Süßwaren Die Süßschnäbel sorgen für Umsatz

Corona hat auch bei Mondelez zu Verschiebungen bei den Abverkäufen geführt. Doch gesnackt wurde zu Hause genauso wie unterwegs. Geschäftsführer Fridolin Frost (Foto) zeigt sich im Interview mit der LP außerordentlich entspannt.

Samstag, 08. August 2020 - Süßwaren
Andrea Kurtz
Artikelbild Die Süßschnäbel sorgen für Umsatz
Bildquelle: Mondelez

Wie haben Sie die Monate seit Beginn der Corona-Krise erlebt?
Fridolin Frost: Turbulent. Ich würde gern mit der Beschreibung rein organisatorischer Dinge beginnen. Für uns alle am Stammsitz Bremen beispielsweise hieß es ja von jetzt auf gleich „Homeoffice“, und wir haben gesehen, dass das dies erstaunlich gut geht. Doch jetzt inzwischen freuen sich alle auch wieder aufs Büro, doch allerdings haben die Veränderungen durch Sicherheitsabstände und andere Regeln den Büroalltag, nicht nur bei uns, komplett geändert.

Was bedeutet das für den Süßwarenverzehr beziehungsweise das Snacking-Verhalten der Kunden?
Wir sehen hier extreme deutliche Verlagerungen. Bei Süßwaren haben wir ja einen recht hohen Anteil von Außer-Haus-Konsum. Dieser hat sich fast komplett in einen Inhouse-Konsum verlagert. Das spüren wir in unserem Geschäft deutlich. Das ist aber nur eine Seite der Medaille.

Was ist die andere?
In solchen Ausnahmesituationen nimmt das Snacking zu. Dies hat mit veränderten Tagesabläufen zu tun, aber auch damit, dass unsere Produkte in Ausnahmesituationen auch ein Stück Normalität transportieren. Sie bieten ein Ritual, eine Vertrautheit – und sind häufig auch ein bisschen Nervennahrung. Gleichzeitig sind sie Motivation oder Belohnung in Form einer kurzen Auszeit. Natürlich ist diese Verschiebung nicht eins zu eins ablesbar; wir können ein verstärktes Snacking-Verhalten nicht mathematisch genau belegen, aber diesen Effekt beobachten wir.

Was bedeutet das für den Umsatz?
Spannende Frage, denn wir sehen Verschiebungen ebenso wie Einbrüche und Kompensationen. Nehmen Sie das Ostergeschäft beispielsweise oder auch das Segment Pralinen: Diese werden verschenkt. Hier haben wir es also mit einem Bereich zu tun, in dem Geschäft verloren gegangen ist. Das heißt aber nicht, dass unser Gesamtgeschäft eine Delle zeigt, sondern es überwiegen die Verschiebungen in den Inhouse-Konsum. In den Kategorien Gebäck und vor allem Schokolade ist der Konsum gestiegen, allerdings auch nicht in jedem Bereich. Das Geschäft an Flughäfen oder Bahnhöfen, das auch vom Mitbringen und Verschenken lebt, fand ja nicht statt.

Können Sie für uns einmal differenzieren, was sich im Handel am Regal, an der Kasse oder in der Zweitplatzierung für Sie verändert hat?
Wir haben generell ja wenig Kassengeschäft in Deutschland. Wir sind dort zwar gelegentlich präsent, aber diese Zone ist nicht unser Fokus. Bei Zweitplatzierungen sieht das ganz anders aus, denn unsere Kategorien, gerade die Schokolade und Kekse, sind Impulsgeschäfte – dazu brauchen wir Aktionen. Diesen Schwerpunkt haben wir auch in den Corona-Wochen nicht geändert.

Welche Folgen hatte die Krise denn für Ihren Außendienst?
Die Betreuung im Markt musste komplett geändert werden. Daher haben wir uns für ein verändertes Servicemodell entschieden. Uns wurde klar, dass der Handel – gerade in diesen ersten Wochen – eine helfende Hand an seiner Seite brauchte. Wir haben unseren Fokus von Information der Händler über Aktionen für die kommenden Wochen oder über neue Produkte verschoben – und beim Einräumen der Regale geholfen. Wir wollten die Produkte auf die Fläche bringen und für Entlastung sorgen. Das alles natürlich unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz unserer eigenen Mitarbeiter und des Personals des Handels.

Wie hat sich die Praxis bei Verkostungen geändert?
Davon hatten haben wir nicht so viele geplant, mussten also glücklicherweise nichts verändern oder neu planen.

Die größte Herausforderung war ... ?
... absoluten Vorrang hatte die Entwicklung ganz klarer Konzepte zum Schutz der Mitarbeiter, das war unsere oberste Priorität. Diese haben wir mit größter Schnelligkeit und Akribie umgesetzt. Wir als Konzern haben da eine Flexibilität an den Tag gelegt, die man uns vielleicht gar nicht so zutraut. Die zweite Hauptaufgabe war die Aufrechterhaltung von Produktion und Warenfluss. Dabei ging es unter anderem um die Sicherstellung der Rohwarenzuflüsse oder des Verpack- ungsmaterials. Dabei kann ich, und das auch mit Stolz, sagen, wir hatten kein Problem, mussten die Produktion nirgendwo stoppen oder konnten nicht liefern – und das gilt für unsere europäischen Standorte.

Welche Erfahrungen haben Sie in den Ursprungsländern der Rohstoffe, beispielsweise für Kakao, gemacht?
Glücklicherweise haben wir auch dort keinen Engpass gehabt. Das könnte sich im langfristigen Verlauf natürlich ändern, aber derzeit sehen wir an keiner Stelle Komplikationen. In all unseren Ursprungsländern folgen wir bezüglich Covid-19 den Ratschlägen der lokalen Regierungs- und Gesundheitsbehörden. Wir beobachten die Situation täglich und passen unsere Maßnahmen entsprechend an. Darüber hinaus finanzieren wir Bildungs- und Schutzmaßnahmen in den Kakaoanbau-Gemeinden und haben mehr als 24 Millionen US-Dollar für Hilfsmaßnahmen auf der ganzen Welt zur Verfügung gestellt.

Was tun Sie zum Beispiel in Ghana?
In Ghana arbeiten wir zum Beispiel mit „Child Rights International“ zusammen, um in den Gemeinden Widerstandsfähigkeit und Kapazitäten für den Umgang mit dem Virus aufzubauen. Dazu gehört auch, dass wir Gemeindemitglieder darüber aufklären, wie sie sich selbst schützen können, und dass wir den Kindern Bücher zum Thema zur Verfügung gestellt haben, damit sie lernen, sich vor dem Virus zu schützen. In Ghana stellen Frauengruppen Seife her und sorgen damit für lebenswichtige hygienische Standards sowie ein zusätzliches Haushaltseinkommen. Weitere Frauengruppen nähen Gesichtsmasken, die den Gesundheitsstandards entsprechen. Das ist für mich ein großartiges Beispiel, wie Fähigkeiten, die im Rahmen der Frauenförderungsbemühungen von Cocoa Life einen Unterschied machen können.

Sind nachhaltige Themen aus dem Fokus gerutscht, weil andere Prioritäten zu bewältigen waren?
Ganz im Gegenteil. Die Krise hat für uns die Sinnhaftigkeit und die Notwendigkeit aller nachhaltigen Themen nochmal unterstrichen. Der Verbraucher sieht das ebenso; aus unseren regelmäßigen Marktuntersuchungen wissen wir, dass die Relevanz eher zu- als abnimmt. Wir werden also unverändert mit hohem Nachdruck weitermachen, beispielsweise beim europäischen Weizen-Programm Harmony oder bei Cocoa Life. Gerade haben wir für 2025 neue Ziele publiziert. Wir halten an diesem Mega-Thema mit voller Motivation fest.

Welche Nachhaltigkeitsmaßnahme steht derzeit besonders im Fokus?
Künftig, genau genommen ab 2022, werden wir die Verpackung von Philadelphia mit recyceltem Kunststoff herstellen. Dieses Beispiel kommt zwar nun nicht aus dem Bereich Süßwaren, ist für uns aber eine Herzensangelegenheit. Denn es ist ein weiterer Schritt Richtung „Zero-Waste“. Dennoch muss ich ganz klar sagen: Für mich fehlt in der öffentlichen Diskussion häufig das klare Bewusstsein für den Zwiespalt, in dem alle Produzenten bei Verpackungen stehen: Der Produktschutz hat für uns oberste Priorität. Es ist einfach, hier provokante Forderungen zu stellen, aber ohne diesen Schutz geht es einfach nicht.

Stichwort Innovationen: Welche Neueinführung konnten und können Sie denn trotz Corona umsetzen?
Größtes Thema für uns ist gerade die Einführung der „Milka Haselnuss Creme“, mit der wir uns nicht nur in eine neue Kategorie wagen, sondern auch in eine, in der ein Wettbewerber seit Jahren federführend einen fantastischen Job macht. Wir sind aber davon überzeugt, dass wir hier eine relevante und hochgradig attraktive Alternative entwickeln konnten. Die Resonanz in den ersten Wochen im Markt ist überwältigend, vielleicht auch, weil wir in unserer Rezeptur Sonnenblumenöl und kein Palmöl verwenden. Das differenziert uns auch von den Platzhirschen im Markt.

Eine neue Kategorie also. Wie geht es in bestehenden weiter?
Gebäck ist ja seit einigen Jahren für uns ein großes Thema. In dieser Kategorie haben wir für einige Belebung gesorgt. Dabei sind unsere Produkte ja sehr eigenständig: Ein Oreo-Keks ist einzigartig, ebenso wie ein Mikado-Stäbchen oder Milka-Gebäck mit der speziellen Schokoladenkompetenz. Eine generalistische Marke haben wir dagegen bisher nicht. Das soll sich durch die Einführung der französischen Marke Lu ändern. Wir werden mit weichen Küchlein starten. Hier kann ich aber bisher nur über die – sehr positiven – Reaktionen der Handelspartner berichten. Markterfahrungen gibt es noch keine. Darüber hinaus bringen wir beispielsweise bei „Milka Luflée“ Sommersorten auf den Markt. Eine Einführung, die vielleicht auf den ersten Blick nicht so spektakulär erscheint, solche Dinge stehen nicht so im Fokus, machen aber uns und den Konsumenten sehr viel Spaß.

Vertreiben Sie diese Produkte selbst oder arbeiten Sie hierbei auch mit einem Distributeur wie bei Marabou?
Nein, hier werden wir komplett selbstständig die Produkte vermarkten und vertreiben.

Rückblickend auf das Jahr 2019, waren die großen Themen ...
... die Einführung der Milka Darkmilk mit einem höheren Kakaogehalt, denn dadurch wollten wir auch ältere Konsumenten wieder stärker an die Marke heranführen. Dieses Konzept ging auf – ebenso wie die Einführung von Oreo Golden. Für den echten Oreo-Keks-Esser war das ein Kulturschock, denn der Keks ist nun mal im Original schwarz. Wir haben diese Polarisierung aufgebrochen, und das macht sehr viel Spaß.

Wagen Sie für uns eine Prognose für das Geschäftsjahr 2020?
Klares Jein. Weltweit geben wir keine klare Prognose ab. Wir haben natürlich weltweite Ziele formuliert, stehen aber wie viele andere Hersteller auch derzeit vor schwer zu definierenden Auswirkungen. Natürlich sind wir im Bereich Lebensmittel extrem privilegiert – verglichen mit der Luftfahrt zum Beispiel. Snacking ist ein Essverhalten, das wird weltweit zunimmt zunehmen – darauf fokussiert sich unsere langfristige „Snacking made right“-Strategie; deswegen sind wir sehr optimistisch.