Warenverkaufskunde Alte Gemüsesorten

Sie haben andere Formen und Farben als das Gemüse, das wir kennen. Mit ihrem ungewöhnlichen Aussehen tragen sie heute zur Verwunderung von so manchem Konsumenten bei. Aber: Alte Gemüsesorten helfen, die Nutzpflanzenvielfalt zu erhalten. Ein Einblick, warum es sich lohnt, diese Sorten im Markt anzubieten.

Donnerstag, 21. September 2017 - Warenkunden
Michaela Hennecke
Artikelbild Alte Gemüsesorten
Bildquelle: Getty Images, Pro-Specie-Rara, Gerhard Müller Lang, Stefan Abtmeyer
Ein Modethema?

Heute sind sie wieder in aller Munde: die sogenannten alten Sorten. Sie gehören zu unserem Kulturgut und helfen auch für spätere Generationen die Ernährungsvielfalt zu sichern. Michaela Hennecke

Eine gut sortierte Gemüseabteilung ist das Aushängeschild eines jeden Lebensmittel-Einzelhändlers. Kartoffeln, Salat, Zwiebeln und Kohl gehören wie selbstverständlich dazu. Warum aber die Gemüseabteilung nicht einmal mit ein paar auffälligen Gemüsearten bestücken? Blaue Kartoffeln, gestreifte Auberginen, gesprenkelter Salat oder blaue Kohlräbchen wären da als Alternative zu nennen. Die Kunden werden sich bestimmt interessiert nach ihnen umschauen. Für den Händler ist dies die Chance, sich durch den Verkauf ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen. Er kann diese Sorten saisonal in seinem Portfolio anbieten.

Alte Exoten
Heutiges Gemüse sieht häufig sehr einheitlich aus, aber das war nicht immer so. Alte, regionale Sorten verfügen zum Teil über andere Farben und ein anderes Aussehen. Aber vor allem haben sie einen anderen Geschmack: nussiger, intensiver, ausgewogener. Über tausende von Jahren entwickelten sich Sorten, die sich auf die regionalen Verhältnisse eingestellt haben. Sie passten sich veränderten Umweltbedingungen an und erweiterten so die biologische Vielfalt bei Kulturpflanzen.

Warum so wenige?
Heute sind 90 Prozent der Samenfesten Sorten (Sorten, die sich aus ihrem eigenen Saatgut, mithilfe von Wind und Insekten, vermehren lassen) aus unseren Gärten und Äckern verschwunden. Zurückzuführen ist dies auf einen mehr oder weniger schleichenden Prozess: Heute werden nur noch wenige Hausgärten bewirtschaftet. Und wenn doch, wird das Saatgut meist zugekauft und nicht wie früher getauscht oder selbst nachgebaut. Im großen Stil kam es zu Veränderungen durch die Einführung der ersten Saatgutverordnung 1934. Diese sollte die Ernährung der Bevölkerung sicherstellen. Es wurden nur noch bestimmte Sorten zum Anbau zugelassen.

Nicht zugelassene Sorten verschwanden zum Teil aus dem kollektiven Gedächtnis. Ihre Eigenschaften, die sich über Jahrtausende entwickelt haben, sind für immer verloren gegangen. Heute müssen Sorten, die vom Bundessortenamt zugelassen werden, drei wichtige Punkte erfüllen. Sie müssen einheitlich und stabil sein. Außerdem müssen sie eine klare Abgrenzung zu anderen Sorten vorweisen können. Eigenschaften, die die alten Sorten nicht einhalten können. Heute baut man sie nur noch in einer begrenzten Menge oder auf einer bestimmten Fläche an. Gemeinnützige Organisationen wie die schweizerische Pro-Specie-Rara oder Vereine wie der Verein zu Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt setzen sich dafür ein, dass auch spätere Generationen diese Sorten nutzen können. Immer häufiger finden sich auch Landwirte, die diese Arbeit unterstützen und das Saatgut anderen zur Verfügung stellen. Ein wichtiges Ziel ist dabei, die genetische Vielfalt zu erhalten. In der Wissenschaft spricht man dabei von der „Biodiversität“.


Industrielle Sorten
Die alten Sorten sind inhomogen – sie verfügen also nicht über die gleiche Form oder Größe. Dies macht es für Landwirte schwieriger, sie mit modernen Maschinen zu ernten und zu pflegen. Der Anbau im großen Stil ist also kaum zu realisieren. Aus Gründen der Biodiversität ist es wichtig, diese alten Sorten zu erhalten. Wie gut, dass sie auch besser schmecken und sich die Kunden immer mehr für dieses Gemüse interessieren.

Genbanken
Sorten, die nicht mehr angebaut werden, werden in Genbanken konserviert. Dies sind riesige Archive, in denen Samenproben eingelagert werden. 2008 wurde der „weltweite Saatguttresor auf Syalbart“ von dem Welttreuhandfond für Kulturpflanzenvielfalt (GCDT) in Spitzbergen eröffnet. Hier lagern 4,5 Mio Samenproben. So hofft man, dass sie je nach Art zwischen 55 und 10.000 Jahren haltbar bleiben, sodass ihre Sorteneigenschaften nicht verloren gehen.

Was neue Sorten so anders macht
  • Neue Sorten sind meist Hybride. Sie verfügen über besonders einheitliche, große Früchte, die hohe Erträge gewährleisten. Jedoch können sie sich nur beschränkt oder gar nicht mehr weitervermehren. Ihre Nachkommen sind in aller Regel extrem uneinheitlich, klein und kümmerlich.
  • Samenfeste Sorten erhalten hingegen in der nächsten Generation ihre Eigenschaften, sind aber auch in der Lage sich bei ihrer Weitervermehrung an verschiedene Umweltbedingungen anzupassen.
  • Saatgutfirmen haben sich jedoch mit der Einführung der Gentechnik noch andere Methoden einfallen lassen, den Ertrag zu erhöhen: Bestimmte Sorten wurden gegen Schädlinge immun gemacht oder können mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden ohne dabei selbst abzusterben.
  • Diese Entwicklungen sind natürlich aufwendig und teuer. Daher lassen sich Firmen ihr Saatgut patentieren. Es darf nicht ohne die Abgabe von Lizenzgebühren nachgebaut werden. Für kleinere Firmen sind diese Methoden der Züchtung häufig zu teuer. Eine ungeheuere Konzentration von Firmen, die Saatgut anbieten, ist die Folge.
Ein Blickfang

Alte Gemüsesorten sind etwas Besonderes und als solches sollten sie auch in der Gemüseabteilung behandelt werden.

Ein eigenes Regal für die alten Gemüsesorten bietet sich an. Hier variiert das Gemüse, da die alten Sorten immer nur saisonal erhältlich sind. Es lohnt sich, das Gemüse mit einfachen Mitteln zu präsentieren, um einen Vintage-Look herzustellen: zum Beispiel auf Stroh, mit Packpapier oder in Weidekörben. Es muss dem Kunden sofort ersichtlich werden, was das Besondere an diesem Gemüse ist, wie es schmeckt, wo es herkommt und wie es angebaut wird. Hilfreich sind große Tafeln, die diese Informationen tragen. Ein kleiner Flyer, auf dem diese Eigenschaften noch einmal zusammen gefasst sind, ist sicher hilfreich. Hier kann auf einer Seite auch ein Rezept abgedruckt werden. Auf jeden Fall sollte auf die Problematik der verschwindenden Sortenvielfalt hinzuwiesen werden. Auch dies kann auf den Flyern geschehen, mit dem Verweis auf Internetseiten, um sich näher zu informieren.

Die alten Sorten werden nicht im großen Stil angebaut. Kunden unterstützen also einen besonderen Landwirt. Warum den Landwirt also nicht vorstellen? Schöne Bilder helfen hier immer. Der Kunde muss schon am Regal erfahren, dass er nur in einem begrenzten Zeitraum die Möglichkeit hat, dieses Gemüse zu probieren.

Im Fall von blauen Kartoffeln oder der Chioggia Rote Bete lohnt es sich, ein aufgeschnittenes Exemplar danebenzulegen. Außerdem fördern Kochanreize, in denen das bunte Gemüse auch schön zur Geltung, kommt, den Absatz. Aber wie immer ist es von größter Bedeutung, dass die Mitarbeiter wissen, warum die alten Sorten erhalten werden müssen und warum sie ausgerechnet dieses Gemüse im Markt anbieten.

Wissen checken

Wer aufmerksam gelesen hat, kann die folgenden Fragen beantworten.

 {tab=Fragen}

  1. Warum ist der Erhalt der alten Sorten wichtig?
  2. Warum sind alte Sorten für die industrielle Landwirtschaft uninteressant?
  3. Wo werden alte Gemüsesorten im Markt am besten platziert?

 {tab=Antworten}

  1. Sie erhalten die genetische Vielfalt mit ihren Sorteneigenschaften.
  2. Alte Sorten sind weniger gleichförmig und können mit modernem Gerät nicht geerntet werden. Der Pflegeaufwand für die Pflanzen ist höher.
  3. An einem Platz, der die Einzigartigkeit in Form und Geschmack herausstellt. Ein Vintage-Look vermittelt „Alter“.

Die Warenverkaufskunde erscheint regelmäßig als Sonderteil im Magazin Lebensmittel Praxis. Wir danken dem Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt, Pro Specie-Rara und Slow Food Deutschland für den fachlichen Rat und das zur Verfügung gestellte Material.