Grüne Logistik Integrierte Wege zur grünen Logistik

Immer neue Rekorde beim Spritsparen, Lang-Lkw oder rein elektrische Transporter im harten Praxiseinsatz: Die Nutzfahrzeugbranche stellt die Hebel für die Lieferlogistik von morgen.

Freitag, 06. November 2015 - Management
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Integrierte Wege zur grünen Logistik
Elektrische Transporterlösung für die Citylogistik und den Heimlieferservice: „e-load up!“ von VW.

Der Effizienztest dreier Großspeditionen mit Zugmaschinen und Trailern von Mercedes-Benz und Krone hat gezeigt, welche Spritsparpotenziale Lkw auch mit herkömmlichem Dieselantrieb bereithalten, die ganzheitlich optimiert sind. Auch die Erfahrungen mit Lang-Lkw liefern viel versprechende Ansätze für eine noch ressourcenschonendere Logistik mit „herkömmlichen“ Antrieben. „Wenn wir alle verfügbaren technischen und logistischen Möglichkeiten nutzen und darüber hinaus den Lang-Lkw noch stärker einsetzen, kann der Straßengüterverkehr noch erheblich CO2-effizienter werden“, kommentierte Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), die Ergebnisse dieser Testreihen. Dazu müssten aber alle Beteiligten an einem Strang ziehen: Die Truck- und Trailerhersteller, aber eben auch die Transportunternehmen, die verladende Wirtschaft und die Politik. Wissmann: „Notwendig ist für den Straßentransportsektor ein integrierter Ansatz zur CO2-Reduzierung.

Im Praxistest wurde ein Sattelzug unter anderem mit Leichtlaufreifen, einem aerodynamischen Trailer und Leichtbauelementen optimiert und von zwei Speditionen mit einem herkömmlichen Gespann verglichen. Außerdem war ein Lang-Lkw im Einsatz. Der Praxistext beweise, dass der Lang-Lkw ein „echter Öko-Laster“ ist. Diesem Feldversuch unter dem Projektnamen „Efficiency Run“ kommt bei der Umsetzung von CO2-Zielen für den Straßengüterverkehr große Bedeutung zu. Denn er hat gezeigt, dass der Kraftstoffverbrauch und damit auch der CO2 -Ausstoß deutlich stärker – und auch kostengünstiger – reduziert werden können, wenn nicht nur der Motor der Zugmaschine weiter optimiert wird, sondern das Fahrzeug insgesamt. Die Testreihe hat Daimler Trucks zusammen mit den Logistik-Unternehmen DB Schenker, Große-Vehne und Elflein durchgeführt. Dabei fuhr man unter realistischen Bedingungen auf typischen Routen typische Transporte mit typischen Beladungen. Die Dekra begleitete die Versuche im Detail, definierte die Versuchsbedingungen, nahm die Messungen vor und wertete die Ergebnisse aus.

Eines der Kernresultate: Die beiden für den Efficiency Run optimierten Mercedes-Benz Actros Standard-Sattelzüge verbrauchten jeweils 12 bis 14 Prozent weniger Kraftstoff als ein Standard-Sattelzug der Spedition auf Basis des Fuhrpark-Bestands 2014. Der Efficiency Run untersuchte ebenfalls das Potenzial des Lang-Lkw – auch hier mit eindeutigem Ergebnis. Der Lang-Lkw erzielte im Test einen Verbrauchsvorteil von rund 17 Prozent gegenüber dem eingesetzten Standard-Sattelzug im volumenbasierten Transport. Zwei Lang-Lkw ersetzen drei herkömmliche Lkw. So können Lang-Lkw gerade beim Transport leichter, voluminöser Güter bis zu 25 Prozent CO2-Einsparung erreichen. Mit den vorgeschriebenen Assistenz- und Sicherheitssystemen wie automatische Abstandsregel- und Spurhaltewarnsysteme, Achslastüberwachung und Kameras am Heck gehören Lang-Lkw laut VDA „zu den sichersten Fahrzeugen auf deutschen Straßen überhaupt.“

Der Einsatz von Lang-Lkw im Rahmen des Feldversuchs der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wird in Deutschland zum Teil von sehr emotionalen Diskussionen begleitet. Aufgrund ihres Konzeptes sind diese Fahrzeuge nicht universal nutzbar, doch bei Transporten mit großem Volumen bei vergleichsweise geringem Gewicht leisten sie einen spürbaren Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen. Die europäischen Nutzfahrzeug-Hersteller haben bei der Reduzierung von CO2 bereits viel erreicht: So konnte der Verbrauch pro Tonnenkilometer seit 1965 um rund 60 Prozent gesenkt werden, und es wurden sechs Abgasgesetzgebungsstufen umgesetzt. Aktuell sind alle Hersteller mit neuen CO2-Zielen für den Straßengüterverkehr konfrontiert. So strebt die EU eine CO2-Reduzierung von 30 Prozent bis 2030 (gegenüber 2005) an. Für Deutschland sind sogar minus 40 Prozent in der Diskussion. Dafür müssen neue Wege beschritten werden, denn es genügt nicht mehr, nur bei der Zugmaschine anzusetzen. Nach Auffassung von Daimler Trucks wird dies nur im Rahmen eines integrierten Ansatzes gelingen, der alle Akteure des Straßengüterverkehrs beteiligt: Nutzfahrzeughersteller, Aufbau- und Reifenanbieter, die Logistikunternehmen und schließlich die politischen Instanzen. Ein entsprechendes Konzept haben mehrere europäische Herstellern 2014 auf der IAA Nutzfahrzeuge vorgestellt.

Ziel ist es, das Gesamtsystem Lkw-Transport zu optimieren. Neben der Zugmaschine betrachtet man dabei auch den Auflieger mit seinen Maßen, Gewichten, Luftwiderstand und Leichtbau, die Reifen mit Rollwiderstand, Luftdruck, Einzel- und Zwillingsbereifung sowie alternative Kraftstoffe wie Biokraftstoff und Erdgas. Aber auch Fahrertraining und Ladungsbündelung, die Infrastruktur und eine schnelle Flottenerneuerung sind wichtige Stellhebel. Dass solche integrierten Ansätze in der Praxis funktionieren, hat der Efficiency Run bereits unter Beweis gestellt. Die Optimierung der Actros-Fahrzeuge erfolgte ausschließlich mit Komponenten, die derzeit am Markt erhältlich sind. Die Sattelzugmaschinen wurden mit gewichtsoptimierten „Eco Trailern“ von Krone komplettiert, die in dieser Form ebenfalls am Markt verfügbar sind. Leichtlauf-Reifen rundeten die Optimierung der Fahrzeuge ab. Die geringeren Verbrauchswerte entfallen ungefähr hälftig auf die Zugmaschine und den Sa ttelauflieger.

Daimler betrachtet den Testlauf mit zweistelligen Einsparungen beim Verbrauch und der entsprechenden Reduktion des CO2-Ausstoßes als Etappe eines längeren Weges. Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang Bernhard: „Der Efficiency Run war ein erster Schritt, dem weitere folgen werden. Wir sind davon überzeugt, dass sich dabei zusätzliche Potenziale ergeben.“


Die Mobilität und damit die Lieferlogistik stehen aber auch an einer weiteren neuen Wegmarke: Die Elektromobilität ist markttauglich . Schritt für Schritt formiert sich ein junger, noch kleiner Markt mit einer gleichwohl inzwischen großen Dynamik. In keinem anderen Land steht den Kunden dabei eine solche segmentübergreifende Fahrzeugvielfalt zur Auswahl. Bis Ende 2014 haben die deutschen Hersteller 17 Serienmodelle auf den Markt gebracht. 2015 folgen weitere zwölf Modelle. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres legten die Verkäufe von elektrifizierten Fahrzeugen um mehr als 60 Prozent zu. Die Zahlen des VDA belegen: Die Elektromobilität nimmt Fahrt auf, auch wenn zur breiten Marktdurchdringung noch ein langer Weg sein wird.

Für die Citylogistik und den Heimlieferservice stehen dem Einzelhandel mehrere rein elektrische Transporter verschiedener Hersteller zur Verfügung. Ein Vertreter mit reichlich Praxiserfahrung ist der elektrische Kleinstlieferwagen „e-load up!“ von Volkswagen, der in einer Modellflotte von 150 Fahrzeugen in 80 Kommunen unterwegs ist. Er hat ein Laderaumvolumen von 990 l, eine Nutzlast von 285 kg und eine Reichweite von bis zu 160 km. Der Fahrzeughersteller Orten hat speziell für die Citylogistik den Transporter „ELCI“ entwickelt. Von Peugeot gibt es den kompakten Transporter „Partner Electric“. Peugeot gibt auf den elektrischen Antriebsstrang und die Batterie eine Garantie für acht Jahre oder 100.000 km. Der Nissan „e-NV200“ wurde jüngst mit dem „eCarTec Award 2015“ ausgezeichnet. Der bayerische Staatspreis für Elektro- und Hybridmobilität wurde im Rahmen der Fachmesse eCarTec in München verliehen und würdigt herausragende Entwicklungen in der alternativen Antriebstechnik. Der Laderaum des e-NV200 ist 4,2 Kubikmeter groß und fasst zwei Euro-Pa letten.

Noch eine Nummer größer ist der Lkw Fuso Canter e-Cell, der soeben einen längeren Praxistest mit acht Fahrzeugen in Portugal absolviert hat. Ergebnis: Diese leichten Lkw mit einer Nutzlast von 2 t und einer Reichweite von mehr als 100 km pro Batterieladung haben sich für den täglichen Einsatz im Kurzstrecken-Lieferverkehr und innerstädtischen Transport bewährt. Die Fähigkeiten dieser rein elektrischen Lkw wurden unter den verschiedensten Bedingungen getestet, unter anderem auch im Vertriebsservice mit kurzem Radius für die direkte Verteilung an Haushalte.

Nissan hat im August unter dem Motto „Elektromobilität – frisch aufgeladen“ seine Pläne und Projektionen zur Zukunft der Elektromobilität in Deutschland dargelegt – auch dies als integrierten Ansatz mit vielen Stellschrauben. Nach Überzeugung von Thomas Hausch, Geschäftsführer Nissan Deutschland, arbeitet allein schon die Zeit für die Elektromobilität: Stärkere Batterien würden schon bald serienreif und dank höherer Stückzahlen günstiger. Das Ladenetz werde zunehmend dichter, Handling und Abrechnung immer leichter.

Weitere Entwicklungen spielen der Elektromobilität laut Nissan in die Hände: Mega-Citys wie Paris verhängen schon heute Restriktionen für Fahrten mit dem Auto in Innenstädte, um so die Emissionen zu senken. Speziell in Deutschland verbessert sich laut Thomas Hausch durch den steigenden Anteil an erneuerbaren Energien auch die sogenannte „Well2Wheel“-Bilanz der Elektrofahrzeuge. Sie betrachtet den gesamten Energieeinsatz, der von der Gewinnung und Bereitstellung der Antriebsenergie bis zur Umwandlung in kinetische Energie eingesetzt werden muss.

Der Weg in eine „ dekarbonisierte Gesellschaft “ wird aus Sicht von Nissan noch aus einem anderen Grund immer dringlicher: Die Anzahl der Mega-Städte und der Trend zur Urbanisierung schreiten weltweit rasant voran. Bis 2025 werden nach Prognosen 50 Prozent aller Weltbewohner in Städten leben. Mit den derzeitigen Wachstumszahlen sei damit zu rechnen, dass der weltweite Autobestand von jetzt etwa 1 Mrd. Fahrzeuge bis 2050 auf rund 2,5 Mrd. steigen wird.

Längere Fahrten mit dem Elektroauto gelten bislang als hinderlich – doch auch das ändert sich. Bis 2018 sollen unter anderem durch Initiative von Nissan in ganz Deutschland mehr als 800 neue Multistandard-Ladesäulen am Netz sein. Sie ermöglichen das technologieunabhängige Aufladen aller Herstellermarken mittels Gleichstromladung (DC) in kurzer Zeit.

Ein Plan von Nissan geht dahin, eine Vielzahl von Elektro-Fahrzeugen als sogenannte „ Schwarmspeicher “ in das deutsche Stromnetz zu integrieren. Neben dem Laden der Akkus würde das zur Stabilisierung des schwankenden Stromnetzes beitragen – und zu signifikant sinkenden Kosten der Elektromobilität. Nissan bewertet den Markt in Deutschland als reif für diese Technologie, nicht zuletzt aufgrund der Energiewende, der sinkenden Rückspeisevergütungen und dem weiterhin steigenden Anteil an Strom aus fluktuierenden Energiequellen.

Lang-Lkw: Die ersten Ergebnisse in Überblick

Aktuell beteiligen sich 39 Unternehmen mit 80 Lang-Lkw am Feldversuch des Bundesverkehrsministeriums (BMVI). Der Feldversuch Lang-Lkw wurde im Januar 2012 gestartet. Er wird wissenschaftlich von der BASt begleitet und läuft bis Ende 2016. Zum Einsatz kommen Fahrzeuge mit einer Länge von bis 25,25 m und einem Gesamtgewicht von 40 beziehungsweise 44 t im Kombinierten Verkehr. Im Straßengüterverkehr werden heute überwiegend leichte, aber voluminöse oder sperrige Güter transportiert. Bei rund 80 Prozent der Transporte ist nicht das Gewicht, sondern das Ladevolumen der begrenzende Faktor. Daher kommt der Lang-Lkw genauso wie der Standard-Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 40 t aus. Im Kombinierten Verkehr – wenn also Lkw mit Schiff oder Bahn zusammenspielen – sind auch für herkömmliche Lkw bis zu 44 t erlaubt.

Die Ergebnisse des ersten Zwischenberichts:

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Bild öffnen Elektrische Transporterlösung für die Citylogistik und den Heimlieferservice: „e-load up!“ von VW.
Bild öffnen Laut Nissan wird sich der Trend zur Urbanisierung auf den Verkehr mit Elektro-Autos positiv auswirken