Warenverkaufskunde Kaviar

Störeier sind eine Rarität. Das hat sich auch nicht geändert, seit der Rogen ausschließlich in Aquakultur produziert wird. Nach wie vor handelt es sich um ein Luxusprodukt, das sich Kunden vor allem jetzt, zum Jahresende, gönnen.

Donnerstag, 14. Dezember 2017 - Warenkunden
Michaela Hennecke
Artikelbild Kaviar
Nach Kontrolle der Geschlechtsreife kommen die Tiere in ein Becken mit klarem Grundwasser.
Bildquelle: Caviar House & Prunier, Getty Images
Eine Delikatesseim Wandel

Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war der Rogen des Störs noch ein Mahl der Fischer. Erst im 19. Jahrhundert entdeckte ihn der Adel als Delikatesse.

Als Kaviar wird der verarbeitete Rogen (Eier) des weiblichen Störs bezeichnet. Störe sind Hybride, die im Salzwasser leben und zum Laichen ins Süßwasser ziehen. Heimisch sind sie unter anderem in den Gebieten des Schwarzen Meers, des Kaspischen Meers und des Nordpolarmeers.

Echter Kaviar stammt laut Codex Alimentarius nur vom Rogen von Fischen der Familie Acipenseridae und Huso, also von Stören. Der Rogen anderer Fische, wie z. B. der des Seehasen, der Forelle oder des Hechts, wird mitunter auch als Kaviar bezeichnet, ist aber lediglich eine Alternative.

Vom Meer in die Aquakultur
Störe zählen zu den ältesten Fischarten weltweit. Von den 27 bekannten Störarten gelten heute 17 als ausgestorben. 1998 stellten die Länder, die der CITIS (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) angehören, den Stör unter das Washingtoner Artenschutzabkommen. Im Jahr 2000 wurden standardisierte Exportdosen-Codes eingeführt. Seit 2006 muss gehandelter Kaviar in der EU diese Etikettierung tragen. Die Fangquoten wurden über die Jahre stetig reduziert und im Jahr 2008 zum letzten Mal ausgegeben. Seitdem ist das Fischen von Stören in natürlichen Gewässern illegal. Im legalen Handel wird damit kein Kaviar aus Wildfängen aus den ursprünglichen Fanggebieten mehr angeboten.

Heute wird in Aquakulturen vor allem der sibirische Stör für die Kaviarherstellung genutzt. In China wird überwiegend mit Störhybriden produziert. Das sind Kreuzungen von Stören, die sich durch schnelles Wachstum und eine frühe Geschlechtsreife auszeichnen.

Auch die klassischen Produktionsweisen wurden abgelöst. Bei der Aufzucht in Aquakulturen wird zwischen einem Indoor- und einem Outdoor-Verfahren unterschieden. Das Outdoor-Verfahren basiert auf offenen Bassins, die meist an einem Fluss liegen: Flusswasser fließt durch künstlich angelegte Becken. Das Wasser und damit die Tiere unterliegen den jahreszeitlichen Schwankungen. Dadurch benötigen die Störweibchen circa 6 bis 8 Jahre bis zur Geschlechtsreife. Wie unter natürlichen Bedingungen, kann der Kaviar nur im Frühjahr und Herbst entnommen werden. Im Indoor-Verfahren stehen die Wasserbassins in Hallen. Licht und Temperatur werden reguliert. Da der Stör hier den jahreszeitlichen Schwankungen nicht ausgesetzt ist, tritt die Geschlechtsreife bereits im Alter von drei Jahren ein. Bei einem geschlechtsreifen Stör in der Aquakultur beträgt der Kaviaranteil durchschnittlich 10 Prozent des Körpergewichtes.

Kaviargewinnung aus Kultur
  1. Nach Kontrolle der Geschlechtsreife kommen die Tiere in ein Becken mit klarem Grundwasser.
  2. Die Störe werden getötet und die Rogensäcke entnommen.
  3. Der Rogen jedes Störs kommt in eine gesonderte Edelstahlschüssel und wird visuell geprüft.
  4. Über einem Metallsieb wird der Rogen vom ummantelden Fett getrennt.
  5. Der körnige Kaviar wird mit Salz und z. T. Borax gemischt. Das Gemisch wird in Stülpdeckeldosen umgefüllt, um reifen zu können.

Produktion wie eh und je
Nach zwei bis drei Jahren Aufzucht ist das Geschlecht des Störs einwandfrei zu bestimmen. Die Männchen werden separiert und für die Filetproduktion aufgezogen. Weibliche Störe werden bis zu einem Alter von sechs bis acht Jahren gehalten. Mit Ultraschall lässt sich feststellen, ob sie reife Eier in der Bauchhöhle tragen. Bevor der Rogen entnommen wird, verbringen die Tiere 14 Tage ohne Futter in einem mit frischem Grundwasser gespeisten Becken. Dadurch sollen eventuell vorhandene, modrig-muffige Geschmacksstoffe abgebaut werden. Für die Kaviargewinnung werden die Tiere getötet und der Bauch geöffnet. Würden die Störweibchen auf natürlichem Weg laichen, wäre der Rogen zu weich und könnte nicht weiterverarbeitet werden.

Der Rogen ist von einem schützenden Fettgewebe umhüllt. Das wird durch Reiben auf einem Lochsieb entfernt wird.

Nach dem Reinigen der Störeier mit klarem Wasser, wird je nach Kaviarsorte Steinsalz oder Borax zugegeben. Das macht die Körner fester, dunkler und knackiger, als sie direkt nach der Entnahme sind. Abhängig vom Fettgehalt nimmt der Rogen das zugegebene Salz unterschiedlich auf.

Der Rogen einzelner Tiere unterscheidet sich in Farbe, Korngröße und Konsistenz. Als Faustregel gilt: Je heller das Weibchen, desto heller ist sein Rogen. Der Kaviar wird nach Korngröße, Farbe und Reifegrad sortiert und in Edelstahlschüsseln neu zusammengefügt. Es entstehen Produkte mit unterschiedlichen Geschmacksprofilen.

Anschließend wird der Kaviar in Stülpdeckeldosen gefüllt und zur Reifung gekühlt gelagert. Einmal wöchentlich werden sie gewendet. Die klassische Stülpdeckeldose ist innen beschichtet und wird mit einem roten Gummiband verschlossen. Sie garantiert eine optimale Reifung, d. h. einen intensiven, komplexen Geschmack sowie eine knackige Konsistenz.

Chinesischer Farmkaviar wird in Kunststoffgebinden verpackt. Sein Geschmack ist dadurch weniger intensiv. Die Metalldose führt beim Kaviar zu einem sogenannten „Fehlton“. In diesem Punkt scheiden sich die Geister. Für manche Genießer gehört der zum klassischen Kaviar, andere mögen ihn nicht. Nachdem der Kaviar in den Dosen gereift ist, wird er direkt in kleineren Gebinden verkauft, oder aus größeren Stülpdeckeldosen in Vakuumdosen oder Gläser umgefüllt. Diesen Vorgang dürfen nur wenige zertifizierte Unternehmen in Deutschland durchführen.

Bei Kaviar in Vakuumdosen ist die Reifung abgeschlossen. In Gläsern wird ausschließlich pasteurisierter Kaviar verkauft. Dieser unterscheidet sich vom klassischen Kaviar vor allem in der Geschmacksintensität, der Konsistenz und der Haltbarkeit. In der Stülpdeckeldose beträgt sie etwa drei Monate, bei pasteurisierter Ware 6 bis 12 Monate.

Das Etikett Seit 2006 müssen Kaviardosen ein Etikett tragen nach den Vorgaben des „Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen“ (CITIS). Es gibt die Art des Störs, seine Herkunft (Wildentnahme oder Zucht), das Ursprungsland, das Jahr der Gewinnung, den Hersteller, die Charge und ggf. die Neuverpackung an. Es wird bei dem Versuch, es zu entfernen, zerstört.

Neue Bezeichnungen
Kaviar wurde früher nach seiner Verarbeitungsart unterschieden. Körniger Kaviar wurde mit Salz gemischt und als „Malossol“ (wenig gesalzen) bezeichnet. Bei Presskaviar handelte es sich um eine besondere Delikatesse: Überreifer oder beschädigter Rogen wurde in einen Leinensack gefüllt und in warme Salzlake gelegt. Nach dem Auspressen entwickelte sich ein intensives Kaviararoma.

Heute werden diese Bezeichnungen nicht mehr verwendet. Der gleiche Kaviar vom selben Tier kann je nach Unternehmen einen anderen Namen tragen. Von welchem Tier er abstammt und sein Ursprung, sind nur über das vorgegebene Etikett festzustellen.


Exklusiver Genuss
Kaviar reagiert empfindlich auf Luft und Wärme. Daher sollte er immer erst kurz vor dem Servieren aus dem Kühlschrank genommen und geöffnet werden. Stilecht wird Kaviar in einer Schale serviert. Die sollte auf einem Bett aus zerstoßenem Eis stehen, damit möglichst die gesamte Portion gekühlt wird.

Ganz stilecht wird Kaviar mit Löffeln aus Horn oder Perlmutt gegessen. Dies ist aber nicht zwingend erforderlich. Die Sitte stammt noch aus Zeiten, in denen Zitronensaft und Essig nicht mit dem Silberbesteck harmonierten.

Klassische Beilagen zum Kaviar sind Buchweizenblinis (kleine Pfannkuchen), Pellkartoffeln, Kartoffelstampf oder ein Drei-Minuten-Ei. Wichtig ist, dass ein übermäßiger Hitzeeinfluss vermieden wird. Ab einer Temperatur von 45 Grad Celsius stockt das Eiweiß und der Kaviar verliert seinen typischen Geruch.

Wodka, Champagner oder Wein sind klassische Getränke zum Kaviar. Aufgrund der langen Importwege waren Störeier früher sehr salzig und Wodka eines der wenigen Getränke, das mit dem sehr intensiven Geschmack harmonierte.

Champagner und Kaviar haben eins gemeinsam. Sie werden beide meist zu besonderen Anlässen serviert. Die weiche Struktur und der Fettgehalt von rund 16 Prozent harmonieren aber nicht mit jedem Champagner. Am häufigsten wird heute Wein zu Kaviar gereicht. Es empfehlen sich vor allem klassische, trockene Weißweine.

Das A und O: Die Beratung
Kaviar sollte nur in Bedienung verkauft werden, da es sich um ein beratungsintensives Produkt handelt. Nach dem EU-Gesetz vom 4. Mai 2006 (Verordnung 865/2006) mit der Durchführungsverordnung DVO EG 338/97 darf der Handel Verkaufsgebinde nicht mehr aus der Originaldose abfüllen bzw. keinen offenen Kaviar zum Verzehr anbieten.

Beim Kauf sollte darauf geachtet werden, dass der Kaviar nicht metallisch oder nach Fisch riecht. Frische Ware zeichnet ein Geruch nach Meer und Salzwasser aus. An der Nahtstelle der Stülpdeckeldose darf Flüssigkeit austreten, sie sollte jedoch nicht verkrustet sein. Dies ist ein Zeichen von zu langer Lagerdauer. Jede Dose Kaviar muss mit einem standardisierten Etikett auf der Unterseite versehen sein (siehe Kasten).

Kaviar im LEH ist in der Regel ein Saisonprodukt, das vor allem zu den Feiertagen gekauft wird. Um Kunden auf das Angebot aufmerksam zu machen und um warenkundliches Wissen zu vermitteln, bieten sich Kundenabende an. Diese sollten in einem passenden Rahmen stattfinden. Champagner und verschiedene Beilagen dürfen da nicht fehlen. Aber natürlich sollten die Kunden auch auf die unterschiedlichen Qualitäten und das richtige Handling hingewiesen werden.

Wissen checken

Wer aufmerksam gelesen hat, kann die folgenden Fragen beantworten.

 {tab=Fragen}

  1. Kaviar stammt vor allem von welchem Fisch?
  2. Was ist der Unterschied zwischen der Produktion von Kaviar früher und heute?
  3. Welcher Kaviar eignet sich für den SB-Bereich und warum?

 {tab=Antworten}

  1. Dem sibirischen Stör und Hybriden aus China.
  2. Früher wurde der Kaviar von Stören aus natürlichen Fängen gewonnen. Heute kommt er ausschließlich aus Aquakultur.
  3. Pasteurisierter Kaviar aus dem Glas. Dieser ist länger haltbar als der klassische aus der Stülpdeckel- oder der Vakuumdose.

Die Warenverkaufskunde erscheint regelmäßig als Sonderteil im Magazin Lebensmittel Praxis. Wir danken der Caviar House & Prunier City GmbH für den fachlichen Rat und das zur Verfügung gestellte Bildmaterial.

Bilder zum Artikel

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Bild öffnen Über einem Metallsieb wird der Rogen vom ummantelden Fett getrennt.
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Bild öffnen Das Gemisch wird in Stülpdeckeldosen umgefüllt, um reifen zu können.
Bild öffnen Oscietra<br />
Dieser Kaviar stammt von einem Oscietra-Stör mittleren Alters. Der Rogen ist vollmundig. Ein feines Haselnussaroma prägt seinen Geschmack.
Bild öffnen Quindao Premium<br />
Der großperlige Kaviar stammt von Hybdridstören (Kreuzung zwischen Acipenser Schrenckii und Huso Dauricius), die am Quindao-See im chinesischen Huangshan-Gebirge aufgezogen werden. Die Farbe der Eier variiert zwischen bernstein- und anthrazitfarbenen Tönen.
Bild öffnen Imperial<br />
Dieser seltene, goldschimmernde Kaviar stammt vom ausgewachsenen Oscietra- Stör. Der Rogen ist fest und hat einen vollaromatischen Geschmack.
Bild öffnen Black Royal<br />
Der sehr dunkle Kaviar stammt vom jungen Oscietra- Stör. Der vergleichsweise große Rogen erinnert geschmacklich an den des Beluga.