Interview Stefano Patrigani - Manor Der Stil-Geber

Der Schweizer Retailer Manor ist einfach anders – selbst für eidgenössische Verhältnisse. Authentizität und Lebensqualität stehen im Vordergrund.

Donnerstag, 20. Januar 2011 - Management
Artikelbild Der Stil-Geber
Bildquelle: Mugrauer

Manor hat bei Lebensmitteln in der Schweiz einen Marktanteil von 3 Prozent, keine Frage, den Massenmarkt machen andere. Was 1902 mit Léon Nordmann in einem Luzerner Warenhaus begann, hat erfolgreich den Weg in eine Nische gefunden. Selbstbewusst erläutert Food-Chef Stefano Patrignani, was und warum sie so vieles anders machen als die anderen.

Ihr Unternehmensmotto lautet „Donnons du style dans la vie" („Geben wir dem Leben Stil"). Ist das nicht dick aufgetragen?
Stefano Patrignani: Nein, das ist unser Markenkern. Wir wollen die Menschen in der Schweiz inspirieren und ihnen guten Stil zu erschwinglichen Preisen anbieten. Das betrifft unser Produktangebot, aber auch das Einkaufserlebnis und die Beratung der Kunden sowie die Kommunikation mit ihnen. Wir wollen Emotionen vermitteln und legen größten Wert auf eine warme Atmosphäre.

Wie machen Sie das konkret?
Unsere Lebensmittelabteilungen sind mehr als nur Supermärkte. Sie sind für die Kunden „ihr Markt". Unsere Charcuterie z. B. sieht aus wie ein Stand auf einem mediterranen Markt, mit Körben und ganzen, hängenden Schinken. Regionalität leben wir seit zehn Jahren, unser Lokal-Konzept basiert auf aktuell mehr als 700 lokalen Lieferanten. Das macht kein anderer in der Schweiz. Außerdem sind wir der einzige Retailer, der sein komplettes Brotangebot, das auch noch zu 100 Prozent biologisch ist, auf der eigenen Verkaufsfläche mehrmals täglich frisch produziert.

Manor gibt es nur in der Schweiz. Wäre die Expansion nach Süddeutschland denkbar?
Nein, wir bleiben in der Schweiz, alles andere passt nicht zu uns. (Lacht). Für uns wäre Zürich schon eine Expansion, denn dort gibt es noch keinen Manor Food Supermarkt.

In Sachen Service und Kundenbindung bietet Manor eine Menge. Wie läuft denn der Hochzeitsservice?
Den gibt es seit 1996 und aufgrund seines Erfolges wurde er 2008 unter dem Namen „Celebration" auch für Geburtstage, Jubiläen und andere Anlässe erweitert. Man kann eine Geschenkliste eröffnen, die online von den eingeladenen Personen konsultiert wird.

Online ist bei Manor ja ein Riesenthema...
... Ja, rund 10.000 Produkte aus den Sparten Wein, Geschenkkörbe, Parfümerie, Spielzeug, Fotoservice und Geschenkkarten können derzeit online eingekauft werden. Unser Internetangebot wird immer wichtiger und immer weiter ausgebaut. Im dritten Trimester 2011 wird neu auch Fashion online erhältlich sein. Mindestbestellmengen gibt es nicht.

Sie verkaufen auch Konzerttickets, Geschenkkarten und kooperieren u.a. mit der Bahn, UBS, Valora. Lohnt sich das?
Mit dem Ticketgeschäft bieten wir einen Mehrwert für Kunden und erzeugen zusätzliche Frequenz in unseren Häusern. Wir waren vor Jahren die ersten, die Geschenkkarten im Handel verkauft haben. Sie sind eine immer beliebter werdende Gelegenheit, ein schönes Geschenk machen zu können, ohne in der Auswahl daneben zu liegen. Durch die Manor-Karte profitieren Kunden von den attraktiven Angeboten unserer Partnerunternehmen.

Über Ihr ausgefeiltes Lokal-Konzept (vgl. Bericht in LP 1/2011) differenzieren Sie sich zu anderen Händlern. Wie stellen Sie sicher, dass die mehr als 700 lokalen Lieferanten Qualität liefern und die hohen Anforderungen erfüllen?
Wichtig ist, dass wir alle unsere lokalen Produzenten persönlich kennen und einen direkten Kontakt mit ihnen pflegen. Alle lokalen Betriebe, die Manor Food beliefern, wurden und werden regelmäßig von der unabhängigen Zertifizierungsstelle q.inspecta auf die Einhaltung der Lokalrichtlinien hin überprüft. Dabei ist das Lokaleinzugsgebiet pro Filiale genau definiert, maximal 30 km um die jeweilige Filiale, im Tessin gelten die Kantonsgrenzen. Alle Frischprodukte eines Lieferanten, wie z.B. Früchte und Gemüse, müssen aus diesem Umkreis stammen. Mit unserer Eigenmarke „lokal" fördern wir die lokalen Verarbeitungs- und Handelsbetriebe und setzen auf soziale, ökologische und damit wirtschaftlich nachhaltige Partnerschaften. Unsere Lokal-Produkte stehen für Authentizität. Bei verarbeiteten Lebensmitteln legen wir Wert auf naturbelassene Zutaten und ein schonendes Herstellungsverfahren. Auch Verarbeitungsbetriebe, die Lokalprodukte für Manor-Food herstellen, müssen innerhalb der 30-km-Zone liegen. Als Bekenntnis zur lokal verankerten Wirtschaft regeln die Richtlinien, dass 60 Prozent der Wertschöpfung im lokalen Umkreis erzielt werden muss.


Über das Lokal-Konzept könnten Sie ewig reden, oder?
(Lacht). Ja, das ist ein zentraler Teil unserer Positionierung. Das können andere nicht nachmachen, selbst wenn sie wollten. Dafür sind unsere Mitbewerber zu groß. Das ist unsere Nische und unterscheidet uns von allen anderen.

Was hat es mit „Goût retrouvé" auf sich?
Unter dieser Bezeichnung gibt es bei Manor Food Früchte und Gemüse, die nicht nur lecker aussehen, sondern auch über einen authentischen Geschmack verfügen. Gourmet retrouvé ist nie Standard oder 08/15.

{tab=Zur Person}

Stefano Patrignani, Jahrgang 1963, hat an der Hochschule St. Gallen studiert und sammelte später Erfahrungen in der Lebensmittel-Branche, u.a. von 1993 bis 1998 bei Lindt & Sprüngli. Von 1998 bis 2001 arbeitete er für Barilla in Deutschland, war verantwortlich für den deutschen und den schweizerischen Markt. 2004 begann er als Divisional Merchandising Manager Supermarkt seine Karriere bei Manor. 2008 stieg er zum General Merchandising Manager Manor Food auf.

{tab=Die Manor-Gruppe auf einen Blick}

3,34 Mrd. Schweizer Franken setzte die Manor-Gruppe 2010 um (+ 0,2 Prozent zu 2009). Zur Gruppe gehören die Warenhauskette Manor, die Möbelkette Fly (Umsatz 2010: 127,8 Mio. CHF) sowie die Sportkette Athleticum (Umsatz: 225,7 Mio. CHF).

Die Warenhauskette Manor konnte 2010 den flächenbereinigten Umsatz um 0,1 Prozent erhöhen und somit das Niveau halten. Dabei wurde die Anzahl der Warenhäuser von 71 auf 70 reduziert. Im Warenhaussektor hat Manor einen Marktanteil von 59 Prozent.

Die Internetverkäufe auf www.manor.ch sind wegen der Erweiterung des Sortiments im vergangenen Jahr erneut gestiegen. Aktuell sind mehr als 10.000 Artikel online bestellbar.

2011 markiert den Beginn eines umfassenden Investitionsprogramms. Fünf Filialen werden auf das Konzept „Convenience+" umgestaltet. In den großen Häusern in Monthey und Basel (Greifengasse) wird mit einer Totalrenovierung ein neues Präsentationskonzept umgesetzt, das ab 2012 in allen großen Häusern Einzug halten soll. In der Filiale Basel (St. Jakob) wird bei Manor Food eine neue Supermarktgeneration eingeführt.

{tab=Bild}

Er ist Schweizer und Italiener und hat bei Manor viel vor: Food-Chef Stefano Patrignani.
„Vieles, was wir bei Food machen, kann kein anderer." Stefano Patrignani