EuroCis Scanner erkennen Artikel auch ohne Barcode

Die Digitalisierung und die Automatisierung nehmen zu, etwa am Check-out oder bei der Kundenbindung. Damit die skeptischen deutschen Verbraucher die neuen Technologien akzeptieren, die bei der EuroCis in Düsseldorf gezeigt wurden, braucht es einen Mehrwert.

Freitag, 13. März 2015 - Management
Heidrun Mittler und Sonja Plachetta
Artikelbild Scanner erkennen Artikel auch ohne Barcode
Bildquelle: Hoppen, Messe Du00fcsseldorf

40 Prozent der Handelsunternehmen gehen von steigenden IT-Budgets in den nächsten Jahren aus. Aktuell liegen sie laut der Studie „IT-Trends im Handel“ des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI bei durchschnittlich 1,24 Prozent des Nettoumsatzes, ein deutliches Plus gegenüber 2013. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von IT-Investitionen ist es nicht verwunderlich, dass die Düsseldorfer Handelstechnologiemesse EuroCis einen deutlichen Zuwachs erlebt hat. Mehr als 8.800 Besucher sahen sich die Neuheiten von knapp 320 Herstellerfirmen an. Die Vernetzung zum Kunden stand im Mittelpunkt der vorgestellten Lösungen. Das deckt sich mit den Investitionsabsichten der Handelsentscheider: Omnichannel und Mobile Devices belegen laut EHI-Studie die Spitzenplätze. Dank des Qualitätssprungs durch E-Paper rückte auch die elektronische Preisauszeichnung in Düsseldorf verstärkt in den Fokus (ein Artikel dazu folgt).

Ein Dauerbrenner bei der EuroCis und in den Handelszentralen ist das Thema Kassen, in diesem Jahr besonders die Selbstbedienungskassen. Ulrich Spaan, Mitglied der EHI-Geschäftsleitung, sagt zwar: „In Sachen Self-Check-out hinkt Deutschland noch hinterher.“ Die spannende Frage sei, wie sich die Discounter positionieren, die derzeit alle SB-Kassensysteme testeten. „Wir sind sicher, dass die Discounter diese Technologie einsetzen werden, und das wird dazu führen, dass andere nachziehen“, so Spaaß.

Grund genug für das EHI, auch zum Themen Selbstbedienungskassen eine eigene Studie zu veröffentlichen. Wichtigste Erkenntnis: Obwohl bei uns vergleichsweise wenige SB-Kassen im Einsatz sind, ist die Bekanntheit in der Bevölkerung schon relativ hoch. Bereits 52 Prozent der Bundesbürger kennen diese Form des Kassierens, 20 Prozent nutzen SB-Kassen. Warum sie das tun? Als Hauptmotiv wird Zeitersparnis genannt, als negativ bei herkömmlichen Kassen beschreiben die Befragten die Argumente „Passivität“ und „Warteschlangen“. Andererseits freuen sich zwei Drittel der Befragten darüber, dass sie beim Scannen an der SB-Kasse das Tempo selbst bestimmen können – vielen ist das Tempo der Kassierkräfte zu hoch, sodass sie die Preise schlecht kontrollieren können. Diesen Kunden ist bewusst, dass das eigene Scannen langsamer ist als das Registrieren durch eine erfahrene Kassenkraft. Entscheidend für sie ist der insgesamt kürzere Zeitbedarf, das Anstehen in der Warteschlange mitgerechnet. Das deckt sich mit den Erkenntnissen von Hanno Kallmeyer von NCR: „An den Self-Check-out zu gehen, muss sich für den Kunden lohnen. Dann wird die Akzeptanz auch steigen.“

Ein Trend bei den Self-Check-out-Systemen sind bei großen Anbietern sogenannte Hybridlösungen, die durch wenige Handgriffe vom SB- in den Bedienmodus umgewandelt werden können. Sie eignen sich für Läden mit starken Fluktuationsschwankungen. In Stoßzeiten kann eine Kassiererin so den Scanvorgang beschleunigen.

NCR zeigte speziell für kleine Flächen und kleine Einkäufe mit Kredit- oder EC-Karte den „schlanken“ SelfServ 90 – eine kostengünstige Variante, da die Kasse ohne Bargeld-System und Produkt- oder Sicherheitswaage auskommt. Die Lösung verfügt aber über einen Image-Scanner, der zum einen die Produkterkennung ermöglicht, sodass der Kunde z. B. nicht mehr auswählen muss, welches Obst aufliegt. Zum anderen bietet es dem Händler eine Kontrollfunktion. Falls ein Kunde versucht, ein Produkt, das aussieht wie ein teures Steak, als günstige Zucchini abzurechnen, bekommt der für die Kassen zuständige Mitarbeiter ein Signal, den Einkauf zu überprüfen.

Ein Gerät, das nur mit Kartenzahlfunktion ausgestattet ist, kostet nur etwa die Hälfte von einem mit Cashmanagement-System. Trotzdem glaubt Rüdiger Schach von Itab nicht, dass solche Lösungen derzeit in Deutschland gut angenommen werden würden. „Die Kartenakzeptanz bei deutschen Kunden ist z. B. im Vergleich zu skandinavischen noch sehr gering.“ Hierzulande zahlen 80 Prozent der Verbraucher immer noch am liebsten in bar. So werden also auch Cashmanagement-Systeme oder Selfservice-Lösungen für das Banknotenhandling im Backoffice wie die SafeCash Retail Station von Gunnebo weiterhin gebraucht.


Doch das Interesse am Thema Self-Check-out wächst, hat auch Schach festgestellt. Ein deutscher Discounter testet derzeit beispielsweise gerade in einem Markt in der Nähe des schwedischen Göteborg den vollautomatischen Kassentisch Easy-Flow von Itab. „60 bis 70 Prozent der Kunden dort gehen an den Easy-Flow“, sagt er. Der Verbraucher muss nur noch seine Ware auf das schräg gestellte Band legen – Itab verspricht, dass das System 99 Prozent der Produkte, die den Tunnel passieren, auch ohne Barcode erkennt. Ähnlich funktioniert das automatische Scanportal Jade X7 von Datalogic, der ebenfalls mit einer selbstlernenden Software ausgestattet ist.

Toshiba präsentierte verschiedene Varianten, darunter das mobile Self-Check-out System 6, das über separate Scan-, Bezahl- und Einpackmodule verfügt und daher gut kombinierbar ist. Auf besonderes Interesse stieß die Lösung, mit dem eigenen Handy die Ware zu scannen (statt mit dem mobilen Gerät des Einzelhändlers). Dass Self-scanning im Kommen ist, glaubt auch Thomas Pahlings von Datalogic, der die Self-Shopping-Applikation Joya X2 vorstellte. „Wenn der Kunde selbst scannt, hat er die Kontrolle über die Gesamtsumme. Wir haben festgestellt, dass er dann bis zur Obergrenze seines selbst gesetzten Budgets einkauft“, so Pahlings. Das sei auch für Händler interessant, denn der Umsatz steige, die Inventurdifferenzen hingegen nicht.

Benjamin Beinroth, Chief Information Officer bei Tegut, berichtete über die Umstellung der Tegut-Kassen auf bislang rund 1.300 Beetle-Systeme von Wincor Nixdorf. Die Beetle-Lösung ermöglicht einen Wechsel zwischen stationärem und mobilem Kassieren. Ins neue System eingebunden sind Touch-Monitoren, die das Arbeiten vereinfachen. Als vorteilhaft hob Beinroth hervor, dass eine Schulung der Mitarbeiter auf das neue System („TP Application“) unkompliziert ablaufe, da die Handhabung fast selbsterklärend ist.

Auch das Thema mobiles Bezahlen nahm viel Raum bei der EuroCis ein. Eine Variante, die auf besonderes Interesse stieß, ist „Palm Secure“ (auf Deutsch: sichere Handfläche). Unter anderem hat Fujitsu diese Möglichkeit, bei der zur Identifikation dient die Handfläche des Käufers dient, erprobt. Die Idee dahinter: Die Handvenen eines Menschen sind individuell und verändern sich zeitlebens nicht mehr, sobald die Person älter als 12 Jahre alt ist. Anders als beim Fingerabdruck kann das Scannen der Venen nicht „versehentlich“ passieren, ist nach derzeitigem Wissensstand vergleichsweise sicherer. Der Nutzer legt die Handfläche auf eine Kante des Scanners auf, die Finger auf eine weitere Begrenzung, sodass der Vorgang quasi ohne Berührung und damit hygienisch einwandfrei geschieht. Das Prinzip ist so weit entwickelt und in Software eingebunden, dass es in der Praxis einsetzbar ist. Auf der Messe zeigten die Fujitsu-Mitarbeiter, dass mittels Palm Secure unkompliziert an Vending-Automaten bezahlt werden kann – aber die Abwicklung eines kompletten Wocheneinkaufs ist ebenso realisierbar.

Maik Klotz von Valuephone ist überzeugt, dass Händler die Kunden überzeugen müssen. „Mit mobilem Bezahlen allein funktioniert das nicht. Der Kunde braucht einen Anreiz, er will Geld sparen.“ Dafür seien Coupons entscheidend. Der Kunde muss den Rabatt aber nicht mehr einfordern. Wer mit einer Valuephone-Applikation zahlt, kann laut Klotz sicher sein, dass die Coupons automatisch eingelöst werden. Zur Optimierung der mobilen Kundenbindung stellte das Unternehmen stellte zudem eine digitale Multifunktions-Stempelkarte vor, die Plastikkundenkarten und Punktesammelhefte überflüssig machen soll. „Der Händler gewährt damit nicht nur den üblichen Treuebonus, sondern er kann seine Kunden kontextbezogen belohnen“, erklärt Klotz. Die Valuephone-Services werden von April an bei einem Vollsortimenter und einem Discounter auch auf der Apple Watch getestet. Für Klotz haben diese tragbaren Geräte, sogenannte Wearables, Zukunft, weil sie erschwinglich und praktisch seien: „Mit einer Smartwatch habe ich immer die Hände frei.“

Das sieht Volker Wissmann von Online Software ebenso: „Die Einbindung von Wearables wird kommen.“ Eine mit der hauseigenen Prestige-Software ausgestattete Smartwatch kann den Kunden mittels Beacon-Technologie durch die Filiale leiten und ihm individuelle Informationen zur Verfügung stellen. Eine weitere Verwendungsmöglichkeit dieser Uhren für Marktleiter zeigte Wissmann am Stand: Über eine spezielle App können den verantwortlichen Mitarbeiter jederzeit aktuelle Daten angezeigt werden, z. B. wie viele Leute heute schon im Markt waren (mittels Kamera und Personenzähler), wie viel Umsatz aufgelaufen ist oder wie hoch der Durchschnittsbon ist und wie er sich im Vergleich zum Vortag verändert hat.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen
Bild öffnen Die Zeitersparnis und die Möglichkeit, das Scan-Tempo selbst zu bestimmen, sind die Hauptgründe, warum deutsche Kunden
SB-Kassen nutzen.
Bild öffnen Der vollautomatische Kassentisch
Easy-Flow kann nach Angaben des
Herstellers Itab nahezu alle Produkte,
die den Tunnel passieren,
auch ohne Barcode.
Bild öffnen Wie der Easy-
Flow ist auch das automatische
Scanportal Jade X7 von Datalogic
mit einer selbstlernenden Software
ausgestattet.
Bild öffnen „Die Einbindung von
Wearables wird kommen.
Mit einer Smartwatch hat
man immer die Hände frei.“
Volker Wissmann, Online Software