Interview mit Jan Kunath Der Metzger, der saniert, nicht zerlegt

Jan Kunath, Chef der Discount-Tochter der Rewe Group, ist für den Sanierungsplan von Penny verantwortlich. Der gelernte Metzger hat Erfolg, viel vor und würde seinen Vertrag bei Penny glatt verlängern.

Dienstag, 29. April 2014 - Management
Christina Steinheuer
Artikelbild Der Metzger, der saniert, nicht zerlegt
„Man nimmt uns wahr. Einerseits bedauere ich das. Aber es
zeigt andererseits auch, dass wir wieder ernst genommen werden.“ 
Jan Kunath
Bildquelle: Hoppen

Rang vier von vier: Penny ist von den vier bundesweit operierenden Lebensmitteldiscountern (Aldi, Lidl, Netto, Penny) seit Jahren das Schlusslicht. Penny-Deutschland-Chef zu sein, ist nichts für Frühstücksdirektoren oder Aussitzer. Der Job ist eine Herausforderung für zähe, knallhart-kalkulierende Macher des Typs „Ärmel hoch und los“. Jan Kunath ist so: Als 1965-er, also einem der geburtenstärksten Jahrgänge, hat er sich durchgekämpft und hochgearbeitet.

In der Gegend von Braunschweig betrieb sein Vater eine Metzgerei, schon als Kind war Sohn Jan bei der Wurstproduktion dabei, sah zu oder half. Er machte eine Metzger-Ausbildung, beendete sie als Innungsbester. Den Meister machte aber nicht mehr, da wusste er längst, dass das nichts für ihn war, er studierte BWL an der FH in Berlin. 1992 kam er zur Rewe Group . In den inzwischen mehr als 20 Jahren hat er viel erlebt, ausgehalten und überstanden: Zunächst war er in führenden Verkaufspositionen im Großhandel tätig, 2006 folgte die Berufung in den Vorstand der Rewe Group Austria, von 2007 bis 2009 war er Vorsitzender der Geschäftsleitung Vollsortiment National, 2009 wurde er Generalbevollmächtigter für das B2B-Geschäft und die Fachmärkte. Seit 2010, und damit so lange in einer Rewe-Group-Position wie noch nie, ist er als Vorstandsmitglied der Gruppe Vorsitzender der Geschäftsleitung Penny National. Und er würde bei Penny glatt verlängern.

2016 soll der Turnaround von Penny Deutschland geschafft sein. Doch auch wenn der Sanierer-Job dann getan ist, Kunath will bleiben und Gas geben. Die aktuell 2.200 Penny-Filialen steigerten ihre Erlöse, bereinigt um planmäßige Schließungen, 2013 um 3,3 Prozent auf 6,8 Mrd. Euro.

Herr Kunath, braucht Deutschland vier national tätige Discounter? Ist Penny nicht eigentlich überflüssig?
Jan Kunath: Vielleicht wären wir es, wenn wir eine Kopie der drei anderen Discounter wären. Deshalb ist ein wesentliches Ziel unseres Sanierungsfahrplans, anders zu sein als die anderen, neue und andere Dinge zu machen, andere Wege zu gehen.

Aber ewig die Nummer vier von vier im Markt zu sein ...
... ist unbefriedigend, keine Frage. Aber auch als Nummer vier kann man versuchen, den Abstand zu verkürzen.

2016 soll der Turnaround geschafft sein. Wird das klappen?
Ja, denn wir sind gut unterwegs. Seit der Aufstellung unseres Sanierungsfahrplans Ende 2010, Anfang 2011 haben wir unsere Ziele aus unserer 5-jährigen Mittelfrist-Planung jedes Jahr erreicht oder sogar übertroffen.

Waren bzw. sind die Ziele so niedrig und einfach zu erreichen?
(Lacht): Nein, überhaupt nicht. Wirklich nicht.

Aber?
Sanierungsprogramme dauern nun mal lange. Man braucht einen langen Atem. Das ist anstrengend, ein langwieriger und zäher Prozess für die ganze Mannschaft, nicht nur für die Management-Spitze, sondern auch für alle zentralen Dienste und die Mitarbeiter in den Filialen.


Für einen Top-Manager sprechen Sie ungewöhnlich viel und oft von Ihrer Mannschaft. Dabei heißt es doch immer: It’s lonely at the top. Ist das bei Ihnen und Penny anders?
Ich denke schon. Denn meine Mannschaft ist seit drei Jahren stabil. Die halten alle tapfer durch – und es sind wirklich keine einfachen Zeiten für uns. Fakt ist, dass wir im Vertrieb, im Einkauf und in der Vermarktung keine auffällige Personal-Fluktuation haben. Und die Stimmung ist gut, für die Umstände sogar sehr gut.

Sie selber wollen ja auch bleiben....
... Ja, ich würde meinen Vertrag gerne verlängern und nach dem Turnaround Penny weiter entwickeln. Das entscheidet zu gegebener Zeit der Aufsichtsrat.

Das wäre abermals ein Zeichen von ‧Kontinuität und Stabilität.
Das kann man so sehen. Wir wollen zwar anders als andere sein, aber dabei konsequent den eingeschlagenen Weg weiter gehen und nicht jedes Jahr neue Richtungen und neue Ziele vorgeben bzw. neue Führungskräfte einstellen.

Was machen Sie denn, also Penny, anders als andere Discounter?
Viel. Wir waren z. B. der erste ‧Discounter, der Fernseh-Werbung gemacht hat. Wettbewerber versuchen ‧inzwischen, unser Convenience-Regal nachzubauen, und die Kundenbindungsprogramme von Lidl sind unseren schon sehr sehr ähnlich.

Ok, bei einigen Dingen war Penny der erste und hat sich Vorsprung erarbeitet. Aber nichts ist so schnell weg wie Vorsprung. Und am Ende sind sich alle doch wieder relativ ähnlich, oder?
Abgesehen davon, dass sich Supermärkte und Discounter generell immer ähnlicher werden, kommt es wesentlich darauf an, durch Vorsprung, Tests und Erfahrungen Marktanteile zu gewinnen. Das ist uns ganz gut gelungen.

Wo zum Beispiel?
Bleiben wir beim Convenience-Regal und unseren Penny-to-go-Artikeln. Wir entwickeln solche Konzepte ja weiter. Seit wenigen Wochen hat das Regal nun einen lindgrünen Rahmen. In dem Gesamtkonzept, aber auch in solchen Details wie dem Rahmen stecken so viele Erfahrungen und Erkenntnisse – die Ware, die Logistik, die Verpackung, die Kaufbereitschaft, die Werbung. Das kann niemand einfach so kopieren.

Was bedeutet das für Sie?
Man nimmt uns wahr. Einerseits bedauere ich das, denn das ist anstrengend. Aber es zeigt andererseits auch, dass wir wieder ernst genommen werden. Wir sind sehr gut und engagiert bei allem, was die Verpackung, die Kommunikation und die Darstellung im Markt betrifft.

Ein Beispiel?
Extrem präsent sind wir durch unsere Bild-Eckfeld-Anzeige. Oben rechts auf der Titelseite zu sein, das schafft Aufmerksamkeit! Oder unsere Aktion Fr/amstag, die inzwischen seit 24 Monaten läuft und erkennbar Nachahmung gefunden hat.


Wo unterscheidet sich Penny noch von den anderen Lebensmittel-Discountern?
Wir haben viel mehr Nachteile als die anderen. Sehen Sie, unser Filialnetz ist absolut heterogen. Wir haben kleine und größere Märkte. Im Durchschnitt misst eine Penny-Filiale 700 qm. Damit sind wir zusätzlich die kleinsten im Markt. Der Konkurrenz stehen mehr Quadratmeter zur Verfügung. Trotzdem müssen wir unser Netz so mögen, wie es ist, und nicht damit hadern.

Wie reagieren Sie darauf?
Wir versuchen, den Nachteil in einen Vorteil zu verwandeln: Ein Teil unseres Konzepts ist, dass nicht jede Penny-Filiale überall gleich sein muss. Auch das ist untypisch für einen Discounter. Unsere Märkte in Ostdeutschland haben zum Beispiel andere Sortimente als die hier in Köln. Und weil wir verstanden haben, dass die Leute in verschiedenen Regionen verschiedene geschmackliche Vorlieben oder Abneigungen haben und sie auch kulturell anders geprägt sind, ist Penny der erste Discounter, der diesem Thema mehr Aufmerksamkeit widmet.

Woran zeigt sich das konkret?
In Ostdeutschland gibt es anders als im Rest unserer Republik noch eine sehr ausgeprägte Abendbrot-Kultur. Entsprechend größer ist dort die Nachfrage nach Wurst- und Käse-Aufschnitt.

Das heißt, Penny hat ein Sortiment für Ostdeutschland und eines für die alten Bundesländer?
Nein, wir gehen noch weiter in einzelne Regionen und Kulturräume hinein. Wir listen regionale Artikel ein, ganz einfach, weil ein Kölner lieber Kölner Leberwurst als bayerische isst. Unser regionales SB-Wurst-Sortiment ist weit gediehen. Den gleichen Weg beschreiten wir zum Beispiel bei Bier usw. Wir setzen auf regionale Größen, vermeiden aber Doubletten.

Lohnt sich der Aufwand?
Eindeutig ja. Wir gehen sogar so weit, dass wir für die Ost-Sortimente eine eigene Mannschaft in Großbeeren aufgestellt haben, 6 Leute betreuen dort derzeit rund 350 Artikel, die es nur in der Penny-Region Ost gibt.

Vor Weihnachten lancierte Penny „Mein Fest“. Mit der Bäckerkrönung kam jüngst eine weitere Eigenmarke hinzu. Feilen Sie weiter am Eigenmarken-Konzept?
Ja, auf jeden Fall. Unsere Marke Penny zum Beispiel, gestartet im März 2012, umfasste zum Jahresbeginn 2014 260 Artikel. Im Laufe des ersten Quartals kamen 50 weitere hinzu. Bei unserer Wurst-/Fleisch-Eigenmarke Mühlenhof, im Januar 2013 eingeführt, konnten wir auf Erfahrungen der Rewe-Eigenmarke W. Brandenburg ‧zurückgreifen. „Mein Fest“, eingeführt im Dezember 2013, läuft gerade wieder, allerdings, weil das Oster-Geschäft kürzer ist als das Weihnachtsgeschäft, nur mit 100 der 140 Artikel. Unter der „Bäckerkrönung“ bündeln wir erstmalig Ware von regional verorteten Lieferanten, eigene Backwaren von Glockenbrot sowie Artikel aus unserer Backstation. Das ist ein neuer Ansatz.

Und wie entwickelt sich das Nachhaltigkeits-Label Pro Planet?
Gut. Penny bietet bis zu 160 Pro-Planet-‧Artikel an, ohne Nonfood.

Was hat Penny bei Nonfood vor?
Nur ein kleiner Teil der ca. 2.500 bei uns angebotenen Artikel sind Nonfood. Auch hier beschreiten wir einen anderen Weg als unsere Wettbewerber und wollen das In-/Out-Geschäft nicht weiter ausbauen. Früher hatten wir in ‧unserer Montagswerbung in der Regel 25 Nonfood-Artikel, inzwischen sind es im Schnitt sieben.

Fotos: Hoppen

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Bild öffnen „Die Nummer vier von vier im Markt zu sein, ist unbefriedigend. Wir müssen anders sein als die drei anderen. Daran arbeiten wir.“ Jan Kunath
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zeigt andererseits auch, dass wir wieder ernst genommen werden.“ 
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