Recht Schlacht gewonnen

Der Schokoladen-Krieg zwischen Ritter Sport und Milka ist beendet. Die Marke aus Waldenbuch darf als einzige quadratische Tafeln herstellen. Rechtsexperte Matthias Berger erklärt im Interview die Umstände.

Mittwoch, 26. August 2020 - Süßwaren
Jens Hertling
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Bildquelle: Santiago Engelhardt

Revolution in der Süßwarenabteilung ist abgewendet – so titelten Medien den Sieg von Ritter Sport. Können Sie den Fall kommentieren?
Matthias Berger: Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist eine gute Nachricht für die Produzentin von „Ritter Sport“. Sie wird sich aber auch für alle anderen Markenartikler, insbesondere im Bereich Lebensmittel und Konsumgüter, positiv auswirken, die ihre spezifische Waren- oder Verpackungsformen gegen die Verwendung durch Dritte absichern wollen. Die Entscheidung hat insoweit Signalwirkung für alle Unternehmen, die aufgrund der bisher ungeklärten Rechtslage betreffend dreidimensionale Formmarken keine eigenen Marken eingetragen haben.

Wie lange ging der „Krieg“?
Der damalige Milka-Konzern Kraft Foods (heute Mondelez) hatte 2010 die Löschung der beiden eingetragenen Marken der Alfred Ritter GmbH & Co. KG beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt.

Warum ist es ein Sieg des Markenrechts?
Anders als der zeitlich limitierte Schutz von Waren- und Verpackungsformen als Designs/Geschmacksmuster bieten Marken schon aufgrund ihrer praktisch unbegrenzten Schutzdauer und der Bindungswirkung ihrer Eintragung für die Gerichte erhebliche strategische Vorteile für die Absicherung der Exklusivität des Designs von Produkten. Durch die Entscheidung des BGH sind die Voraussetzungen, wann ein solcher Schutz als Marke in Frage kommt, klarer definiert. Es wird zukünftig sowohl für das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) im Anmeldeverfahren als auch für Dritte in Löschungsverfahren bedeutend schwieriger sein, den Markenschutz für Waren- und Verpackungsformen mit dem Argument in Zweifel zu ziehen, diese würden eine wesentliche Gebrauchseigenschaft der Ware darstellen oder aber der Ware einen wesentlichen Wert verleihen.

Welche wirtschaftliche Bedeutung hat ein so gewonnener Rechtsstreit?
Schaut man auf den Fall „Ritter Sport“ und den im Jahr 2019 von diesem Unternehmen erzielten Umsatz von knapp 490 Millionen Euro, lässt sich die wirtschaftliche Dimension eines Alleinstellungsmerkmals, wie der quadratischen Schokoladenverpackung, gut erkennen. Wäre die Marke gelöscht worden, hätte dies dazu führen können, dass auch andere Wettbewerber die prägnante Verpackungsform für ihre Schokoladenprodukte hätten nutzen können. Dass dies mit ganz erheblichen Umsatzverlusten bei der Markeninhaberin einhergegangen wäre, liegt auf der Hand.

Wird dieser Fall auch auf zukünftige Verfahren – möglicherweise andere Marken eine Auswirkung haben?
Künftig wird es schwieriger sein, eingetragene Formmarken und vergleichbare Zeichen erfolgreich mit dem Argument anzugreifen, sie seien als Marke generell nicht schutzfähig.

Die Schutzvoraussetzungen für die Eintragung einer dreidimensionalen Marke sind sehr hoch, sagt DPMA-Sprecher Til Huber. Was meint er?
Gestritten wurden im Fall „Ritter Sport“ nur über die Frage, ob eine Verpackungsform überhaupt als Marke geschützt werden kann. Doch selbst wenn dieses Kriterium der Markenfähigkeit erfüllt ist, müssen zusätzliche Eintragungshindernisse überwunden werden.

Welche Kriterien sind gemeint?
Dazu zählt in allererster Linie das Kriterium der „Unterscheidungskraft“. Darunter ist die konkrete Eignung der angemeldeten Formmarke zu verstehen, die Waren des Inhabers von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden und damit eine Zuordnung der Herkunft zu ermöglichen.

Was ist damit gemeint?
Üblicherweise wird der Verbraucher gerade der Form einer Verpackung oder eines Produkts einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller nicht entnehmen, außer diese Form ist im betreffenden Warensegment sehr ungewöhnlich oder aber sie wurde durch intensive Benutzung so gut am Markt etabliert, dass der Verbraucher sie deshalb als exklusiven Herkunftshinweis wahrnimmt. Als solche verkehrsdurchgesetzte Marken waren übrigens auch die Formmarken von „Ritter Sport“ eingetragen. Es bedarf ganz erheblicher Anstrengungen des Anmelders, für eine Formmarke diese strengen Voraussetzungen zu erfüllen.

Was kostet die Anmeldung einer Marke?
Die Kosten setzen sich aus Amtsgebühren der jeweiligen Patent- und Markenämter und dem Honorar der Rechts- oder Patentanwälte zusammen, die das Anmeldeverfahren regelmäßig begleiten. Insoweit bestehen international ganz erhebliche Unterschiede. Sie hängen zudem davon ab, für welche Waren und Dienstleistungen die Marke geschützt werden soll. Ein Beispiel: die Kosten für eine deutsche Marke, die im traditionellen Lebensmittelbereich (Warenklassen 29, 30, 31) geschützt wird, liegen noch im dreistelligen Bereich.

Ist der Schutz weltweit?
Ganz klar nein: Marken haben – mit gewissen Ausnahmen – grundsätzlich nur territoriale Wirkung, d.h. nur in den Ländern oder Regionen, wo sie auch eingetragen sind.

Wie lange beträgt die Schutzdauer?
In fast allen Ländern hat sich eine Schutzdauer von zehn Jahren durchgesetzt, die unendlich um jeweils weitere zehn Jahre gegen Gebühr verlängert werden kann.

Was kosten die Unternehmen die Verletzungen des Schutzrechts?
Den durch Markenverletzungen entstehenden Schaden genau zu beziffern, ist schwer, da insoweit viele Faktoren eine Rolle spielen. Es können zunächst erhebliche Umsatzverluste beim Markeninhaber eintreten, weil er Marktanteile an den Markenverletzer verliert. Selbst durch Schadensersatzzahlungen werden diese jedenfalls in Deutschland nicht annähernd realistisch kompensiert.

Für Markenprodukte wird im Lebensmittelbereich außerdem ein erheblicher Marketingaufwand getätigt. Allein im Schokoladenbereich investieren manche Hersteller jährlich im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich. Dieser Aufwand ist dann teilweise vergeblich erfolgt, und die verlorenen Marktanteile erfordern sogar die Erhöhung des Marketingbudgets, sodass weitere Kosten entstehen. Und schließlich können natürlich enorme Rechtsverfolgungskosten, d.h. Gerichtskosten und Anwaltshonorare hinzukommen, die auch im Erfolgsfall vom Verletzer nur teilweise zu erstatten sind.