als die Ablehner. Die Gesetzgebungskompetenz liegt bei den Ländern. Dennoch: Was meinen die Bundestagsparteien?

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) hat auf unsere Anfrage bis Redaktionschluss nicht reagiert.

Sonntag schützen

CDU und CSU bekennen sich zum Sonntagsschutz. Der Sonntag ist der Tag des christlichen, sozialen und kulturellen Lebens, der Tag der gemeinsamen Zeit mit der Familie, Freunden und Nachbarn. Sonntage sollen auch der Ruhe und Entspannung vom Alltagsstress dienen und deshalb weit gehend geschützt sein. Die Parteien meinen, dass Sonntage grundsätzlich arbeitsfrei sein sollen und wenden sich daher gegen eine Ausdehnung der bestehenden Ausnahme-regelungen. Für einige Berufe gebe es berechtigte Ausnahmen, die jedoch fortwährend auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden müssten.

Regeln reichen

Die Grünen lehnen eine Ausweitung der Sonntagsöffnungen ab. Das bestehende Arbeitszeitgesetz bietet ausreichend Flexibilität für Unternehmen bei gleichzeitiger Sicherstellung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes der Beschäftigten, heißt es.

Arbeitsfreie Wochenenden dienen demnach nicht nur der Erholung, sondern auch der gemeinsamen Zeit mit Familie und Freunden.

Man setze sich dafür ein, die Mitsprachen der Beschäftigten bei ihrer Arbeitszeit und ihrem Arbeitsort zu stärken, da das nachweislich die Motivation, Gesundheit sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vergrößere.

Und die Familie?

Die AfD – Alternative für Deutschland habe hier noch keinen Beschluss gefasst. Es gäbe unterschiedliche Perspektiven, teilt der Bundesfachausschuss mit. ln der Arbeitnehmerlandschaft des Handels dominieren Frauen, heißt es. Eine Öffnung „rund um die Uhr“ hätte Einfluss auf das Familienleben mit Kindern. Auch steigende Kosten für den Handel entstünden. Dem steht, so die Auffassung der Partei, die Chance auf mehr Arbeitsplätze und nur eine Verschiebung der Umsätze gegenüber, den Konsum würden Verbraucher kaum steigern. Den besseren Weg habe die AfD noch nicht in der Tiefe analysiert.

Verbote aufheben

Die FDP: Die Partei setzt sich für flexible Ladenöffnungszeiten ein. In der modernen, digitalisierten Lebensrealität erscheinen ihr feste gesetzliche Öffnungszeiten antiquiert. Damit nicht mehr nur Online-Anbieter, sondern auch traditionelle Ladengeschäfte ihre Waren rund um die Uhr verkaufen können, setze man sich für flexible Ladenöffnungszeiten ein: Jedes Geschäft soll selbst entscheiden können, wann es öffnet und schließt. Das allgemeine Verkaufsverbot für den Einzelhandel an Sonntagen wolle man aufheben. Das gelte auch für andere Verbote, wie Dienstleistungen an Sonn- und Feiertagen.

Sonntag schützen

DIE LINKE will die Ladenöffnungszeiten nicht weiter liberalisieren.

Der eher geringe Flexibilitätsgewinn für die Kunden sei ein großer Verlust an Freiraum und Familienleben für die Beschäftigten. Die Linke setzt sich für den arbeitsfreien Sonntag und gegen zunehmende Kommerzialisierungs-Interessen zu Lasten der Gesundheit der Beschäftigten ein.

Um den im Grundgesetz vorgeschrie-benen Sonn- und Feiertagsschutz zu verwirklichen, bedürfe es bundeseinheitlicher Regelungen.

Diese würden in der kommenden Legislatur- periode weiterhin eingefordert.

Anders kaufen

Das Marktforschungsunternehmen YouGov fragt die Deutschen zu fast jedem Thema: in Zusammenarbeit mit der LP auch zum Thema Ladenöffnung. Drei Fragen dazu an Markus Braun, Head of Business Unit Reports bei YouGov.

Warum wollen viele Menschen offenbar auch sonntags einkaufen?
Markus Braun: Dafür gibt es verschiedene Gründe. Das Einkaufsverhalten der Deutschen hat sich geändert. Mittlerweile ist der Samstag der beliebteste Tag für den Wocheneinkauf. So passt es zum Zeitgeist, dass viele Menschen auch gerne sonntags einkaufen möchten. Das gilt vor allem für Berufstätige: Insbesondere Menschen im Alter von 35 bis 45 Jahren mit höheren Einkommen würden sich eine Sonntagsöffnung wünschen

Der Widerstand gegen eine Sonntagsöffnung scheint tatsächlich abzunehmen. Woran liegt das?
Online-Shopping wird für die Deutschen ein immer wichtigerer Bestandteil ihres Lebens. Auch im Lebensmittelhandel nimmt diese Entwicklung Fahrt auf. Zu jeder Tages- und Nachtzeit einkaufen zu können, verändert das Einkaufsverhalten und schärft gleichzeitig die Erwartungen an den stationären Einzelhandel. So bröckelt letztlich auch die Ablehnung der Sonntagsöffnung. Gegner der Sonntagsöffnung verlieren ihre Glaubwürdigkeit: Viele verstehen nicht, warum Arbeiten an der Tankstelle oder im Krankenhaus in Ordnung, im Supermarkt bedenklich sein soll. Ebenso verhält es sich mit einem Blick auf andere Länder – hier ist der sonntägliche Einkauf von Lebensmitteln kein Diskussionsthema mehr.

Birgt die Sonntagsöffnung Risiken für den Lebensmittelhandel?
Die Zahl der Ablehner einer Sonntagsöffnung ist mit 41 Prozent noch relativ groß, das darf man nicht unterschätzen. Auch wenn diese Zahl vermutlich weiter sinken wird, sollte man die Argumente der Gegner aufnehmen und sie bereits heute in der Kommunikationsstrategie berücksichtigen. Insgesamt betrachtet, schätze ich die Risiken für den Handel als recht klein ein: Die Gruppe der Befürworter ist eine attraktive Kundengruppe, die eine Sonntagsöffnung zu schätzen wissen wird.