Amazon fresh Gefahr im Verzug? - Amazon fresh: Teil 2

Für die einen ist Amazon der Angstgegner, für die anderen der neue Partner und Wachstumsgarant. Was gilt es zu fürchten und welche Chancen eröffnen sich im Online-Handel?

Montag, 17. April 2017 - Management
Bettina Röttig
Artikelbild Gefahr im Verzug? - Amazon fresh: Teil 2
Bildquelle: Amazon, Martin Kämper, Santiago Engelhardt

Inhaltsübersicht

Imagefaktor Amazon
Während die meisten Händler mit eigenen Konzepten gegen Amazon antreten, setzen andere auf ein partnerschaftliches Verhältnis zu den Amerikanern. So beliefert Bünting den Händler, seit März dieses Jahres auch Tegut. Die ersten eigenen Gehversuche im Online-Handel mit eigenem Bio-Shop sowie Kooperationen mit Gourmondo und Bünting wurden allesamt gestoppt. Einen eigenen Lebensmittel-Lieferdienst aufzuziehen, kommt für den regional agierenden Händler derzeit nicht in Frage (s. Interview. S. 14). Rund 5.500 Artikel des Trockensortiments – Marken- und Eigenmarkenproduke – liefert die Migros-Tochter seit Anfang März für Amazon.de sowie die Services Pantry und Prime Now (nur Berlin und München). Letzteres wird als Vorstufe für den Lebensmittellieferdienst Fresh gesehen. Mit der Kooperation will Tegut im Online-Geschäft mitspielen, aber zu einem kalkulierbaren Risiko. Den eigenen Bekanntheitsgrad für die Flächenexpansion in neue Gebiete durch Amazon zu steigern, ist eines der Hauptargumente für die Kooperation. Gutberlet zügelt jedoch seine Erwartungen: „Wir gehen am Anfang von keinen großen Umsatzvolumina aus“. Der Umsatz eines großen Tegut-Marktes wäre in Ordnung und realistisch, wie z. B. dm Drogeriemarkt schon berichtet habe. „Wenn es mehr wird, ist es auch gut. Man darf sich aber nicht den Illusionen hingeben, dass die Umsätze stetig steigen werden. Je besser es läuft, desto schneller werden wir nicht mehr benötigt“, meint der Tegut-Chef. Denn werden die Umsätze mit einzelnen Produkten interessant für Amazon, dann beziehen die Amerikaner diese bald direkt beim Hersteller. „Beste Chancen“ hingehen habe man mit den Tegut-Eigenmarken. „Wenn sich die Artikel im Gesamtsortiment und den Verkaufsrankings gut schlagen, man einen Tegut-Wein z. B. unter den Top 10 findet, dann haben wir eine gute Chance, dass sie sich auch langfristig behaupten und das Geschäft für beide Seiten interessant bleibt.“

Eine Partnerschaft mit Amazon hat sich auch DHL als Zustelldienst für Lebensmittel gesichert – selbst mit der Tochter Allyouneed Fresh im Grunde Konkurrent des US-Händlers. „Wir sehen jeden neuen Player im Markt als positiven Impuls für dieses immer noch neue Modell des Lebensmitteleinkaufs. Durch neue Anbieter wird der Markt beflügelt und wir bekommen zusätzliche Aufmerksamkeit von den Medien und Verbrauchern“, gibt sich Max Thinius, Sprecher von Allyouneed Fresh, pragmatisch.

Amazon Prime Now im Test
Doch wie sieht er aus, der Angstgegner und Wunschpartner in Personalunion? Was macht Amazon besser als andere und wo sind eventuell die Schwächen der Amerikaner? Wir haben uns den Lieferdienst Prime Now, in Berlin angeschaut und eine versierte Amazon-Kundin einkaufen lassen. Das Fazit: Vor Ehrfurcht erstarren muss kein Wettbewerber.

Eiscreme, Wein, rohe Eier, Frischfleisch, Obst und Gemüse – für unseren Amazon-Einkauf in Berlin suchten wir natürlich solche Produkte aus, die eine Herausforderung darstellen. Ein üppiger Wocheneinkauf war es am Ende nicht. Amazon hätte deutlich mehr verdient, wären die Produkte leicht zu finden. Unsere Testerin hingegen gab nach 45 Minuten auf, zu lange und kompliziert war ihr die Produktsuche über die App, immer wieder wurde sie an den Anfang zurückgeworfen und nicht einmal einfache Selektionen, z. B. nach Rot- oder Weißwein, waren möglich. So landeten in diesen 45 Minuten gerade einmal zwölf Produkte im Warenkorb – der Einkauf im gewohnten Supermarkt wäre schneller gegangen. Weitere Kritikpunkte: Unflexible Mengen (z. B. bei Frischfleisch im Prepack), Out-of-Stocks (es gab z. B. keinen Naturjoghurt mit 3,5 Prozent Fett, auch keinen geräuchterten Lachs) und unreifes Gemüse.