Food-Franchise Modell mit Zukunft?

Franchise-Systeme sind auch im und um den Lebensmittelhandel zahlreich. Sie ergänzen den traditionellen Markt von Selbstständigen und Filialen durch einen dritten Weg. Chancen und Risiken liegen auch hier nahe beieinander.

Freitag, 05. September 2014 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild Modell mit Zukunft?
Bildquelle: LP

Keine Branche ohne Franchise-Angebot. Von mobiler Fahrzeug-Wäsche über Immobilienmakler, Gartenzaunbauer und Discountküchen bis zum Nachhilfeunterricht – alles da und im Franchise-System machbar. Natürlich ist auch der Lebensmittelsektor mit entsprechenden Angeboten reich gesegnet. McDonald’s, Cup & Cino, Pizza Hut, Backwerk, Hol ab oder Vom Fass sind bekannt, andere wie Call a Pizza, Food-Truck, Deinet oder Delice noch jung und als Franchise-Systeme bisher kaum wahrgenommen. Und fast täglich gibt es Erfolgsmeldungen zum Franchise: Café Extrablatt eröffnet den 70. Standort, Dunkin‘ Donuts auch in Hamburg, Kentucky Fried Chicken macht den 100. Markt auf, neue Franchise-Marke Veggie-Burger, 16 Neueröffnungen von Backwerk im ersten Halbjahr und und und.

Es ist ja auch verlockend. Gerade bekannte Systeme, Namen und Marken lassen eine Investition lohnend, das Risiko gering erscheinen. Je mehr Franchiseneh-mer es gibt, umso mehr Vorteile – zum Beispiel Werbung und Bekanntheit – sind aus dem Unternehmensverbund zu ziehen. Dem gegenüber stehen der wachsende Wettbewerb und die größer werdende Schwierigkeit, geeignete Standorte zu finden. Das könnte für kleinere und/oder noch weniger bekannte Systeme sprechen. Aber da sind die Probleme schlicht anders herum gelagert.

Der Erfolg im Franchise hängt entscheidend vom partnerschaftlichen Miteinander ab. Einerseits braucht der Franchise-nehmer viel Freiheit und Gestaltungsmöglichkeiten, um am Standort sein individuelles Profil zu schaffen. Aber im Vorfeld eines neuen Standortes braucht er vielfältige Unterstützung. „Besonders bei der Standortsuche und Ladengestaltung muss geholfen werden“, sagt Pieter Wolters vom Franchisegeber Q-Regio.

Sind Franchise-Systeme für angehende oder gestandene Kaufleute überhaupt interessant? Kommt darauf an, sagt Dr Jürgen Knigge, beratend in der Branche unterwegs (siehe Interview S. 24). Denn es eröffne einen Weg in die Selbstständigkeit, biete aber auch Wachstumschancen für etablierte Händler, und nicht zuletzt sei es auch eine Möglichkeit für Handelsunternehmen, um neue, nischenorientierte Vertriebsideen zu multiplizieren.

Im Lebensmittelhandel und seinem Umfeld gibt es ein breit gefächertes Angebot bereits bestehender Franchise-Systeme. Sie sind zu finden bei allen Betriebstypen wie Super- und Verbrauchermärkten, Frische- und Herstellermarken-orientierten Soft-Discountern, Nahversorgern, Tank- und Bahnhofshops, Kiosken, im Bereich Bio, Tierbedarf, Getränke und Backen. Zusätzlich entstehen neue Vertriebsschienen und Kanäle wie Dorfläden, Bringdienste oder Gastro-Services. Solche Franchise-Systeme operieren erfolgreich im klassischen LEH, im Lebensmittel-Spezial-Handel und im food-aktiven Convenience- und FMCG-Handel. Sie bieten für Selbstständige, Kaufleute und auch für regionale Filialbetriebe und deren Verantwortliche neue und/oder erweiterte Geschäftsmöglichkeiten, so Dr. Knigge.

Übrigens stammt der Begriff Franchise aus dem Französischen, er bedeutete schon Mitte des 19. Jahrhunderts die Erlaubnis zur kommerziellen Nutzung von Rechten Dritter. Das allein ist jedoch keine Differenzierung. Modernes Franchise beinhaltet heute zusätzlich noch die Abtretung von Markenrechten und natürlich die Weitergabe von Wissen und Erfahrungen. Banal könnte man sagen, der Franchisegeber „vermietet” seine Geschäftsidee inklusive Name, Marke, Wissen und Marketing an einen Franchisenehmer. Der kann auf diese Weise den Weg in die Selbstständigkeit wagen und erhält ein gewisses Maß an Sicherheit, weil ihn ja ein erfahrener Unternehmer mit einem vorhandenen Apparat unterstützt.

Wie unterscheiden sich Franchise-Systeme von anderen Partnerschafts-, Gesellschafter- oder Genossenschaftsmodellen im Handel? Franchisenehmer sind direkt nur ausschließlich unter der Franchise-Marke und ohne Beteiligung beim Franchisegeber tätig. Sie sind den rund 5.500 selbstständigen Kooperations-und Partnerkaufleuten in Edeka- und Rewe-Verbundgruppen zwar ähnlich. Sie sind allerdings meist kleiner, schärfer profiliert und oft nur regional aktiv. Franchisegeber bieten unter ihren Franchise-Marken und mit ihren Geschäftsformaten in der Regel erprobte Angebote, Know-how, Starthilfe und laufende Dienstleistungen.


Genauer:

Damit grenzen sich Franchise-System-Beispiele ab von ähnlichen, aber doch anders strukturierten und funktionierenden Partner-Systemen wie Edeka-Kooperations-Kaufleuten und Rewe-Partnerkaufleuten, Kommissionär-Betreibern von Tegut-Märkten oder Zeiss- und Robert-Müller-Metzger-Geschäften, von K&U- und Ihle-Backshop-Pächtern, von Getränke-Hoffmann & Fristo-Handelsvertretern und Bio-Markt-Kooperationspartnern.

Die Übersicht zeigt Franchise-System-Beispiele aus dem sogenannten institutionellen Lebensmittel-Einzelhandel. Dazu gehören Super- und Verbrauchermärkte, aber auch neue Betriebs- und Voll-Sortiments-Typen wie Nahversorger, Dorf- oder Bio-Märkte. Hinzu kommen LEH-nahe Einzelhandels- und Service-Formate wie Getränkemärkte, Backshops und Cafés, Heimtiermärkte sowie Feinkost- und Regional-, Spezialitäten-, Imbiss- und Convenience-Shops, die für den Eingangsbereich größerer Märkte geeignet erscheinen.

Franchise gibt es nicht im üblichen Hard-Discount, weil die Kostenminimierung bei absoluter Niedrigst-Preis-Politik und Sortimentsbegrenzung dem entgegensteht. Bei den Kooperations-Modellen der Edeka und Rewe ist Franchise eher nicht im Sprachgebrauch. Allerdings haben selbstständige Kaufleute durchaus „Spielraum“ für separate Franchise-Geschäfte am oder im Markt oder in seiner Nähe, solange nicht Marken, Sortimente und Dienstleistungen miteinander konkurrieren.

Denn Trends wie Bio, Regionalität, Wertewandel, Bewusstsein für gesunde Ernährung und Gesundheit, Tierwohl, aber auch die demografische Entwicklung, Internet, Mobilität und Bequemlichkeit werden den Konsum nachhaltig verändern. „Daraus werden sich neue Sortimente und Services, neue Betriebstypen und Standortverschiebungen ergeben – die Parameter für den Lebensmittelhandel ändern sich“, sagt Berater Knigge. Convenience, räumliche Nähe, Bringerdienste und Erlebnisveranstaltungen seien zusätzliche Handelsorientierungen für die Zukunft, neben Preisbewusstsein, Frische und Auswahl, Ambiente und Kommunikation. Das könnte auch im Lebensmittelhandel gute und neue Chancen für Franchising eröffnen.

Im üblichen Hard-Discount gibt es kein Franchise, weil die Kostenminimierung dem entgegensteht.

Definition und Beschreibung

  • Franchising ist ein vertikales Vertriebssystem für Waren und Dienstleistungen.
  • Es beruht auf umfassender, längerfristiger Arbeitsteilung und Zusammenarbeit zwischen selbstständigen Unternehmen (Partnern): Franchisegeber und Franchisenehmer.
  • Dafür schließen beide einen Vertrag.
  • Der Franchisegeber gibt dem Franchisenehmer das Recht, dessen oder von diesem bestimmte Produkte, Sortimente und/oder Dienste zu vertreiben – in einem festgelegten Gebiet.
  • Der Franchisegeber unterstützt den Franchisenehmer mit bestimmtem, speziellem Know-how und einem kompletten Servicepaket für Vorbereitung, Start und laufenden Betrieb.
  • Der Franchisenehmer verwendet für den einheitlichen Systemauftritt Namen, Warenzeichen und werbliche Ausstattungen des Franchisegebers.
  • Der Franchisenehmer setzt Person(en) und Kapital ein, befolgt das Marketing- und Organisationssystem des Franchisegebers, erlaubt ihm Kontrollen und liefert ihm Informationen.
  • Der Franchisenehmer bezieht vom Franchisegeber oder von diesem bestimmten Dritten Waren oder/und zahlt ihm direkte Entgelte.
  • Der Franchisenehmer kauft und verkauft in eigenem Namen und für eigene Rechnung (Eigenhändler).
  • Der Franchisenehmer zahlt an den Franchisegeber festgelegte Lizenzgebühren.