Planet Retail Was Kaufkraft bremst

Steigende Energie- und Lebensmittelpreise haben zu einem spürbaren Anstieg der Inflation geführt. Auch höhere Zinsen werden mittefristig die Kaufkraft schmälern.

Montag, 13. März 2017 - Management
Franziska Schmidt
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Seit circa fünf Jahren scheinen Zinsen und Verbraucherpreisinflation in Europa und in den USA (in Japan sowieso) jedes Jahr ein neues Rekordtief erreichen zu wollen und haben Konsumenten einen Kaufkraftschub und Händlern zusätzliche Umsätze beschert.

Niedrige Zinsen haben das Sparen weniger attraktiv und Kredite, auch in der Form abzuzahlender Hypotheken, günstiger gemacht. Das hat Händlern umso mehr Geld in die Kassen gespült. Eine niedrige Inflation hat angesichts der nominal höher ausfallenden Lohnentwicklung zu steigender realer Kaufkraft geführt. Nun aber haben die Märkte in Nordamerika und Europa (einschließlich des Vereinigten Königreichs) im Dezember 2016 einen deutlichen Anstieg der Verbraucherpreisinflation gesehen; der Trend setzte sich im Januar fort und wird anhalten.

Grund dafür sind gestiegene Preise für Energie sowie auch – in geringerem Maße – für Nahrungsmittel. Hinzu kommt für viele Länder ein weiterer Teuerungsfaktor, nämlich der gestiegene Wert des US-Dollars gegenüber anderen Schlüsselwährungen wie etwa dem Euro oder erst Recht die brexitbedingte starke Abwertung des Britischen Pfunds. Da die meisten Rohstoffe, insbesondere auch Energieträger, nach wie vor in Dollar gehandelt werden, müssen importierende Länder nun mehr für die eigentlichen Produkte zahlen: Diese werden um den Faktor teurer, den ihre lokale Währung gegenüber dem Dollar eingebüßt hat.

Diese Kostensteigerungen treffen Verbraucher aus niedrigeren Einkommensgruppen stärker als solche aus mittleren oder höheren, da erstere einen höheren Anteil ihres Einkommens für Essenzielles wie Nahrungsmittel und Energie ausgeben. Zu diesem Inflationsdruck auf die reale Kaufkraft, der mehr als nur ein vorübergehendes Phänomen ist, wird sich mittel- und langfristig der Druck durch steigende Zinsen gesellen.

Die US-Notenbank hat bereits damit begonnen, den Leitzins marginal zu erhöhen. Mit drei bis vier weiteren Erhöhungen wird für dieses Jahr gerechnet. Von Seiten der Europäischen Zentralbank sind konkrete Zinssteigerungen noch nicht absehbar, aber der Zeitpunkt wird früher oder später kommen. Für Hausbesitzer, die ihre Hypothek noch nicht abbezahlt haben, kann das je nach Ausgestaltung des Kreditvertrags bedeuten, dass sie mit steigenden Zinsen künftig monatlich höhere Zahlungen an ihre Bank zu tätigen haben (in Deutschland ist das allerdings weniger ein Thema als in den USA, in Großbritannien oder in Spanien). Für den Einzelhandel bedeutet das wiederum, dass Verbraucher weniger Geld für Nutella und Co. übrig haben werden. Von diesem Mechanismus ist vor allem die Mittelklasse betroffen.

Die Autorin

Franziska Schmidt ist Analystin bei Planet Retail. Sie berichtet im Wechsel mit Boris Planer und Tatjana Wolff über Entwicklungen im internationalen Handel.

Was tun gegen sinkende Kaufkraft?
Wie kann man unter Druck geratene Kunden im Lebensmitteleinzelhandel für sich gewinnen? Was dem Segment hierbei zugute kommen dürfte, ist der so genannte Cocooning-Effekt: Da Restaurantbesuche und andere nicht notwenige Güter weniger bezahlbar werden, geben Verbraucher mehr im Lebensmittel-Einzelhandel aus, um es sich dann wenigstens zu Hause schön zu machen.

Händler können sich hierbei besonders über relevante Sonderangebote, Produktinnovationen (besonders in Bezug auf Frische und Nischenprodukte), ein ansprechendes Eigenmarkenkonzept und vor allem dem Erlebniselement differenzieren. In einer Welt, in der man nicht mehr einen Laden betreten und seine Zeit in Kassenschlangen verbringen muss – da man alles online bestellen kann – und in der das Erlebnis einen höheren Stellenwert bekommt, ist es wichtig, die Sinne von Verbrauchern beim Kauf anzusprechen, ihnen eben ein Einkaufserlebnis zu bieten. Ein erweitertes Service-Angebot, das Verbrauchern hilft, Zeit zu sparen, weil sie nun mehrere Dinge an einem Ort erledigen können, bietet sich ebenfalls an.

Mit dem neuen SB-Warenhaus-Modell wie etwa „Markthalle Krefeld“ hat Real eine Vorreiterrolle im Kontext Einkauferlebnis eingenommen. Der Laden erinnert besonders in der Obst- und Gemüseabteilung an einen Wochenmarkt, der schließlich oft mit einem besonderen Einkaufserlebnis assoziiert wird. Weiterhin bietet er interne Produktionsabteilungen, die für den Kunden einsehbar sind, und diverse gastronomische Abteilungen, die die Verweildauer und den Genießeraspekt für Kunden – und somit den Kassenbonbetrag – deutlich erhöhen dürften.

Doch nicht nur in Deutschland, auch anderswo trimmen Händler ihre Läden auf Erlebnis und Service, um sich gegen die Kraft des demografischen Wandels und gegen den erwarteten Boom des E-Commerce im LEH zu wappnen. Mit inflations- und zinsbedingter sinkender realer Kaufkraft gibt es nun zwei trifftige Gründe mehr, das zu tun.

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