Gigaliner Heilsbringer oder Gefahrenquelle?

Kommen die als Gigaliner bezeichneten langen Lkw bundesweit zum Einsatz? Über diese Frage wird derzeit heftig gestritten. Die Edeka Südbayern konnte die Riesen-Laster bereits testen. Das Fazit des Händlers dürfte die Gegner nicht freuen.

Montag, 03. November 2014 - Management
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Heilsbringer oder Gefahrenquelle?
Die Edeka Südbayern beteiligt sich am Feldversuch mit drei patentierten Tiefkühlfahrzeugen.

„Wir brauchen die Lang-Lkw auf unseren Straßen.“ Mit diesem Zitat aus der Eröffnungsrede zur Nutzfahrzeugmesse IAA in Hannover sorgte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) für einen mittelschweren Paukenschlag. Schließlich ist der Einsatz der nach einem Modell der Firma Krone häufig als Gigaliner bezeichneten überlangen Lkw in Deutschland umstritten.

Lang-Lkw sind Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen mit bis zu 25,25 m Länge. Damit sind diese Transporter bis zu 6,50 m länger als gewöhnliche Lastwagen. Ein höheres Gesamtgewicht als die auch heute schon geltenden 40 beziehungsweise 44 t (im kombinierten Verkehr) haben sie (bisher) nicht.

Dennoch gibt es eine breite Front gegen den Einsatz der langen Lkw. Eine Befürchtung der Gigaliner-Gegner ist, dass durch den Einsatz das Transportaufkommen auf den Autobahnen weiter zunehmen wird, da bisherige Schienentransporte auf die Straße verlagert werden könnten. Die längeren Bremswege der langen Fahrzeuge seien höher und damit auch das Unfallrisiko. Die gesamte Infrastruktur, insbesondere in den Innenstädten, sei außerdem nicht für diese Fahrzeuge ausgerichtet, erklärt beispielsweise der Verkehrsclub Deutschland (VCD). Trotzdem: Die Aussage von Dobrindt scheint eine klare Richtung vorzugeben. Rückendeckung bekommt der Minister von einem aktuellen Zwischenbericht der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). Seit Anfang 2012 begleitet die BASt einen Feldversuch der Bundesregierung, bei dem Gigaliner noch bis 2016 auf ausgewählten Strecken getestet werden. Die freigegebenen Strecken umfassen insgesamt 10.150 km in neun Bundesländern. An dem Test beteiligen sich 39 Unternehmen mit 80 Lang-Lkw. Auch die Edeka Südbayern gehört dazu und setzt für Lager-Fahrten zwischen Straubing und Penzberg, Betzigau sowie Gaimersheim Gigaliner ein. „Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind die Erfahrungen ausschließlich positiv. Es ist eine Ersparnis von über 30 Prozent im Dieselverbrauch zu vermelden. Es gibt keinerlei Probleme auf den freigegebenen Strecken“, erklärt Anton Klott, Technischer Leiter der Edeka Südbayern. Auch die Bundesanstalt für Straßenwesen deutet in einem Zwischenbericht ein positives Fazit an: „Es lässt sich feststellen, dass sich bislang neben den positiven Effekten, wie einem Effizienzgewinn und Kraftstoffersparnissen zwischen 15 und 25 Prozent, keine gravierenden Probleme im Feldversuch unter den gegebenen Randbedingungen gezeigt haben.“ Eine klare Aussage pro Gigaliner.

„Der Bericht macht die Vorteile der Lang-Lkw deutlich. Jetzt gilt es, die Skeptiker mit den Ergebnissen zu überzeugen“, fasst Ulrich Binnebößel, Logistik-Experte beim HDE, die Vorteile zusammen. Der Gütertransport auf der Straße werde mit Lang-Lkw effizienter und umweltfreundlicher. Gerade dieses ökologische Argument wird es den Gegnern schwer machen, gegen die Lang-Lkw zu argumentieren. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) spricht sogar schon vom „Öko-Laster“, angesichts der enormen Mengen CO2, die eingespart werden könnten. Der VDA ist neben anderen Verbänden Teil der „Initiative innovative Nutzfahrzeuge“, die sich für einen bundesweiten Einsatz der Gigaliner stark macht.Aber die Skeptiker sind noch zahlreich und nicht gerade leise. Gerade, was die Umweltfreundlichkeit und das Verkehrsaufkommen auf deutschen Straßen angeht, haben die Kritiker enorme Zweifel. „Gigaliner werden dazu führen, dass der Verkehr von den umweltfreundlichen Bahnen auf die Straße verlagert wird, mit allen negativen Folgen für die Menschen und die Umwelt. Millionen zusätzlicher Lkw-Fahrten auf europäischen Straßen wären die Folge – eine klimapolitische Katastrophe“, behaupten beispielsweise die Initiatoren der Kampagne „No Megatrucks“. Die Angst vor der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Straße teilt HDE-Fachmann Binnebößel aber nicht: „Auch wenn der Zwischenbericht der BASt in diesem Bereich noch keine gesicherten Aussagen zulässt, so zeigt doch die Verkehrsprognose 2030, dass für alle Verkehrsträger noch mehr als genug Güterverkehr zu bewältigen bleibt. Die prognostizierte Zunahme wäre für die Bahn alleine ohnehin nicht zu schaffen.“


Das sieht die von den politischen Gegnern gerne als „Schienenlobby“ bezeichnete „Allianz pro Schiene“ naturgemäß anders. In dem Verkehrsbündnis arbeiten 20 Non-Profit-Verbände und mehr als 100 Unternehmen aus der gesamten Eisenbahnbranche. Und die wehren sich mit Händen und Füßen gegen das Projekt Gigaliner. Eine von der der „Allianz pro Schiene“, des Automobil-Clubs Verkehr (ACV) und des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in Auftrag gegebene Studie von Forsa hat beispielsweise ergeben, dass mehr als drei Viertel der Deutschen Lang-Lkw ablehnen. Insgesamt sprachen sich 79 Prozent der Befragten gegen eine Zulassung der Lastwagen auf deutschen Straßen aus, während nur 17 Prozent dafür waren. Damit habe sich laut der Autoren die Ablehnung der Gigaliner in der Bevölkerung noch verstärkt: Bei der vorherigen Forsa-Umfrage im Jahr 2011 waren 77 Prozent der Deutschen gegen die Riesen-Laster und 18 Prozent dafür. Als einen Hauptgrund für ihr Votum nannten die Befragten das größere Unfallrisiko (55 Prozent). Auch die Verkehrstauglichkeit beispielsweise im Kreisverkehr oder in engen Straßen in der Stadt oder die Parksituation an Raststätten wird mit Sorge betrachtet.

„Im laufenden Feldversuch sind keine Lang-Lkw in gefährliche Verkehrssituationen geraten. Auch heute würde kein Spediteur auf den Gedanken kommen, einen 40-t-Sattelzug in die historische Altstadt zu schicken“, entgegnet Binnebößel. Auch die Suche nach geeigneten Rast-Parkplätzen sei heute für jede Art Lkw schon anspruchsvoll. Lang-Lkw müssten hier vorausplanen und hätten, wenn überhaupt Rast eingeplant werden müsse, einen überschaubaren Mehraufwand. „Die Handhabung der Lang-Lkw unterscheidet sich kaum von konventionellen Fahrzeugen, und genormte Kreisverkehre sind kein Problem“, ist Binnebößel überzeugt. Eine Aussage, die von der Edeka Sübayern gestützt wird: „Die Fahrer der Lang-Lkw haben keinerlei Probleme, weder in den Kreisverkehren noch an den Kreuzungen. Das Rangieren ist nach einer Eingewöhnungsphase leichter als mit Drehschemelanhängerzügen“, erklärt Klott.

Noch ist die Entscheidung nicht gefallen. Bis Dezember 2016 sollen die Test-Lkw von Unternehmen wie Edeka Südbayern noch rollen. Dennoch sieht es derzeit so aus, dass die Befürworter der Gigaliner die besseren, da von der Wissenschaft und Praxis gestützten Argumente auf ihrer Seite haben.

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