Alternative zu Zucker & Co. Stevia

Nach der Zulassung als Lebensmittel will Stevia jetzt auch hierzulande neue Verwender gewinnen. Neben extrem hoher Süßkraft zeichnet sich der Stoff durch weitere Pluspunkte aus: Er ist rein pflanzlich und hat null Kalorien.

Donnerstag, 26. Januar 2012 - Warenkunden
Rosemarie Maßfeller
Artikelbild Stevia

Seit dem 2. Dezember 2011 ist es amtlich: Die aus der Stevia-Pflanze isolierten Steviolglycoside sind von der EU als Lebensmittelzusatzstoffe (Süßungsmittel) zugelassen. Vorausgegangen war die Unbedenklichkeitsbeschei-nigung durch die Europäische Kommission für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Auf die Freigabe von Stevia haben Lebensmittel- und Getränkeindus-trie hierzulande lange gewartet: Denn der neue Süßstoff ist nicht nur für Verbraucher eine Alternative zu den anderen bisher bereits zugelassenen Süßungsmitteln sowie Zucker & Co., sondern der Newcomer kann jetzt auch offiziell zum Süßen einer Vielzahl von Lebensmitteln eingesetzt werden. Beispielsweise bieten Alkoholfreie Getränke, Molkereiprodukte, Süßwaren, Brotaufstriche oder auch Speiseeis eine breite Palette für innovative Rezepturen. Hier können langjährige Erfahrungen aus dem Ausland von Nutzen sein: Denn Stevia-Produkte werden zum Beispiel in Amerika, Asien oder auch in Australien schon seit Jahren erfolgreich verkauft bzw. in der Lebensmittel- bzw. Getränkeproduktion eingesetzt.

Auch in der Schweiz ist der pflanzliche Süßstoff seit längerem erlaubt und in Supermärkten erhältlich; Frankreich hatte bereits vor etwa einem Jahr als erster EU-Staat per Dekret die vorläufige Zulassung ausgesprochen. In Deutschland war Stevia ebenfalls schon vor dem Stichtag 2. Dezember erhältlich – allerdings nicht als Lebensmittel. Übers Internet, in Bioläden und Reformhäusern wurden die überwiegend in China hergestellten Produkte aus rechtlichen Gründen als „Badezusatz“ oder „Dentalkosmetik“ deklariert verkauft. Qualität und Zusammensetzung der Produkte waren allerdings fraglich. Anwender bemängelten beispielsweise den oftmals bitteren Beigeschmack und hatten Probleme mit der richtigen Dosierung.

Empfohlene ADI

Mit der Zulassung von Stevia als Lebensmittel hat sich das nun zum Vorteil der Verbraucher geändert: Die Hersteller müssen jetzt bei der Produktion mit dem neuen Süßstoff festgelegte Qualitätskriterien erfüllen. Das heißt für den Verbraucher: Er bekommt ein qualitativ besseres Produkt mit hohem Reinheitsgrad. Angeboten wird Stevia als Streusüße, Tabs, Sticks oder auch als flüssige Varianten.

Lebensmittel- und Getränkehersteller, die Stevia zum Süßen ihrer Produkte verwenden, müssen darüber hinaus gewährleisten, dass die von der EFSA als unbedenklich erklärte tägliche Aufnahmemenge ADI (= Acceptabele Daily Intake) von 4 mg pro Kilogramm Körpergewicht nicht überschritten wird. Ganz entbehrlich wird der normale Haushaltszucker damit nicht, denn mit dieser Menge lassen sich nicht alle Produkte optimal süßen. Es ist also davon auszugehen, dass die Hersteller in ihren Rezepturen auch einen Mix aus Zucker und Stevia einsetzen werden.


Weltweit verbreitet

Stevia ist keine Entdeckung unserer Neuzeit. Die auch als Süßblatt, Süß- oder Honigkraut bekannte Stevia-Pflanze (Stevia rebaudiana) stammt ursprünglich aus Paraguay und den angrenzenden Gebieten Brasiliens. Schon seit Jahrhunderten verwenden die Einwohner in Südamerika das bis zu 1 m hohe blattreiche Kraut als Heilpflanze und zum Süßen von Speisen und Getränken. 1887 entdeckte der aus dem Tessin stammende und nach Paraguay ausgewanderte Naturwissenschaftler Moisés Bertoni diese Pflanze und gab ihr 1905 den Namen Stevia rebaudiana Bertoni. Der Schweizer war es auch, der eine erste Beschreibung über Stevia lieferte. Damit legte er den Grundstein für die Verbreitung von Informationen über die Süßpflanze in der restlichen Welt.

Heute baut ein gutes Dutzend Länder auf drei Kontinenten Stevia zu kommerziellen Zwecken an. Darunter Japan, China, Indien, Vietnam, Kambodscha, Malaysia, Indonesien, Kenia, Kolumbien und Paraguay sowie seine Nachbarländer. China ist mit rund 75 Prozent der Weltproduktion Spitzenreiter. Aber auch in Kanada, Mexiko, Kalifornien, Südengland und in der Schweiz gibt es Beispiele für erfolgreichen Anbau. In Deutschland wird seit 1998 an der Universität in Hohenheim an der Stevia-Pflanze geforscht und seit etwa zehn Jahren gibt es erste Versuchsfelder.

Unterschiedlich süß

Die Stevia-Pflanze kann bis zu 1 m hoch werden. Ihre Blätter ähneln denen der Minze. Getrocknet sind sie 20 bis 30 Mal süßer als Zucker. Für die hohe Süßkraft sind die in den Blättern enthaltenen acht verschiedenen Zuckerverbindungen, die sogenannte Glycoside, verantwortlich. Da sie wasserlöslich sind, können sie ohne Einsatz von gesundheitlich bedenklichen Lösungsmitteln aus den Blättern der Pflanze extrahiert werden. Süße und Qualität des Extraktes hängen maßgeblich davon ab, welche Teile des Blattes verwendet werden.

Den aus den getrockneten und zerkleinerten Blättern isolierten Süßstoff nennt man Steviosid; er ist als Extrakt 250 bis 300 Mal süßer als Zucker. Noch mehr Süßkraft besitzt der Stoff, der aus den wertvollsten Teilen der Pflanze gewonnen wird: das Rebaudiosid A – 300 bis 480 Mal süßer als Zucker. Weitere wichtige Bestandteile der Stevia-Pflanze sind Rebaudiosid C, Dulcosid A, Rebaudiosid B + D sowie Steviolbiosid.

Qualitätskriterien

Die Anteile der Einzel-Süßstoffe an der Steviosid-Gesamtmasse können stark variieren, was einen erheblichen Einfluss auf die Qualität und den Geschmack haben kann. Handelsübliche Stevia-Produkte bestehen größtenteils aus Steviosiden mit Füll- und Zusatzstoffen, der Anteil hochwertiger Rebaudioside ist gering.

Da die Süßkraft von Rebaudio-sid A mehr als 300 Mal süßer ist als Haushaltszucker, wird der Stevia-Extrakt zusätzlich mit einem geschmacksneutralen Füllstoff wie z.B. Malto-dextrin gemischt. Maltodextrin ist eine sehr lange Verkettung von Glukose-Molekülen. Aufgrund dieser Struktur wird Maltodextrin als komplexes Kohlenhydrat klassifiziert (im Gegensatz zu einfachen Kohlenhydraten wie z.B. Traubenzucker). Diese Mischung vereinfacht dem Verbraucher die Anwendung von Stevia im Haushalt. So wird beispielsweise. mit einem Teelöffel Stevia Streusüße die gleiche Süßkraft wie mit einem Teelöffel Haushaltszucker erreicht.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass je mehr Rebaudiosid A in einem Produkt enthalten ist, desto reiner die Süße, desto wenig bitter der Beigeschmack und desto höher die Qualität. Zur Geschmacksoptimierung werden den Stevia-Produkten oftmals auch natürliche Aromen hinzugefügt.

Um die Verbraucher mit den zahlreichen wissenschaftlichen Namen wie Rebaudiosid, Reb A oder Steviosid nicht zu verwirren, wird angestrebt, alle Süßextrakte aus der Stevia-Pflanze weltweit als „Stevia“ zu bezeichnen.

Positive Prognosen

Vor dem Hintergrund der rasant wachsenden Zahl von Menschen, die mit gesundheitlichen Problemen wie zum Beispiel Diabetes oder Übergewicht zu kämpfen haben (s. Kasten), trauen Branchenkenner dem neuen Süßstoff ein hohes Umsatzpotenzial zu. Voraussetzung sei allerdings ein über Stevia aufgeklärter Verbraucher. Der LEH sollte daher die Einführungsphase von Stevia mit Produktinformationen – die oftmals von den Markenartikeln zur Verfügung gestellt werden – begleiten.

Darüber hinaus sind Verkostungen von mit Stevia gesüßten Produkten und Probenverteilung hilfreich, um Kunden Geschmack und Eigenschaften des neuen Süßstoffs näher zu bringen. Zu den Erfolg versprechenden Verkaufsförderungsmitteln gehören zudem Zweitplatzierungen und Regalstopper – vor allem im Frühjahr, wenn in Publikumspresse und TV-Sendungen „Diät bzw. Abspecken“ zu den beliebtesten Themen zählen.

Gesundheitliche Aspekte
Mit der Zulassung von Stevia können die Verbraucher in Deutschland nunmehr unter neun verschiedenen Süßstoffen wählen. Dem pflanzlichen Newcomer wird eine Reihe gesundheitlich wertvoller Eigenschaften zugeschrieben. Laut diverser Studien an japanischen und amerikanischen Universitäten soll Stevia einen positiven Einfluss auf den Blutzuckerspiegel haben. Außerdem fördere Stevia bei äußerlicher Anwendung die Wundheilung, diene zur Unterstützung der Verdauung und wirke gegen Entzündungen im Mund- sowie Halsraum, so weitere Ergebnisse. Interessant ist Stevia zudem für alle Menschen, die mit Übergewicht zu kämpfen haben, denn der pflanzliche Süßstoff ist fast kalorienfrei.

{tab=Fragen:}

  1. Seit wann ist Stevia in Deutschland offiziell als Lebensmittel zugelassen?
  2. Welcher Einzelstoff aus der Stevia-Pflanze hat die höchste Süßkraft?
  3. Welche Stevia-Produkte kann der Verbraucher im LEH kaufen?

{tab=Antworten:}

  1. Seit dem 2. Dezember 2011 ist Stevia EU-weit als Lebensmittel zugelassen.
  2. Rebaudiosid A hat die höchste Süßkraft (300- bis 480-fach im Verhältnis zu Zucker).
  3. Stevia gibt es als Streusüße, Tabletten, Sticks und Flüssigprodukt.
Die Warenverkaufskunde erscheint regelmäßig als Sonderteil im Magazin Lebensmittel Praxis. Redaktion: Rosemarie Maßfeller.
Wir danken Heartland Sweeteners Europe, NL Zaandam, und dem Deutschland-Vertrieb borchers fine food GmbH & co. KG, Bremen (www.nevella.com),  für den fachlichen Rat und das zur Verfügung gestellte Bildmaterial. Fotos: Belz (Foto 4), fotolia (Foto 3)

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