Handel international Was in Europa auffällt

Elegant designte Outlets, convenience-orientierte Kleinflächenkonzepte, Bio im Osten: Es geschieht einiges in den Supermärkten des Kontinents, findet Boris Planer von Planet Retail.

Donnerstag, 13. Juli 2017 - Management
Nicole Ritter
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Österreich, die Niederlande , Portugal, Polen, Frankreich, England, das Rheinland, das tiefe Sachsen und jetzt noch zum Abschluss eine Woche Berlin: Die letzten zwei Monate ließen in Sachen Reisetätigkeit nicht viel zu wünschen übrig. Am Ende stand eine dreistellige Anzahl an Supermarktbesuchen und Branchengesprächen – sowie die Frage meiner Chefin, ob ich gut genug darin sei, nein zu sagen. Es wäre nicht hilfreich, darauf jetzt mit „nein“ zu antworten, ich überlege also noch weiter. Meinen Besuch in Belgien hatte ich allerdings wirklich abgesagt (zumindest verschoben).

Der Autor

Boris Planer ist Retail Analyst bei Planet Retail. Er berichtet künftig im Wechsel mit seinen Kollegen an dieser Stelle über Entwicklungen im internationalen Handel.

Leitfrage meiner Reisen war: Was fällt auf in Europa? Zunächst einmal ist das neue Konzept eines modernen Supermarktes, das sich anschickt, sich in Deutschland durchzusetzen, jetzt auch in Europa auf breiter Front unterwegs. Einzelhandel heißt immer auch, von anderen zu lernen; außerdem stecken – wie einst im Mittelalter hinter sich ähnelnden Kathedralen die wandernden Bauhütten – auch hinter den internationalen Elementen des Supermarktdesigns immer dieselben Unternehmensberatungen.

Und so setzen sich bestimmte Design‧elemente allmählich auch international durch: die Obst- und Gemüseabteilung als Wochenmarkt inszeniert; Holz als suggeriertes Bekenntnis zu Ursprünglichkeit und lokaler Landwirtschaft; mediterrane Kacheln in Fischabteilungen als Appell an Urlaubsgefühle; Schwarz als Signalfarbe des Hochwertigen (gab es zwar schon vor zehn Jahren in Großbritannien, kommt jetzt aber doch noch im größeren Stil aufs Festland); dunkle Fußböden; und vor allem auch saubere Fußböden (beides geht wohl Hand in Hand, wie Klaus Gehrig von der Schwarz-Gruppe kürzlich mahnend andeutete).

In den Regalen sind Bio, Regional und Wellness angesagt. Zu Wellness gehören nach einer von mehreren nachvollziehbaren Auffassungen die Produktgruppen Gesundheit und Schönheit, wobei die Verschmelzung der beiden jetzt zunehmend auch optisch vollzogen wird. Dahinter steckt offensichtlich der Gedanke, dass Schönheit bereits mit Gesundheit und Wohlbefinden beginnt und der Lippenstift sozusagen nur den Schlussstrich unter ein breiter angelegtes Gesundheitsprogramm zieht.

Der Biotrend greift um sich
Zu Bio lässt sich anmerken, dass der Trend nun auch die europäischen Randmärkte erreicht. Deutlich später als zum Beispiel in Deutschland oder Großbritannien (oder auch Frankreich), dafür setzen nun aber selbst die Händler in Portugal nach langer Anlaufzeit mit erstaunlicher Konsequenz auf das Segment. Sonae hat hier innerhalb des letzten halben Jahres sogar zwei Übernahmen getätigt.

In Mittel- und Osteuropa hat Bio weiterhin wenig Konjunktur – allerdings lohnt es sich darauf hinzuweisen, dass in einer strukturell unterentwickelten Landwirtschaft wie Polen, den baltischen Staaten, Rumänien und Bulgarien, viele Lebensmittel tatsächlich bio sind – nur sind sie nicht zertifiziert, weil vielen Landwirten das Geld sowohl für Pestizide als auch für teure Zertifizierungsverfahren fehlt.

Viel zeigen auf kleiner fläche
Was mir allerdings am meisten imponierte, das waren die sichtbaren Fortschritte in der Kunst, aus einer Lebensmittel-Kleinfläche alles herauszuholen, was geht. „Aus jedem Quadratmillimeter alles nur Mögliche zu machen“, nannte das ein Manager des polnischen Marktführers Biedronka. Nicht zufällig gibt es in der Führungsreihe von Biedronka, das bekanntlich dem portugiesischen Händler Jerónimo Martins gehört, mehrere Portugiesen. Denen wiederum dürfte nicht entgangen sein, was für eine gute Arbeit auf der Kleinfläche der lokale Rivale Sonae MC gerade leistet. Ganz vielversprechend: Dies geschieht oft in Zusammenarbeit mit unabhängigen Händlern, zum Beispiel unter der Flagge von Meu Super. In Deutschland verfolgen wir unterdessen mit großem Interesse die konzeptuelle Arbeit an Rewe to go – der ersten landesweiten Kette von supermarktähnlichen Convenience-Stores.