Interview mit Jan Kunath „Anständig sein“ - Interview mit Jan Kunath: Teil 2

Schon früh begann die Rewe Group, systematisch an der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen zu arbeiten. Vorstandsmitglied Jan Kunath über Möglichkeiten und Grenzen nachhaltiger Unternehmensstrategien, die Schwierigkeit, Kunden dabei mitzunehmen, – und die Plastiktüte.

Montag, 10. Oktober 2016 - Management
Nicole Ritter
Artikelbild „Anständig sein“ - Interview mit Jan Kunath: Teil 2
Bildquelle: Carsten Hoppen

Was ist denn Ihr Ziel?
Wir können die Produkte nicht 1:1 vergleichen. Wir verkaufen ein Bio-Kokos-Öl, was ein ganz tolles Produkt ist, in einer Filiale vielleicht zwei Mal in der Woche. Das kann man nicht mit einem herkömmlichen Pflanzenöl vergleichen. Was ich damit sagen will: Es ist falsch, da ein Ziel zu setzen. Wir dürften solche Artikel dann nicht mehr führen. Es geht aber ganz stark darum, sie nicht nur hoffähig zu machen, sondern eine gewisse Kompetenz zu signalisieren und den Verbrauchern das Einkaufen zu erleichtern. Ein Ziel wie 10 Prozent Umsatzanteil – das funktioniert vielleicht noch bei Bio-Obst und -Gemüse, aber wenn wir das über das Gesamtsortiment versuchen würden, würden wir daran verzweifeln.

Jetzt haben Sie die Plastiktüten abgeschafft, aber wie ist es denn mit dem restlichen Plastik?
Irgendwo muss man anfangen. Und wer hat angefangen? Sie könnten mich jetzt fragen, warum wir das bei Penny noch nicht machen …

Das können Sie mir gleich beantworten, ohne dass ich Sie frage.
Wir haben als Erste damit angefangen, dass es keine Plastiktüten mehr im Supermarkt gibt. Hut ab vor meinem Kollegen Lionel Souque, der den Mut hatte, diese Entscheidung zu treffen. Ich bin überrascht, dass die Kunden sehr viel positiver reagieren, als ich es erwartet hätte. So einen großen Schritt zu tun – das ist einer der absatzstärksten Artikel eines Einzelhändlers. Sie können sicher sein, dass wir weitergehen und darauf schauen: Was können wir bei Umverpackungen machen, was bei Transportverpackungen, was bei Obst- und Gemüse? Wir haben ja kein Interesse daran Verpackungen zu haben, wo es nicht sein muss. Wir suchen Lösung für alles Mögliche – die müssen dann aber auch in 3.500 Rewe-Märkten funktionieren. Insofern fragen Sie mich lieber, warum wir das bei Penny nicht machen.

Ja, sagen Sie doch mal. Da sind Sie doch eigentlich besonders innovativ.
Ab Januar 2017 führen wir die Permanenttragetasche ein. Parallel prüfen wir, ob und welche weiteren Möglichkeiten es gibt, das Angebot an Transportverpackungen auszubauen. Unser Ziel ist es, dass sich unsere Kunden an diese Alternativen gewöhnen, damit wir dann die Plastiktüte aus dem Sortiment nehmen können. Penny will seine Kunden durch diese Strategie mitnehmen und ihnen nicht einfach Knall auf Fall die Plastiktüte wegnehmen. Denn der Discountkunde ist auch im Hinblick auf die Transportverpackung sehr preissensibel.

Inwiefern ist es dennoch die Aufgabe des Handels, mit bestimmten Angeboten als Motor zu wirken?
Nehmen wir die Initiative Tierwohl. Die Zahlen sind bekannt, wir zahlen 4 Cent pro kg Schweinefleisch bzw. Fleischprodukt in den Fonds, der inzwischen 85 Mio. Euro im Jahr zur Verfügung hat. Das macht der Handel in dem Glauben und mit dem Anspruch, dass wir alle gemeinsam etwas erreichen können und dass das Nahrungsmittel Fleisch auf diese Weise auch wieder einen höheren Wert bekommt. Die 4 Cent haben wir aber bisher nicht im Verkaufspreis wiedergefunden, weil die Verbraucher gerade beim Fleisch nicht bereit sind, entsprechend höhere Preise zu bezahlen.

Welche Chance sehen Sie, Ihre Lieferanten zu nachhaltigerem Handeln zu bewegen?
Es ist immer das entscheidende Thema: Wie gehen wir in der Beschaffung vor, welche Rahmenbedingungen setzen wir? Die Frage ist dann: Können wir die gesamten Märkte bedienen? Nehmen wir zum Beispiel die gentechnikfreie Milch: Das Thema hat ein Wettbewerber sehr aufmerksamkeitsstark für sich reklamiert, weil er eben die Linien, die es dafür heute gibt, besetzt hat. Es gibt heute noch nicht genügend Produktionslinien für diese Milch. Die sind also erst mal ausgeschöpft. Ich bin aber sicher, dass es bis Ende 2017 im Preiseinstiegsbereich nur noch gentechnikfreie Milch geben wird, weil sich bis dahin ein Großteil der Molkereien umgestellt hat und damit auch der Massenmarkt erreicht wird. Und das nur, weil wir das ursprünglich bei der Marburger Molkerei initiiert haben.

Wie wirkt es auf Sie, wenn heute die großen Discounter als Taktgeber in Sachen Nachhaltigkeit erscheinen?
Es ärgert mich insofern, dass sie kommunikativ als Taktgeber wahrgenommen werden. Inhaltlich ist kein anderer Discounter so gut aufgestellt wie wir bei Penny. Wir haben inhaltlich sehr viel mehr zu bieten. Wir haben eine hohe Sicherheit in unserem Umfeld, dass wir tatsächlich die Taktgeber sind, aber wir haben eben nicht die kommunikativen Möglichkeiten. Das wurmt mich schon, dass es so einfach ist, die Wahrnehmung zu manipulieren, wobei ich trotzdem anerkenne, dass der Lebensmittelhandel vieles gemeinsam initiiert hat, etwa die Initiative Tierwohl. Wir haben immer versucht, die Dinge erst zu erreichen und dann zu kommunizieren, nicht anders herum. Diesen Weg werden wir auch künftig nicht verlassen. Wir haben den Wettbewerb um Nachhaltigkeitsthemen entfacht. Darauf können wir auch ein bisschen stolz sein.