Interview mit Armin Rehberg Gegenwind? Schneller fahren!

Armin Rehberg ist ein Mann der Tat – das hat er bei der Sanierung der Erzeugergenossenschaft Landgard bewiesen. Nun trotzen die Spezialisten für Blumen, Pflanzen, Obst und Gemüse den Marktkapriolen mit langfristigen Anbau- und neuen Produkt-Konzepten. Ein Gespräch über Regenwetter, Regionalität – und Rollrasen.

Donnerstag, 08. Dezember 2016 - Management
Nicole Ritter
Artikelbild Gegenwind? Schneller fahren!
Bildquelle: Carsten Hoppen, Landgard

Für das Jahr 2015 steht in Ihrem Geschäftsbericht, dass die Wetterbedingungen durchschnittlich waren – wie war es denn dieses Jahr?
Armin Rehberg: Wenn das vergangenen Jahr durchschnittlich war, so war dieses Jahr schlecht. Wichtige Produktkategorien hatten extrem schwierige Rahmenbedingungen. Das zeigen auch die Marktzahlen, das Wachstum hält sich insgesamt doch sehr in Grenzen.

Was heißt das für Ihre ehrgeizigen Ziele, die Sie für 2016 formuliert haben?
Man kann trotz Gegenwind schneller fahren. Das heißt konkret, dass wir auch 2016 ein ordentliches organisches Wachstum erzielen. Wir sind vergangenes Jahr auf Konzernebene um 3 Prozent gewachsen, bei Obst und Gemüse hatten wir ein außerordentliches Wachstum um fast 20 Prozent, dieses Jahr liegen wir bei mehr als 5 Prozent auf Konzernebene und bei Obst und Gemüse wieder deutlich zweistellig. Das zeigt, dass die Konzepte, die Programme und die Konzentration auf das Kerngeschäft genau die richtige Strategie waren.

Das heißt, schlechtes Wetter kann Ihnen nichts anhaben?
Wir hätten sicherlich bei besseren Rahmenbedingungen ein noch besseres Ergebnis erzielt. Es ist die Frage, was wir anbauen, und nicht wie viel. Und ich glaube schon, dass wir es geschafft haben, die Funktion des Dienstleisters für den Handel besser zu erfüllen. Das haben wir erreicht mit Beschaffungskompetenz und neuen Konzepten, indem wir auf den ersthändigen Warenbezug setzen, durch intelligente Anbauplanung, durch die bessere Zusammenarbeit mit unseren großen strategischen Kunden, durch ein genaues Abstimmen einzelner Programme.

Wie gestaltet sich heute Ihr Weg in den Handel?
Wir bieten unseren Kunden einen ganzheitlichen Service mit ersthändigem Warenbezug. Das beginnt bei der Anbauplanung, geht über Verkaufskonzepte, QM/QS und Verpackung und endet bei individuellen Logistiklösungen. Unser Vorteil ist, dass wir die genossenschaftlichen Strukturen mit Produkten direkt vom Erzeuger und die Vorteile eines professionellen Vermarkters mit dem gesamten Leistungsspektrum auf uns vereinen.

Der Vorteil, den ein Handelshaus dann hat, ist, dass es direkt beim Erzeuger einkauft und nicht mehr über mehrere Dienstleister oder Großhändler in der Prozesskette. Das ist das, was der Handel mehr und mehr will. Wir sind jederzeit in der Lage, einzelnen Kunden ganz konkrete Erzeuger zuzuordnen. Wir können genau sagen: Das sind Erzeuger in Richtung Discount, andere in Richtung Vollsortiment, sodass das Handelsunternehmen seine Erzeuger selbst besuchen kann und auch selbst zertifiziert. Wir sehen die Zukunft ganz klar im ersthändigen Warenbezug. Ein Produkt einfach nur ein- und verkaufen, das kann jeder.

Wo setzen Sie in Zukunft Ihre Schwerpunkte?
Historisch sind Blumen und Pflanzen die stärkere Sparte, hier sind wir klarer Marktführer in Deutschland. Obst und Gemüse ist aber die Sparte, wo wir derzeit das deutlich stärkere Wachstum haben. In beiden Sparten sind wir sowohl auf der Beschaffungsseite als auch in der Vermarktung regional, national und international stark aufgestellt. Bei Obst und Gemüse aus deutschem Anbau sind wir sehr stark bei Unter-Glas-Produkten, z. B. Fruchtgemüse, aber auch bei Äpfeln aus dem Rheinland. Wir sind im Osten mit neuen Erzeugern am Start, mit Spargel und Erdbeeren, wir sind im Norden stark mit Kohl und Wintergemüse. Wo wir vielleicht noch weiße Flecken haben, ist in Süddeutschland, damit sind wir momentan beschäftigt. Und wir internationalisieren unsere Beschaffung und unseren Anbau mehr und mehr.


Sie haben auch das Thema Regionalität angesprochen – können Sie bitte definieren, was das für Sie heißt?
Einen ganz konkreten Begriff wird keiner finden. Die spannende Frage ist: Was versteht der Endverbraucher unter Regionalität? Das ist je nachdem, in welchem Cluster wir uns bewegen und über welches Produkt wir sprechen, sehr unterschiedlich. Das kann NRW sein, das kann das Rheinland sein, das kann der Niederrhein sein, und das kann vielleicht auch eine Region sein wie das Ammerland innerhalb von Niedersachsen – das ist für uns aber eher Lokalität.

Und was will der Kunde?
Er möchte gute Qualität und Geschmack. Er möchte wissen, wo die Ware herkommt. Und klar spielen da Themen wie Regionalität und Nachhaltigkeit eine Rolle. Das sind Megatrends, die man aufgreifen muss. In Deutschland spielt auch der Preis immer noch eine übergeordnete Rolle, da brauchen wir uns nichts vormachen.

Wie steht es mit dem Thema Nachhaltigkeit – zum Beispiel, wenn es um die Verpackung von Obst und Gemüse geht?
Verpackung ist Fluch und Segen. Zum Beispiel ist es ein Mittel, um Botschaften zu transportieren. Es gibt viele Argumente, die kommerziell für eine Verpackung sprechen. Wie Sie z. B. Erdbeeren unverpackt nach Hause transportieren möchten, da wäre ich auf Ihre Lösung sehr gespannt.

Es gibt aber auch vieles, was nicht so empfindlich ist wie Erdbeeren.
Klar muss man vielleicht eine Ananas nicht auch noch verpacken. Da bin ich sicher bei Ihnen.

Landgard international
  • Mehr als 90 dänische Mitgliedsbetriebe im Bereich Blumen & Pflanzen und mehr als 300 Mitgliedsbetriebe in beiden Sparten  aus Belgien und den Niederlanden.
  • 130 Mitgliedsbetriebe in China.
  • Derzeit läuft die Suche nach Partnern in Vietnam.

Also ist das Problem der Verpackung für den Supermarkt doch nicht gelöst, oder?
In der Tat ist das auch für uns ein Thema, und wir beschäftigen uns intensiv mit innovativen Verpackungskonzepten. Es gibt ein paar Kunden, zum Beispiel die Rewe Group, die hier positive Treiber sind.

Wir sind in der Branche inzwischen vom Getriebenen zum Mittreiber

geworden. Die Lösungen müssen aber für die Erzeuger tragfähig sein, sie müssen den Ansprüchen des Handels und der Endverbraucher genügen und abgestimmt auf die Produkte sein.

Wenn wir auf den Handel schauen, wen sehen Sie da unter Druck?
Mit dem Online-Vertrieb kommen neue Player auf dem Markt, die dem klassischen Handel etwas wegnehmen werden, denn der Gesamtmarkt wächst ja nicht wirklich. Die Marktanteile online sind zwar momentan noch sehr gering, die Wachstumsraten aber mit am höchsten. Das stellen wir auch in unseren beiden Branchen fest. Also müssen wir auch die Strukturen darauf aufbauen, dass wir den Handel je nach seinen Anforderungen optimal beliefern können.

Einer der Knackpunkte wird sein, wie der Handel auf Angebote wie z. B. Amazon Fresh reagiert.
Gehen Sie davon aus, dass alle etwas tun. Wenn wir Systempartner von einzelnen Handelsunternehmen sind, dann ist es natürlich auch unsere Aufgabe, sich mit solchen strategischen Fragen gemeinsam mit unseren Partnern zu beschäftigen und Lösungen zu erarbeiten.

Kann eine Genossenschaft, die immer auch das Wohl ihrer selbstständigen Mitglieder im Blick behalten muss, da überhaupt mitziehen?
Das ist sicherlich ein Spagat, den man aushalten muss. Insbesondere ist es auch die Frage, ob man das Thema kurz- oder langfristig betrachtet. Habe ich die Ausdauer, ein solches Geschäft langfristig aufzubauen? Gerade in Branchen wie unserer ist es nochmal ein bisschen anders, und man muss differenzieren: Ist es ein Produkt, das auch über die Optik, den Erlebniswert und über das Gesamtkonzept zur Geltung kommt? Das Beratung braucht? Mit dem ich mich profilieren kann? Dann gibt es viele Möglichkeiten, sich abzugrenzen. Oder ist es einfach ein Rollrasen? Da bietet der Online-Kanal einen echten Mehrwert. Genauso bietet aber auch der Kaufmann einen echten Mehrwert. Wenn heute selbst der Discount intensiv in die Warenpräsentation investiert, dann macht er das ja genau, um diesen Erlebniswert zu vermitteln.


Wenn nun aber Amazon flächendeckend kommt …
Wovon mal auszugehen ist …

… einfach weil sie die Power haben, dann braucht der Handel darauf eine Antwort.
Obwohl es Privatfernsehen oder Apple TV gibt, schauen Sie aber auch noch die Öffentlich-Rechtlichen oder gehen noch ins Kino oder ins Theater.

 Wenn ich auf dem Dorf wohne, nur sehr selektiv.
Ich glaube auch, dass eine Wanderung stattfinden wird. Aber ich sehe kein Schreckens-Szenario. Und ich sehe auch keinen Kollateralschaden für den deutschen Handel. Dafür ist der Lebensmittel-Einzelhandel zu gut, gerade hier bei uns. Dafür wurde auch zuviel in Sortiment investiert, egal in welche Betriebsform wir schauen. Da hat jeder gute Voraussetzungen, mit seinen Stärken zu punkten.

Wäre die Rewe böse auf Sie, wenn Sie auch Amazon beliefern würden?
Ganz ehrlich – das weiß ich nicht. Unsere Verantwortung als Erzeugergenossenschaft ist, die Vermarktung unserer Ware nachhaltig und langfristig sicherzustellen. Wenn neue Absatzkanäle entstehen, müssen wir uns damit beschäftigen. Aber: Wir haben ganz bewusst strategische Partner, und denen fühlen wir uns auch verpflichtet. Wenn also eine solche Entscheidung für uns anstehen würde, dann müsste die sehr ehrlich und transparent fallen, auch unseren Bestandskunden gegenüber.

Flotte Konzepte und Category- Lösungen
Die Landgard eG mit Sitz in Straelen- Herongen am Niederrhein zählt mit mehr als 3.000 Mitarbeitern zu Europas größten Vermarktungsorganisationen für Blumen, Pflanzen, Obst und Gemüse. „Aktuell liefern rund 3.200 Mitgliedsbetriebe täglich ihre  Produkte zu uns oder direkt zum Kunden – Tendenz steigend“, erläutert Armin Rehberg, Vorstandsvorsitzender der Landgard eG. Auch die Umsatzentwicklung verläuft trotz schwieriger Rahmenbedingungen positiv. „Für 2016 rechnen wir mit einem Gesamtumsatz von 1,9 Mrd. Euro“, berichtet Rehberg. Landgard biete seinen Kunden ein breitgefächertes Sortiment. Im Obst- und Gemüsesektor beliefert Landgard Supermärkte und Discount ganzjährig mit Produkten aus ersthändigem Warenbezug und punktet mit umfassenden Category- Lösungen aus regionaler, nationaler und internationaler Erzeugung. Landgard versteht sich nicht nur als Bindeglied zwischen Erzeugern und Kunden, sondern unterstützt seine Kunden auch im Vertrieb. Mit neuen Vermarktungskonzepten und Produktinnovationen setzt Landgard Standards. „Wir unterstützen den Handel bei der Inwertsetzung der Produkte und ermöglichen eine höhere Wertschöpfung“, sagt Reberg. Als Beispiele nennt er Lizenzkooperationen, etwa mit der Premium- Grillmarke Weber oder der RTLShow „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“. Wichtig seien auch Eigenmarken- Konzepte wie „IssSo“, ein Konzept mit witterungsgeschädigten Produkten, oder „Deutschland schmeckt“, das Produkte deutscher Erzeugerbetriebe in den Fokus rückt.